Der Baufinanzierungsmarkt befindet sich in stürmischen Gewässern. Eine Analyse des vergangenen Jahres zeigt, wie sich der Markt verändert hat, welche Chancen in der Krise stecken und warum Wohnimmobilien weiterhin lohnenswerte Investments sind.

Der Markt für Baufinanzierungen steht unter Druck

Der Markt für Baufinanzierungen befindet sich in starkem Wandel und steht unter Druck.

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Der Baufinanzierungsmarkt stand im Jahr 2023 unter Druck wie seit langem nicht mehr. Während Immobilieninteressenten im Rahmen der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) von attraktiven Finanzierungsbedingungen profitierten und der Markt so jahrelang boomen konnte, sorgten 2023 diverse exogene Faktoren für das Ende dieses „Baufi-Booms”. Der Baufinanzierungsmarkt scheint gegen Ende des Jahres in einem neuen Normalzustand angekommen zu sein. Banken sowie ihre Kunden müssen sich dieser Realität stellen.

Wie wirkt sich die neue Marktsituation auf die Nachfrage nach Immobilien aus? Wie können Banken und ihre Kunden mit diesem veränderten Marktumfeld umgehen? Gibt es Chancen, die mit der Krise einhergehen, oder gilt es Risiken zu minimieren? Eine detaillierte Analyse des Zahlenmaterials gibt Aufschluss darüber, worauf in den kommenden Monaten und Jahren geachtet werden sollte und warum es sich dennoch lohnen könnte, in Wohnimmobilien zu investieren.

Welche Entwicklungen sorgten 2023 für den Einbruch des Baufinanzierungsmarktes?

Im Jahr 2023 verzeichnete das Neugeschäft am privaten Baufinanzierungsmarkt einen spürbaren Rückgang, welcher primär auf die dynamische Zinswende der EZB zur Bekämpfung der Inflation zurückzuführen ist. Diese Entwicklung stellt im Vergleich zu den Vorjahren einen markanten Unterschied dar und wirft einen Schatten auf den sonst so stabil wachsenden Baufinanzierungsmarkt: So wuchs der Kreditbestand mit einem Nettozuwachs von 18 Milliarden Euro in 2023 – hierbei handelt es sich mit rund 1,1 Prozent Wachstumsrate um den niedrigsten Zuwachs seit über einem Jahrzehnt. Der Vergleich mit dem Jahr 2022 verdeutlicht die Drastik dieser Entwicklung: Im Jahr zuvor konnte hier noch ein absolutes Wachstum von beachtlichen 81 Milliarden Euro verzeichnet werden.

Das Nettoneugeschäft (ohne Prolongationen) betrug im Gesamtjahr 2023 129 Milliarden Euro, ein signifikanter Rückgang um etwa 38 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Diese Zahlen verdeutlichen die Herausforderungen, denen der Baufinanzierungsmarkt gegenübersteht. Auch wenn der Kreditbestand weiterwächst und aktuell auf einem Rekordwert von 1.584 Milliarden Euro (Stand: Dezember 2023) angestiegen ist, so ist im Angesicht des schwächelnden Neugeschäfts fraglich, wie lange dieser Trend noch gehalten werden kann.

Die Entwicklung des Neugeschäfts an Baufinanzierungen der letzten 10 Jahre verdeutlicht den Einbruch der Nachfrage deutlich

Die niedrige Nachfrage nach Baufinanzierungen manifestiert sich auch in einer spürbaren Zurückhaltung unter den potenziellen Interessenten auf dem Immobilienmarkt. Dieser Trend macht sich insbesondere in Ballungsräumen bemerkbar, die noch vor Ende 2022 von einer anhaltend hohen Nachfrage profitierten. Hier ist ein rückläufiger Trend bei den Immobilienpreisen zu verzeichnen. Dabei liegen die Kaufpreise bundesweit bereits inflationsbereinigt unter dem Basisjahr 2020. Angebot und Nachfrage sind hierfür maßgeblich verantwortlich. So ist die Vermarktungszeit für Immobilien in den vergangenen Monaten merklich gestiegen, was aus der derzeitigen verringerten Nachfrage resultiert.

Die Entwicklung des Interhyp Immobilien-Index mit regionalen Unterschieden (nominal 2020 = 100; Quelle: Interhyp AG, PwC Analyse).

Welche Rolle spielen hierbei die aktuellen Baufinanzierungszinsen?

Ein maßgeblicher Faktor und primärer Antrieb für den Rückgang der Nachfrage ist die Entwicklung der Zinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit Juli 2022 durch eine Erhöhung ihres Leitzinses rasche Maßnahmen zur Bekämpfung der Inflation ergriffen, wodurch der Erwerb von Wohneigentum für Investoren und Verbraucher erheblich verteuert wurde. Während die durchschnittliche Effektivverzinsung mit einer Zinsbindung bis 10 Jahre bei Baufinanzierungsvorhaben in den Jahren 2020 bis 2021 bei 1 Prozent lag, werden aktuell deutlich über 3 Prozent verzeichnet.

Die hohen Baufinanzierungszinsen führen zur Verteuerung der Bauvorhaben und im Umkehrschluss zu einer erhöhten monatlichen Belastung aus der Finanzierung. Dies führt zu zwei Phänomenen: Einerseits verringert sich der Kreis der Baufinanzierungsinteressenten, da einige aufgrund der gestiegenen Belastung eine mangelnde Kapitaldienstfähigkeit aufweisen. Andererseits führt dies zu einer Ausweitung der Darlehenslaufzeit, um die monatliche Rate mit dem frei verfügbaren Einkommen weiterhin tragen zu können. Ab Frühjahr 2023 führt dies dazu, dass der durchschnittliche Nominalzins die durchschnittliche Tilgung überstieg.

Ausblick Zinsentwicklung; Zinssätze in Prozent; Laufzeit: 10 Jahre; Monatlicher Durchschnitt; Stand: Januar 2024; Quelle: Deutsche Bundesbank, PwC Analyse.

Welche Auswirkungen sind dadurch auf dem Immobilienmarkt spürbar?

Die Preise für Immobilien sind jüngst gesunken, was es Interessenten erleichtern sollte entsprechendes Eigentum zu erwerben. Allerdings ist die Ausgangslage der Immobilienpreise zu betrachten. Seit Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 wurde aufgrund einer anhaltenden Niedrigzinsphase und des Wunsches nach den eigenen vier Wänden eine hohe Nachfrage verzeichnet, was zu konstant gestiegenen Kaufpreisen führte. Das resultiert darin, dass die Preise aktuell, trotz Rückgang, nicht für jeden Kaufinteressenten realisierbar sind.

Ein weiterer Blick auf das Alter der Immobilie gibt Aufschluss über das Nachfrageverhalten. Hier weitet sich die Preisspanne zwischen neueren und älteren Immobilien aus. Insbesondere neuere Immobilien, ab Baujahr 2010, zeigen eine deutlichere Preisstabilität als Immobilien mit Baujahr vor 1990. Als Grund kann der zunehmende Sanierungsdruck und die Anforderungen an energetisch sanierten Wohnraum genannt werden. Der potenzielle Sanierungsstau sorgt für erhöhten Investitionsbedarf, was einen Kauf zunehmend unattraktiv macht.

Obwohl die Preise bei Bestandsimmobilien leicht rückläufig sind, sorgen weiterhin hohe Baupreise aufgrund von Materialpreissteigerungen der letzten Jahre und die Kombination aus hohen Zinsen für einen Rückgang im Neubau und die Stornierung zahlreicher Projekte.

Welche weiteren Gründe sorgen für eine verhaltene Nachfrage?

Der erhöhte Investitionsbedarf aufgrund des Sanierungsstaus kann und will sich nicht jeder Verbraucher bzw. Investor leisten. Ein Treiber der gesunkenen Darlehensaufnahme im Jahr 2023 waren dabei unter anderem mittelfristig gestiegene Energiekosten und eine hohe Inflationsrate. Beides resultierte in einer signifikanten finanziellen Belastung der Haushalte und gesunkenem frei verfügbaren Einkommen.

Die Zahlen spiegeln dies deutlich wider. Der Anteil der Finanzierungsleistung am Haushaltseinkommen ist mit 37 Prozent so hoch, wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Dazu steigt das Einkommen des Durchschnittsverdieners in Deutschland tendenziell zu den Zinsen und Immobilienkosten geringer, was im Jahr 2023 die finanzielle Umsetzung und somit den Traum vom Eigenheim für einige Haushalte platzen ließ.

Welche Chancen bieten sich mit Blick auf das Baufi-Jahr 2024?

War das Jahr 2023 vor allem von steigenden Zinssätzen und sinkenden Volumina geprägt, bieten sich auch Chancen im aktuellen Marktumfeld. Die leicht rückläufigen Refinanzierungssätze und Guthabenverzinsung kurz- bis mittelfristiger Laufzeiten zeigen die Möglichkeit einer Zinswende auf. Erste Anzeichen waren bereits im Januar ersichtlich.

Private Haushalte können an den sinkenden Immobilienpreisen partizipieren. Insbesondere Baufinanzierungsinteressierten mit vorhandenem Eigenkapital bietet sich in dieser Phase eine bessere Verhandlungsposition.

Aus Banksicht wird der Spielraum größer, bei gestiegenen Zinsen wieder aktiv am Kundenmarkt zu agieren und mit intelligenter Zinspolitik margenstarkes Geschäft zu halten sowie Marktanteile weiter auszubauen.

Zusammenfassend zeigt das Jahr 2023 eine veränderte Realität des Baufinanzierungsmarktes auf. Käufer und Verkäufer als auch Banken müssen sich dabei auf mittelfristig veränderte Bedingungen einstellen. Die Talsohle scheint dabei jedoch durchschritten und eine weitere negative Entwicklung für 2024 unwahrscheinlich.


Ernst André Hettermann

Ernst André Hettermann ist Koautor des Beitrags. Er ist Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers und verantwortet die Themen Kredit, Digitalisierung und Core Banking Transformation im Management Consulting Financial Services in Deutschland. Der Diplom-Betriebswirt  verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in Banken und der Unternehmensberatung im Financial Services Umfeld.


Eine weitergehende Studie zur Baufinanzierung finden Sie hier.


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