Der deutsche Immobilienmarkt steht vor der einmaligen Situation. Auf eine Dekade rapide ansteigender Immobilienpreise folgt unmittelbar eine Phase stark steigender Baufinanzierungszinsen. Banken und Vermittler müssen handeln, um am Markt zu bestehen.
Seit Anfang 2022 steht die deutsche Wirtschaft unter erheblichem Druck. Nachwehen der Corona-Pandemie, sowie ausufernde Kosten bei Energie und Rohstoffen trieben die Inflationsraten nach oben. Die damit verbundene Steigerung der Zinsen für Baufinanzierungen bringt den deutschen Baufinanzierungsmarkt in Bedrängnis. Bereits von 2021 auf 2022 lag der Geschäftsrückgang bei ca. 10 Prozent und in diesem Jahr sieht es nicht besser aus. Im März 2022 wurden nach Zahlen der Bundesbank 32,27 Milliarden Euro als Neugeschäftsvolumen an private Haushalte als Wohnungsbaukredit herausgegeben. Der Höchstwert in 2023 lag bei 15,26 Milliarden (März).
In den Metropolregionen haben Immobilienkäufer bereits vor dem Zinsanstieg schon über 40 Prozent ihres Einkommens in die Zahlung der Monatsraten gesteckt. Diesen Wert dürften Neueinsteiger in der Welt der Eigenheimbesitzer in den letzten eineinhalb Jahres weiter nach oben getrieben haben. Dazu kommt, dass die durchschnittlichen Einkommen in Deutschland bei weitem nicht so stark angestiegen sind wie in den letzten zehn Jahren die Immobilienpreise. Die Immobilienbranche steht vor der gewaltigen Herausforderung in diesem Markt ein margenträchtiges und zugleich verbraucherzugewandtes Geschäft zu betreiben.
Schreckgespenst Immobilienblase
Die Immobilienpreise in Deutschland sind in den letzten Jahren stark angestiegen, insbesondere in urbanen Lagen. Zwischen 2011 und 2021 erhöhten sich die Preise für Eigentumswohnungen in den Top- 7 Städten um durchschnittlich 82 Prozent. Für den Gesamtmarkt weist das Statistische Bundesamt eine Teuerung von 41 Prozent aus.
Die Diskussion um die sogenannte Immobilienblase bezieht sich darauf, ob es eine Blase gibt, die auch tatsächlich platzen könnte. Vielmehr ist die Lage am deutschen Immobilienmarkt allerdings so, dass die Steigerungen im Grundsatz auf dem altbekannten Faktor von Angebot und Nachfrage beruht. Deutschland wird nicht zuletzt aufgrund der aktuellen und künftig weiterhin benötigten Einwanderung dringend mehr Wohnraum benötigen. Ein wichtiger Indikator jedoch ist auch das Verhältnis zwischen den Einkommen eines Kreditnehmers und dem Preis einer Immobilie. Dieses Verhältnis ist wiederum in den Top-7-Metropolregionen in der Tat in den letzten Jahren eher ungünstig.
Eine gewisse Überhitzung in einigen Regionen ist also festzustellen und durch aktuelle Preisrückgänge im Zuge der Zinsanhebungen belegt. Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass ein Crash wie beispielsweise 2008 in den USA für Deutschland absolut kein realistisches Szenario war und ist.
Die Entwicklung der Bauzinsen und warum uns die US- Immobilienkrise auch nach 15 Jahren noch beschäftigt
Die Entwicklung der Bauzinsen in Deutschland ist von vielen Faktoren abhängig und unterliegt regelmäßigen Schwankungen. Mitte der 90er Jahre waren Konditionen zwischen 7-8 Prozent normal, bis es bis Anfang 2021 dann auch Konditionen von deutlich unter 1 Prozent waren. Deutschland steht mit seinen Schwierigkeiten am Immobilienmarkt nicht allein da. In China etwa greift die Regierung hart gegen Spekulationen durch und das Wachstum der dortigen Immobilienwirtschaft ist vorerst gestoppt.
Die hohe Nachfrage nach Immobilien liegt vor allen Dingen darin begründet, dass die Kreditkosten, aufgrund der strikten Niedrigzinspolitik der EZB ultraniedrig waren. Diese Situation hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren verändert. Zwischenzeitlich sehr hohe Inflationsraten zwangen die EZB zu Leitzinserhöhungen, infolgedessen auch die Bauzinsen wieder anstiegen.
Als Auslöser der Niedrigzinsphase gilt die US-Immobilienkrise. Die Preise für Immobilien sind dort über mehrere Jahre hinweg stark angestiegen. Gleichzeitig stieg auch das Verhältnis von Darlehensbelastung zu Immobilienwert immer weiter an. Nach einigen Zinssteigerungen konnten viele Darlehensnehmer ihre Kredite nicht mehr bedienen. Dies wiederum ist damit zu begründen, dass Banken vielmehr den Wert der Immobilie, als die Bonität der Darlehensnehmer berücksichtigt haben.
Im weiteren Verlauf der Krise wurden weitere Märkte erfasst, bspw. wurde nahezu der komplette isländische Bankenmarkt verstaatlicht. Ebenso wurde das finanzpolitisch misswirtschaftlich geführte Griechenland hart getroffen und musste von mehreren EU- Hilfspaketen gestützt werden. Die EZB begegnete dieser Situation mit einer lockeren Geldpolitik und einer damit verbundenen Niedrigzinsphase.
Blick nach vorne und warum es dringend Innovationen braucht
Die Gesamtgemengelage stellt alle Marktteilnehmer vor die Herausforderung, zu klassifizieren in welchen Immobilien- und Kundensegmenten es also lohnend ist, Zeit und Arbeit zu investieren. Zweifelsfrei sind Banken in der Vergabe von Krediten in den vergangenen Jahren restriktiver geworden. Die Chance eine Kaufpreisfinanzierung auf die Beine zu stellen ist kleiner geworden, so haben beispielsweise auch Platzhirsche wie die ING eine neue Obergrenze von 95 Prozent eingezogen.
Des Weiteren sind wirkliche Produktinnovationen im Segment Baufinanzierungen jedoch auch nicht zu finden. Kreditinstitute sollten bei der Ausgestaltung ihrer Darlehen näher an die direkten Bedürfnisse ihrer Kunden heranrücken und auch dadurch ggf. wieder eine höhere Nachfrage erzeugen. Einfache Beispiele sind hier Ratenpausen, geringere Tilgungen und bessere Darstellungen der Finanzierbarkeit im Rentenalter. Ebenso ist es im Einwandererland Deutschland für viele Zugezogene unglaublich schwierig Eigentum zu erwerben, aufgrund vieler sehr restriktiver Herauslagekriterien. Insbesondere zu betrachten ist hier das Segment der hochqualifizierten Fachkräfte, den sogenannten Expats. Viele Kunden scheitern aufgrund befristeter Aufenthaltsstatus, Blue- Card- Besitz oder mangelnden Sprachkenntnissen beim Immobilienkauf. Selbst mit offizieller Übersetzung eines Dolmetschers kommt man oft nicht weit.
Was folgt
Einfach abzuwarten bis der Spuk der hohen Zinsen vorüber ist und weitermachen wie vorher ist höchstwahrscheinlich kein guter Weg. Veränderungen und Innovationen sind dringend benötigt. Marktteilnehmer die hier Vorreiterrollen einnehmen werden künftig das Marktgeschehen beherrschen.
Es ist davon auszugehen, dass bis 2026 mehr als jede zweite Finanzierung von einem Vermittler betreut wird. Dieser fortlaufende Trend zeigt auch auf, dass in einem immer komplizierter werdenden Markt die Aufteilung nach Beratungsleistung und Produktinnovation sinnvoll ist. Ebenso sind zaghafte Schritte einzelner Bundesländer bei der Herabsetzung der Grunderwerbssteuer ein möglicher Weg, das Thema von allein zu flankieren.