Die Fähigkeit zur Innovation ist für Finanzdienstleister zukunftsentscheidend. Was bringt der digitale Wandel den Banken in 2022? Auf welche Technologien setzen sie in diesem Jahr? Ein Interview mit Dr. Simone Barbosa, Abteilungsleiterin bei der BayernLB, vermittelt Antworten.
Bei „klassischer“ Automatisierung mittels Robotic Process Automatisation (RPA) wird menschliches Verhalten maschinell imitiert und automatisiert ausgeführt, beispielsweise um Workflows zu optimieren. Mitarbeiter werden dabei von manuellen, fehleranfälligen oder auch zeitintensiven Routinetätigkeiten entlastet. Aus unseren Projekten heraus wissen wir, dass es in vielen Finanzinstituten Bereiche gibt, in denen Effizienzen noch besser genutzt werden können.
Hyperautomatisierung ist umfassender. Es geht hier um die zielgebundene Kombination von erprobten und neuen Technologien wie z. B. RPA, Process Mining, Machine Learning, Natural Language Processing, Künstliche Intelligenz etc. im Rahmen einer durchdachten, ganzheitlichen und modernen IT-Infrastruktur.
Im Ergebnis können Systeme beispielsweise durch die Kombination von Kundenverhaltensmustern individuell reagieren. Sie können verschiedene Prozesse beziehungsweise kognitive Entscheidungen in stetig neuen Situationen weitestgehend eigenständig ausführen.
Das bedeutet, es werden keine Anwendungsfälle auswendig gelernt, sondern Muster und Gesetzmäßigkeiten in Daten erkannt und interpretiert. Zum Beispiel im Rahmen von Vorhersagen und adäquaten Empfehlungen bei Kursentwicklungen im Wertpapierhandel. Banken könnten allerdings auch in Kooperation mit dem Staat Anreizsysteme für die Bürger schaffen, indem eine umweltfreundlichere Haltung bzw. nachhaltiges Handeln, etwa auf Basis des Umsatzverhaltens, mit besseren Konditionen oder Steuererleichterungen verbunden ist.
Ganz wichtig: Es gibt nicht die eine Technologie, die alle Herausforderungen löst. Vielmehr ist es ein Ensemble von bestehenden, weiterentwickelten und komplett neuen Technologien. Sie sollten mit technischem und betriebswirtschaftlichem Sachverstand zusammengestellt werden, um Prozesse zu verbessern, sich gegenüber dem Wettbewerb zu behaupten oder dem Digitalisierungsdruck der Kunden weiterhin gerecht zu werden.
Interview mit Simone Barbosa, BayernLB
Dr. Simone Barbosa ist Abteilungsleiterin bei der BayernLB. Die promovierte Volkswirtin kommt aus dem Research- und Controllingbereich und verantwortet bei der BayernLB die Themen Organisation und Innovation. Sie leitete in den letzten Jahren regulatorisch getriebene Projekte und aktuell ein Optimierungsprojekt zu Prozessen und dem Internen Kontrollsystem (IKS).
Im Gespräch gibt sie einen Einblick über die Herausforderungen des Innovationsmanagements im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung, die Auswahl von Schlüsseltechnologien und spannende Projekte bei der BayernLB.
Das Innovationsmanagement ist eng mit der Geschäftsstrategie verzahnt
Der Bank Blog: Die Bayerische Landesbank (BayernLB) ist das siebtgrößte Kreditinstitut und die zweitgrößte Landesbank Deutschlands. Wie behält man da gerade im digitalen Wandel die vielen Trends in der Branche im Blick?
Simone Barbosa: Wir beobachten alle Zukunftstrends sehr genau. Mit einem digitalen Leitbild konkretisieren wir die zukünftige digitale Ausrichtung der BayernLB. Dabei geht es neben der internen Optimierung auch darum, zielgerichtet, schnell und kundenorientiert neue Ideen in den Vordergrund zu rücken und Innovation zu beschleunigen.
Das Innovationsmanagement der BayernLB unterliegt dabei einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und ist eng mit der Geschäftsstrategie verzahnt. Auf Basis eines klaren strategischen Zielbilds definieren wir Fokusthemen, befeuern die Ideengenerierung, holen uns Input von Dritten, steigern die Umsetzung von Pilotprojekten sowie Prototypen im Innovationsprozess und realisieren erste Use Cases.
In unserer Arbeit stehen zwei zentrale Aspekte im Mittelpunkt: Erstens, unsere Mitarbeiter bei repetitiven Aufgaben zu entlasten und damit Freiräume für komplexe Vorgänge zu schaffen. Zweitens wollen wir unser Angebot für unsere Kunden stetig verbessern und weiterentwickeln, natürlich auch unter Einbindung neuer Technologien.
Wir entwickeln Lösungen gemeinsam mit unseren Kunden
Der Bank Blog: Werden wir mal konkret: Auf welche aktuellen Innovationen für Ihre Kunden sind Sie denn stolz?
Simone Barbosa: Zum Beispiel auf unsere Kooperation mit der DVS GmbH und unsere direkte Schnittstelle zur neuen Guarantee Vault Plattform. Damit können alle Beteiligten vom Auftraggeber bis zum Begünstigten digitale Avale erstellen, verwalten und aufbewahren. Konkret: Firmenkunden haben jetzt die Möglichkeit, eine digitalen Garantie-/Bürgschaftsurkunde zu beauftragen. Und die Begünstigten profitieren von einer komfortablen Verwahrung sowie einer einfachen Haftungsentlassung am Ende der Transaktionslaufzeit.
Für dieses Projekt sind wir mit unseren Kunden gemeinschaftlich in die Zukunft gegangen und seit zwei Jahren fester Bestandteil einer Arbeitsgruppe aus den wichtigsten Vertretern der Baubranche sowie einigen weiteren Industrieunternehmen und Finanzdienstleistern. Gemeinschaftlich haben wir diese Lösung entwickelt, die echte Kundenbedarfe abbildet und klare Mehrwerte liefert. Es handelt sich um die erste multibankenfähige Lösung am Markt, die konsequent die Bedürfnisse der Firmenkunden in den Vordergrund stellt. Die Guarantee Vault Plattform der DVS GmbH ist seit Mitte 2021 am Markt und wird von den Kunden sehr gut angenommen.
Durch Optimierung der Schriftlich fixierten Ordnung (SfO) schaffen wir Effizienz
Der Bank Blog: Durch Prozessverbesserungen wollen Sie auch für Ihre Mitarbeiter Entlastung schaffen. Können Sie uns dafür ebenfalls ein Beispiel nennen?
Simone Barbosa: Von Bedeutung ist für uns zum Beispiel eine effiziente und schlanke Governance. Die Schriftlich fixierte Ordnung (SfO) sowie das Interne Kontrollsystem (IKS) werden derzeit im Rahmen des Projektes „Optimierung SfO & IKS“ überarbeitet und verschlankt bzw. vereinfacht. Übergeordnetes Ziel ist eine Optimierung nach regulatorischem Minimalprinzip mit maximalem praktischem Nutzen für die Bank und deren Mitarbeiter.
Wir reduzieren die SfO-Dokumente und die Schlüsselkontrollen. Gleichzeitig optimieren wir die SfO- und IKS-Governance sowie die Regelprozesse. Es gilt hierbei, Prozesse als das führende SfO-Element und als Single Source of Truth für prüfende Einheiten (Kontrollfunktionen, Revision, regulatorische Aufsicht) zu etablieren.
Eine möglichst vollständige Prozessdokumentation ist eine zentrale Grundlage für Prozessoptimierungen und damit auch für die weitere Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen. Unterstützt wird dieses Vorhaben durch die bankweite Etablierung eines umfassenden Governance-Risk & Compliance-Tool, das in hoher Qualität und redundanzfrei die DNA des Unternehmens dokumentiert.
Wir setzen auf Innovationspartnerschaften im Rahmen der digitalen Transformation
Der Bank Blog: Andere Landesbanken stehen ja vor ähnlichen Herausforderungen wie Sie. Inwieweit findet da ein Austausch, ein gegenseitiges Befruchten statt?
Simone Barbosa: Wir stehen in unserer Innovationsarbeit in engem Austausch mit unseren Töchtern, anderen Landesbanken und öffentlichen Banken zum Einsatz digitaler Tools und Methoden. Die Kooperation im Konzern und Verbund dient zum einen dem Wissensaustausch, aber auch der Ausarbeitung gemeinsamer Use-Case-Lösungen z.B. zur Adressierung der umfangreichen Fragestellungen im Bereich Nachhaltigkeit.
Zudem setzen wir auf Innovationspartnerschaften, indem wir gemeinsam mit Kunden, Hochschulen, Banken und auch Fin-Techs digitale Transformation gestalten und z.B. gemeinsame Austauschplattformen aufbauen, um die Vorteile neuer Technologien wie Blockchain zu nutzen.
Dabei verlieren wir nie unser Ziel aus dem Blick: Die BayernLB als fokussierte Spezialbank bei gleichzeitiger Standardisierung zukunftsfähig aufzustellen. Wir investieren dort in die Zukunftsfähigkeit der Bank, wo wir stark sind, um bestmöglich zu performen und skalierbare sowie modulare E2E-Prozessstrecken zu schaffen.
Neuen Technologien rücken in den Vordergrund
Der Bank Blog: Auf welche Trends und Technologien setzen Sie dabei? Was sind aus Ihrer Sicht die Wichtigsten?
Simone Barbosa: Unverändert im Fokus der Bankingbranche steht der noch lange nicht abgeschlossenen Trend der Digitalisierung. Dabei rücken im Banking Themen wie z. B. Data Analytics und KI, aber auch Hyperautomatisierung in den Vordergrund. Der Einsatz von Automatisierungslösungen zur Bearbeitung regelkonformer Prozesse und Aufgaben bietet die Möglichkeit, die „time to yes“ zu verkürzen und mehr Zeit für die Bedürfnisse der Kunden aufzubringen. In der BayernLB entwickeln wir für neue Technologien Prototypen und entscheiden unter Betrachtung des jeweiligen Business Case, ob ein Roll-Out für unser Haus sinnvoll ist.
Der Bank Blog: Was ist denn aus Ihrer Sicht die derzeit wichtigste Technologie für die BayernLB?
Simone Barbosa: Die BayernLB hat sich vergangenen Herbst dazu entschieden, die Nutzung der „Microsoft-Cloud-Welt“ für ausgewählte Anwendungen zu ermöglichen. Damit hat die BayernLB die entscheidende Grundlage für eine moderne und zukunftsfähige IT-Landschaft gelegt. Der Einsatz bietet umfangreiche Möglichkeiten im Hinblick auf Modularisierung, Flexibilisierung, Automatisierung und Standardisierung der zukünftigen IT- und Provider-Landschaft. Daneben eröffnet der Zugriff auf Cloud-Services auch eine einfachere Verprobung neuer Technologien wie KI.
Use & Business Cases helfen bei neuen Technologien
Der Bank Blog: Wie groß sind die Herausforderung für Bankhäuser bei der Einführung neuer Technologien?
Simone Barbosa: Die Einführung neuer Technologien im Bankensektor wird zu Beginn meist als komplex und extrem herausfordernd wahrgenommen. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Aufbaus der passenden Skills sowie der Vereinbarkeit mit regulatorischen Anforderungen, die für Banken bekanntermaßen besonders hoch sind. Wenn man sich damit allerdings näher beschäftigt, liegt die Lösung in der Regel in der Definition passgenauer Use & Business Cases und nicht in der Technologie als solcher.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.