6 Bereiche für ein erfolgreiches europäisches FinTech-Ökosystem

Wie Finanz-Startups ihr Potential entfalten könnten

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FinTechs und Neobanken haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Laut einer Studie steckt in vielen europäischen FinTech-Ökosystemen trotz aktueller Krise immer noch erhebliches Potenzial, das es zu heben gilt. Für den Erfolg seien sechs Bereiche besonders wichtig.

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Viele FinTechs haben mit der aktuellen Wirtschaftssituation zu kämpfen. Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge gibt es aber auch Gewinner, die ihren Marktanteil steigern und von der Marktkonsolidierung profitieren. Überhaupt seien FinTechs in Europa inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. In den sieben größten europäischen Volkswirtschaften befindet sich laut der Studie mindestens ein FinTech unter den fünf wertvollsten Banken. Insgesamt haben europäische Finanzstartups rund 134.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern. Während das britische und das schwedische Ökosystem mit Blick auf Gründungsquote sowie Investitionen besonders gut funktionieren, landeten beispielsweise Deutschland, Frankreich oder Spanien nur im Mittelfeld. Die FinTech-Ökosysteme vieler osteuropäischer Länder lägen nochmals dahinter.

FinTechs liefern wichtige Impulse

Der Studie zufolge liefern FinTechs wichtige Impulse für Innovationskraft und Wachstum der Finanzbranche, indem sie neue Ertragsquellen erschließen sowie etablierte Angebote und Prozesse infrage stellen. So würden FinTechs ihre Produkte und Dienstleistungen im Schnitt in zwei bis sechs Monaten und damit viel schneller auf den Markt bringen als etablierte Banken, die für die Markteinführung durchschnittlich zwischen 12 und 18 Monaten benötigen.

FinTechs greifen neue Trends und Technologien oft früher als Banken auf und können so als Indikator dienen, welche Innovationen erfolgreich sind. Viele führende europäische Banken kooperieren deshalb mit FinTechs oder beteiligen sich an ihnen. Dabei können die FinTech-Ökosysteme laut Studie von starken Banken im jeweiligen Markt profitieren. Andererseits können starke FinTech-Ökosysteme auch in weniger entwickelten Bankenmärkten zu finden sein.

Hohes FinTech-Potential

Würden die unteren zwei Drittel der europäischen FinTech-Ökosysteme zum oberen Drittel und das obere Drittel zu Großbritannien aufschließen, könnte die Zahl der FinTech-Arbeitsplätze in Europa sich fast verdreifachen und auf rund 364.000 steigen. Das mögliche Investitionsvolumen könnte sich mehr als verdoppeln, was zusätzlichen Investitionen von 84 Mrd. Euro entspräche. Zudem würde die kumulierte Bewertung des europäischen FinTech-Sektors um den Faktor 2,3 wachsen und wäre damit fast doppelt so hoch wie die Marktkapitalisierung der zehn größten europäischen Banken, die derzeit insgesamt rund 516 Mrd. Euro beträgt.

Kooperation ist sinnvoll

Für die Leistungsfähigkeit eines FinTech-Ökosystems spielt insbesondere die Verfügbarkeit von Wachstumskapital eine entscheidende Rolle. Hier liegt Deutschland beispielsweise hinter Ländern wie den Niederlanden, Frankreich oder dem Vereinigten Königreich, das den europäischen Markt mit einem Gesamtvolumen von rund 1,3 Mrd. Euro für die Frühphasenfinanzierung (Seed und Serie A) und 8,3 Mrd. Euro (Serie B+) für die Spätphasenfinanzierung im Jahr 2021 anführt.

Um den Rückstand der FinTech-Ökosysteme zur europäischen Spitze aufzuholen, sind eine programmatische Agenda und kontinuierliches Engagement aller Akteure erforderlich. Alle Stakeholder – Investoren, etablierte Banken, Politik, Regulierungsbehörden und die FinTechs selbst – müssten aktiv zusammenarbeiten

Sechs Bereiche für ein erfolgreiches FinTech-Ökosystem

Um die europäischen FinTech-Ökosysteme zu stärken und die Gründungsaktivität sowie das Wachstum der FinTechs über die Ländergrenzen hinweg zu sind der Studie zufolge sechs Bereiche besonders wichtig:

  1. Harmonisierung der Marktstrukturen,
  2. Breitere Investorenbasis,
  3. Innovative Regulierung,
  4. Ausreichendes Personal,
  5. Europäisches Netzwerk sowie
  6. Besseres Marktangebot.

1. Harmonisierung der Marktstrukturen

In der Europäischen Union findet bereits eine Vereinfachung und Harmonisierung der fragmentierten Regulierung statt, wodurch FinTechs ihre Geschäftsmodelle leichter skalieren und sich stärker auf regional unterschiedliche Kundenbedürfnisse konzentrieren können. Diese Harmonisierung muss weitergehen, damit es für FinTechs leichter wird, auch Kunden außerhalb ihres Heimatmarkts zu bedienen.

2. Breitere Investorenbasis

Europäische FinTechs benötigen über alle Entwicklungsphasen hinweg einen besseren Zugang zu lokalen Finanzierungen, die weniger von der Volatilität internationaler Märkte und geopolitischen Entwicklungen abhängig sind. Darüber hinaus könnte nachhaltiges Wachstum durch ein effektives Netzwerk, das über Wachstumskapital hinausgeht und etwa den Zugang zu Berater- oder Experten umfasst, gestärkt werden. Zudem spielen Politik und Regulierungsbehörden eine wichtige Rolle für die Gestaltung des Zugangs institutioneller Investoren zu Wachstumsinvestitionen.

3. Innovative Regulierung

Der regulatorische Rahmen muss Innovationen ermöglichen und FinTechs die Voraussetzungen bieten, um im nationalen und internationalen Wettbewerb zu bestehen und gleichzeitig Stabilität gewährleisten. Dabei müssen sowohl Anleger als auch Kunden geschützt werden.

FinTechs können aktiv dazu beitragen, die Regulierungsbehörden noch stärker für den gesellschaftlichen Nutzen ihrer Produkte und Dienstleistungen zu sensibilisieren. Darüber hinaus können sie ihre Kundenorientierung nutzen, um regulatorische Anforderungen nutzerfreundlich umzusetzen.

4. Ausreichendes Personal

Europäische FinTechs müssen im Wettbewerb um Personal aus aller Welt mit den globalen Tech-Hubs mithalten können. Sie können ihren Teil zum Erfolg beitragen, indem sie eine moderne Arbeitskultur schaffen und attraktive Arbeitsplätze mit hervorragenden Entwicklungsmöglichkeiten bieten.

5. Europäisches Netzwerk

Für den grenzüberschreitenden Erfolg von FinTechs müssen alle Akteure – von Investoren über etablierte Banken bis hin zu staatlichen Akteuren und Aufsichtsbehörden – ihr Know-how über die verschiedenen Märkte in einem zentralen Knotenpunkt bündeln.

Mit der Einrichtung von „Startup-Zentren“ könnten zentrale Anlaufstellen geschaffen werden, an denen FinTechs und andere Startups beraten werden. Eine europäische Institution wie das Enterprise Europe Network könnte als mögliche zentrale Anlaufstelle hierfür dienen.

6. Besseres Marktangebot

FinTechs müssen den Verbrauchern ein noch breiteres Spektrum an Produkten und Dienstleistungen bieten sowie besseren Zugang und einen unkomplizierten Anbieterwechsel ermöglichen. Wenn FinTechs den gleichen Schwerpunkt auf Produktsicherheit und -stabilität legen wie auf das Kundenerlebnis, können sie möglicherweise einige regulatorische Herausforderungen von vornherein vermeiden.

Etablierte Banken haben die Möglichkeit, mit FinTechs zusammenzuarbeiten, um innovative B2C- und B2B-Angebote voranzutreiben. Solche Partnerschaften fördern auch das Vertrauen der Kunden in FinTechs und neue digitale Geschäftsmodelle.

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Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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