Blockchain-Technologien bieten zahlreiche Vorteile und zwingen Banken im Rahmen eines „Open Banking“ in digitale Ökosysteme mit Unternehmenskunden und Wettbewerbern. Dies erfordert Veränderungen in Organisationen und einen Fokus auf Kernkompetenzen.

Blockchain-Technologien bieten zahlreiche Vorteile für Banken

Der Einsatz von Blockchain-Technologien erfordert organisatorisches Umdenken in Banken.

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Rund 12 Jahre nach dem Launch der Blockchain Bitcoin stellt sich eine zunehmende Tendenz der Normalisierung in der Evaluation der Blockchain-Technologie (oder allgemeiner DLT: Distributed-Ledger-Technologie – DLT) ein. Allen voran forschen vor allem Finanzinstitute in Bezug auf die Möglichkeiten dieser Technologien. Denn sie versprechen zumindest theoretisch Kostensenkungen und neue Geschäftsmodelle. Wie müssen Banken auf diese Entwicklung reagieren?

Welche Vorteile bietet DLT?

Eine DLT birgt folgende innovative Elemente in sich: Sie kann

  • als System für Existenzbeweise und die Zertifizierung von Daten,
  • einem Wertetransfer via Tokens (digitale Wertschriften) und
  • zur Programmierung von Geschäftsprozessen und einem verbesserten Work-Flow-Management via Smart Contracts dienen.

Die DLT stellt damit im Prinzip eine Revolution der Finanzmärkte dar. Denn sie ermöglicht

  1. die Schaffung von digitalen Währungen als Komplement oder Substitut von Fiat-Geld;
  2. eine Art „Buchhaltung für das 21. Jahrhundert“ und
  3. mit der Kombination von Smart Contracts neue Unternehmensrechtsformen und Geschäftsmodelle.

Anwendungsfälle von DLT im Bankenwesen sind z. B. der Zahlungsverkehr, Trade Finance, der Handel, die Verwaltung von Wertpapieren oder über Security Token Offerings neue Formen der Finanzierung.

Digitalisierungsrevolution im Finanzmarkt

Dem Finanzmarkt steht damit eine Digitalisierungsrevolution dreier zentraler Funktionen ins Haus:

  • Wertpapiere können digitalisiert werden und via Tokens über das Internet sicher transferiert werden. Tokens sind digitale Assets, die auf einer DLT abgespeichert sind.
  • Geld kann nun im Prinzip programmiert werden. Hierfür stehen perspektivisch Angebote digitalen Zentralbankgelds (Central Bank Digital Currency – CBDC) oder privatwirtschaftliches digitales Geld (z.B. Facebooks Libra) zur Verfügung, sei es in Form eines digitalen Kontos bei einer Zentralbank, sei es als Kryptowährung auf einer DLT.
  • In Zukunft dürften jede natürliche und juristische Person sowie jedes Objekt eine digitale Identität besitzen. Denn diese ist zwingende Voraussetzung, um in DLT-Systemen die entsprechenden automatisierten Wertetransfers durchführen zu können.

Was den Aufbau von DLT-Systemen im Finanzsektor noch behindert, sind in erster Linie technische Probleme der Skalierung; die Kosten des Aufbaus einer neuen digitalen Kapitalmarktinfrastruktur; eine europaweit nicht einheitliche Regulierung, die zumeist die IT-Legacy-Systeme bevorzugt; ein oft noch mangelndes Verständnis der Akteure; sowie ein nicht immer erkennbarer Nutzen von Use Cases. Dass aber die Grundidee einer DLT-basierten digitalen Kapitalmarktinfrastruktur Sinn macht, darauf weisen die vielfältigen Initiativen der Zentralbanken, der Regulierungsbehörden und der großen Finanzinstitute hin.

Welche Auswirkungen hat DLT auf den Bankensektor?

Dies ist die Gretchen-Frage, war doch der puristische Grundsatz der Blockchain-Szene ursprünglich mit einer „Decentralized Finance“ Banken überflüssig zu machen. Da die Regulierung aber auch in Zukunft zentrale, haftbare Ansprechpartner haben möchte, ist eher von einem DLT-basierten „Open Banking“ auszugehen, in dem sich die Rollen von Banken verändern. DLT ist für die Finanzindustrie damit eine große Chance zur Gestaltung neuer Geschäftsmodelle, aber auch ein hohes Risiko, wenn Wettbewerber in der Entwicklung und Implementierung schneller agieren.

Nicht alle Anwendungsfälle werden sich in der Breite als realisierbar herausstellen, zudem muss noch spürbar in Forschung und Entwicklung auf diesem Themenfeld investiert werden. Das Entscheidende ist, sich mit DLT und deren Anwendungsfällen zu beschäftigen und das Potenzial für das eigene Institut in Verbindung mit der gewählten Unternehmensstrategie und den eigenen Kernkompetenzen zu analysieren.

Neue Partnerschaften über digitale Ökosysteme

Finanzinstitute dürften sich nämlich im Rahmen einer Branchenkonvergenz in Zukunft gemeinsam mit der Industrie in digitalen Ökosystemen bewegen und darin mit Wettbewerbern partnerschaftlich arbeiten. Hauptstolpersteine dürften dabei die Erstellung von Regeln für die Zusammenarbeit (Governance) sowie die Schaffung eines europaweiten verbindlichen Rechtsrahmens sein. Die Problemstellung für Banken ist nun, sich hier auf die eigene Kernkompetenz in einem Netzwerk aus Partnerschaften zu konzentrieren. Denn die traditionelle Wertschöpfung wird durch DLT aufgebrochen und neu definiert.

Die Finanzindustrie steht als Bindeglied zwischen Industriepartnern, Kunden, Bankenaufsicht und gesellschaftlicher Verantwortung in einer besonderen Position. Gerade aber die traditionellen Banken müssen aufpassen, dass ihr nicht durch BigTech-Firmen oder branchenfokussierte Banken der Industriekonzerne zukünftige Aufgaben wie die Organisation des Zahlungsverkehrs in Industrie 4.0-Netzwerken entgehen, so dass ihnen im Extremfall am Ende lediglich regulatorische Dienstleistungen verbleiben.

Change-Management als Voraussetzung für Blockchain

Banken müssen sich daher noch viel mehr als bisher mit ihren Kunden und deren Bedürfnissen beschäftigen. Die Institute müssen sich ein klares Bild ihrer eigenen Stärken und Schwächen machen, und sie müssen den Mut haben, sich neuen Partnern und Wettbewerbern zu öffnen. Dabei wird dem Change-Management innerhalb der Finanzwirtschaft eine bedeutsame Aufgabe zuteil, damit die Anpassung der Unternehmenskultur erfolgreich gelingen kann.

Die Herausforderung für das Management durch DLT ist damit zum einen die Definition der zukünftigen Rolle von Banken und zum anderen die Vorbereitung von Organisation und Mitarbeitern auf die zukünftige Umwelt im Rahmen eines Change-Prozesses. So besteht der Markt für DLT-Plattformen aktuell aus fragmentierten Angeboten, die sich häufig überschneiden oder komplementär genutzt werden, was die Entscheidungsträger in Bezug auf die richtige Strategie und den Auswahlprozess vor besondere strategische Unsicherheiten stellt.


Dr. Guido Zimmermann

Dr. Guido Zimmermann ist Koautor des Beitrags. Er ist Senior Economist im Research der Landesbank Baden-Württemberg und beschäftigt sich mit Themen der Digitalisierung, hier v. a. Themen zu DLT und Künstlicher Intelligenz.