Wie die Blockchain digitales Zentralbankgeld ermöglicht

Vom Hype zum Geschäftsmodell

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Fällt die EZB 2021 ihre Entscheidung für den E-Euro auf Blockchain-Basis, ist für Banken der Weg frei für völlig neue Geschäftsmodelle. Institute, die jetzt ihre Blockchain-Fähigkeiten ausbauen, können im Zentrum des neu entstehenden Zahlungsverkehrssystems mitspielen.

Digitales Zentralbankgeld auf Blockchain-Basis ermöglicht neue Geschäftsmodelle

Digitales Zentralbankgeld auf Blockchain-Basis ermöglicht neue Geschäftsmodelle.

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Der Anteil digitaler Zahlungen in Deutschland wächst kontinuierlich. Gleichzeitig sinkt die Bargeldnutzung, denn immer seltener bezahlen die Menschen mit Scheinen und Münzen. Nichtsdestotrotz bleibt das Niveau der Bargeldtransaktionen hierzulande weiterhin relativ hoch, denn die hiesigen Verbraucher sind dem Bargeld – vieler Nachteile und hohen Kosten zum Trotz – sehr zugetan.

Aber das Verbraucherverhalten hat sich verändert. Dieser Wandel hat sich nicht zuletzt auch durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beschleunigt. Banken sehen sich daher mit völlig neuen Kundenwünschen und Verbraucherbedürfnissen konfrontiert. Bequemes Bezahlen via mobiler Endgeräte, schnelles kontaktloses Zahlen an der Ladenkasse oder sichere Geldüberweisungen an den Onlinehändler: In vielen Bereichen hat sich das Bezahlverhalten auf digitale Kanäle verlagert – weg vom Bargeld, das sich von Zentralbanken noch in voller Gänze regulieren ließ. Dieses Kundenbedürfnis nach digital abbildbaren Geldtransaktionen hat eine Vielzahl von Unternehmen längst identifiziert. Innovative FinTechs und internationale Big-Tech-Schwergewichte reagieren darauf mit entsprechenden Lösungen. Den Kunden freut es. Für ihn bedeutet mehr Auswahl mehr Wettbewerb – und das führt zu Bezahllösungen, die sich in puncto Bequemlichkeit, Verfügbarkeit, Sicherheit und niedrigen Preisen übertreffen wollen.

Viele dieser Bezahlmethoden agieren jedoch zum Teil an den Systemen der Banken vorbei oder touchieren diese nur leicht. Die Finanzinstitute sind der Gefahr ausgesetzt, im lukrativen Zahlungsverkehr nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen oder sogar wertvolle Anteile am Kundenkontakt völlig zu verlieren.

Zu einer ähnlichen Erkenntnis kommen auch immer mehr Zentralbanken. Die Nutzung eines „digitalen Euros“ ist angesichts der Bedrohungslage durch innovative Zahlungsdienstanbieter, neue Kryptowährungen und andere E-Geld-Lösungen ein Weg aus diesem Dilemma.

Digitales Zentralbankgeld (DZBG) wird daher immer häufiger diskutiert – auch von der Europäischen Zentralbank (EZB).

Mit DZBG bleiben die Banken im Spiel

Aus rein wirtschaftlichen Gründen kann DZBG durchaus Sinn für die Bankenbranche machen: Die Faktoren, die eine Bargeldversorgung aufwendig und teuer in der Organisation und Verwaltung machen, fallen mit dem digitalen Euro weg. Die Wartung der Infrastruktur, der Geldtransport, die Sicherung und selbst das profane Zählen von Scheinen und Münzen sind kostspielig – 180 Mrd. Euro um genau zu sein. Da die Nachfrage nach Bargeld ohnehin rückläufig ist, bietet sich mit DZBG die Chance, auch die damit verbundenen Kostenfaktoren zu minimieren – ohne dabei völlig auf die Vorteile von Bargeld verzichten zu müssen.

Zudem bietet DZBG Möglichkeiten für Neugeschäft, die selbst Banken heute noch nicht vollends absehen können. Hier stehen vor allem die Kundenkontakte im Vordergrund, die für die Geschäftsmodelle von Finanzdienstleistern immer erfolgsentscheidender werden. Elektronische Zahlungen erfolgen schon heute über verschiedene Parteien, die an einer Transaktion beteiligt sind. So kommt es, dass neben Banken, Kreditkartenanbietern, Zahlungsabwicklern oder App-Betreibern viele Marktteilnehmer den Weg einer Zahlung nachverfolgen und so gesammelte Daten für die Erstellung von Angeboten, die dem traditionellen Bankgeschäft Konkurrenz machen, nutzen können. Beim DZBG können die Vorteile einer anonymen Zahlung – sonst lediglich einer Bargeldtransaktion vorbehalten – aber auch digital unterstützt zur Realität werden. Dabei bedeutet DZBG nicht, dass alle Verbraucher plötzlich ein digitales Konto bei der EZB haben werden, sondern vielmehr, dass die Zentralbank einen digitalen Wert

schafft, den Kunden online und offline nutzen können und sowohl über eine Bank als auch direkt transferieren können. Möglich gemacht wird dies maßgeblich durch Distributed Ledger Technologie (DLT) und durch die Blockchain.

DLT ist das Internet der Werte

Distributed Ledger Technologie schafft einen digitalen Wert, einen Token, der sicher und überall übertragen werden kann – ohne dass dieser auf seinem Weg von A nach B bei einer zentralen Stelle digital verbucht werden müsste. Ganz so wie Bargeld auch. Ein Beispiel: Heute wird ein Geldbetrag folgendermaßen elektronisch übertragen: Der Kauf eines Buchs erfolgt per Girocard und damit über den Zahlungsabwickler einer Buchhandlung. Der Bank der Buchhandlung wird der Betrag gutgeschrieben, der Bank des Käufers abgezogen. Dabei können sehr viele Intermediäre auftreten, die an der Transaktion beteiligt sind. Auch wenn die Buchhandlung den Wert des gekauften Buchs in Bargeld umwandeln möchte, ist zumindest die Bank involviert. Bei einem DLT-basierten DZBG ist dieser Schritt aufgrund des digital erstellten Tokens jedoch überflüssig. Hier ist die Bezahlung des Buches folgendermaßen denkbar. Ein Kunde erhält 30 Euro in Form von DGZB. Er lädt die Hälfte davon in das digitale Wallet seiner Bank, das auf dem Smartphone oder einem Wearable gespeichert ist. Die andere Hälfte wird beispielsweise auf eine kleine Plastikscheibe geladen. Diese kleine Plastikscheibe wird damit zu einem Token, der den Wert 15 Euro besitzt. Es ist damit wie Bargeld anonym und offline überall nutzbar, kann aber auch wieder zurückdigitalisiert werden. Der Kunde wäre also mit DZBG in der Lage, 15 Euro seines Bucheinkaufs mit seiner kleinen Plastikscheibe zu bezahlen und den Rest via mobiler Wallet-Lösung zu begleichen.

Dank Blockchain und DLT wäre DZBG also sowohl digital als auch offline abbildbar und würde die Funktionen von Bargeld mit der Bequemlichkeit und Einfachheit elektronischer Zahlungen vereinen. Die Beteiligten dieser Wertschöpfungskette werden jetzt „neu gemischt“. Es besteht also eine Chance für die Banken, sich einen großen Teil des neuen Kuchens zu sichern. Denn dies eröffnet für sie ein ganzes Potpourri an Möglichkeiten mit dem Kunden in Kontakt zu treten und ihm individuelle Finanzdienstleistungen anzubieten.

Banken sehen digitales Potenzial

Damit dies gelingt müssen Banken aber nicht nur das Geschäftspotenzial der Möglichkeiten erkennen und sich aktiv dafür entscheiden, sie müssen sich auch mit DLT-Technologie stärker vertraut machen. Denn eines muss man sich vor Augen führen: Kommt das DZBG, in welcher Form auch immer, wird es einen ganzen Industriezweig nachhaltig verändern. Dies ist bei Geldtransportunternehmen, Wechselstuben, Geldautomatenhersteller am offensichtlichsten. Aber auch viele andere Marktteilnehmer werden sich mit dem Wegfall eines großen Umsatzanteils auseinandersetzen müssen – und über Alternativen nachdenken. DZBG wird viele Fürsprecher haben: Der Handel profitiert beispielsweise von niedrigeren Kosten, die der Wegfall des teuren Bargeld-Handlings mit sich bringt, sowie dem Plus an Sicherheit. Die Zentralbanken werden mit Blick auf Steuerungsfähigkeit, Bekämpfung von Geldwäsche und kriminellen Transaktionen Vorteile erkennen. Schlussendlich wird auch der Bankkunde die Einfachheit, Bequemlichkeit und Multifunktionalität von DZBG zu schätzen wissen.

Für Banken bietet sich somit die Möglichkeit, sich ins Zentrum eines neu entstehenden Zahlungsökosystem zu setzen und als Schnittstelle zwischen Händler, Zentralbank und Endkunde zu fungieren. Auch bieten die neuen Optionen ein weites Feld, sich von anderen Instituten abzuheben und auch von FinTech-Angeboten zu differenzieren. Dies kann in Form von Apps, der Entwicklung von Wallets und deren Trägermedien – beispielsweise innovative Bezahlkarten – geschehen. Die Tokenisierung von Werten – online wie offline – ist ein spannendes neues Geschäftsfeld mit hohem Entwicklungspotenzial. Der Schlüssel, dieses Potenzial zu heben, ist die Distributed Ledger-Technologie. Die nötigen Fähigkeiten, um in diesem Umfeld erfolgreich zu sein, sollten jetzt von Banken aufgebaut und entwickelt werden.

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Über den Autor

Nils Beier

Dr. Nils Beier ist Geschäftsführer im Bereich Finanzdienstleistungen bei Accenture Strategy und Experte für digitales Zentralbankgeld (DZBG). Er unterstützt Banken, FinTechs und Neobanken sowie die öffentliche Verwaltung bei der digitalen Transformation. Der Jurist hat über 20 Jahre Erfahrung in der Strategie-Beratung, u.a. bei McKinsey und hat für den juristischen Dienst der Europäischen Kommission gearbeitet.

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