Vor 20 Jahren startete das Web 2.0 mit digitalen Interaktionen. Jetzt kann das Web 3.0 auf der Blockchain digitales Geld und andere Rechte verwahren und innerhalb von Sekunden übertragen. Droht dem Banksystem eine Disruption wie seinerzeit den Buchläden?
Die Blockchain-Technologie, die durch Bitcoin bekannt wurde, hat das Potenzial, die Finanzwelt nachhaltig zu verändern. Sie ermöglicht die dezentrale, transparente und effiziente Abwicklung digitaler Prozesse und kann die Zuordnung zwischen einer Entität und einem Vermögenswert verlässlich und verbindlich darstellen – eine Funktion die traditionell von einer Bank wahrgenommen wird.
Viele Finanzinstitute betrachten Bitcoin und andere Kryptowerte noch nicht als ernstzunehmende Investitionsobjekte. Ob der vermeintlich fehlende intrinsische Wert, die Volatilität oder das breite Spektrum an Risiken die Zurückhaltung ist groß. Wer meint, man könne auch die Technologie hinter dem Bitcoin – die Blockchain – ignorieren, läuft Gefahr, eine wichtige Entwicklung zu verschlafen.
Nutzung von Kryptowerten zur Diversifikation
Klar zu vermerken ist, dass traditionelle Anleger und klassische Fonds ihren Portfolien immer öfter ein Krypto-Exposure beimischen. Dabei ist die Performance, aber oft auch nur das CAPM relevant, um das Risiko-Rendite Profil durch Beimischung nicht korrelierter Assets zu optimieren. Mit einer Korrelation von unter 0,3 etwa für Ethereum gegenüber dem S&P 500 ist diese Bedingung erfüllt.
Anleger allokieren eine Quote von 2 bis 5 Prozent ihres Portfolios in ETPs, also börsengehandelte Produkte, die den Wert eines Kryptowertes oder eines Baskets solcher Kryptowerte abbilden. Dieser Trend zeigt das wachsende Vertrauen in Kryptowerte in der etablierten Finanzwelt.
Kryptowerte als Alternative zur klassischen Kapitalanlage
Besonders bei jungen Anlegern steigt zugleich die Attraktivität von Kryptowerten als Ersatz für traditionelle Finanzprodukte. Diese Generation verzichtet auf klassische Sparpläne oder Fonds und setzt stattdessen auf eigenverwaltete Wallets, um direkt in Kryptowährungen zu investieren. Da weder eine Depoteröffnung noch komplexe Formulare benötigt werden, ist diese Art des Vermögensaufbaus flexible und eigenverantwortlich – abseits von Banken und anderen Finanzdienstleistern.
Stablecoins als Alternative im globalen Zahlungsverkehr
Ein weiterer Anwendungsbereich für Kryptowerte ist dagegen der internationale Zahlungsverkehr für international tätige Unternehmen. Stablecoins, deren Wert an Hartwährungen wie den US-Dollar gekoppelt ist, ermöglichen schnelle, kostengünstige und rechtssichere Transaktionen rund um die Uhr. Unternehmen weltweit nutzen diese Möglichkeit, um ihre internationalen Zahlungen effizienter abzuwickeln – ohne die Einschränkungen klassischer Bankarbeitstage.
Alternative Investments im Tokenformat
Auch alternative Anlageklassen profitieren von der Tokenisierung. Investments in Kunstwerke, Immobilien oder Musikrechte werden nicht mehr als KG-Beteiligung vertrieben, sondern können als Token in kleinen Einheiten erworben und über spezialisierte Plattformen gehandelt werden. In einer unlängst durchgeführten Studie zur Nutzung der Blockchain-Technologie in Deutschland wurden darüber hinaus die Schnelligkeit und die Transparenz als wichtige Vorteile tokenisierter Vermögensanlagen genannt.
Diese Entwicklung eröffnet breiteren Anlegergruppen Zugang zu zuvor schwer zugänglichen Märkten und bietet neue Möglichkeiten, das Portfolio zu diversifizieren. Auch hier kann eine Investition mit einem Mausklick und ohne Einschaltung einer Bank getätigt und in der Wallet des Investors abgewickelt werden.
Klassische Wertpapiere im digitalen Gewand
Die Tokenisierung klassischer Wertpapiere wie Aktien und Anleihen gewinnt ebenfalls an Fahrt. In Deutschland hat das eWpG (Gesetz über elektronische Wertpapiere) die Basis für digitale Wertpapiere geschaffen. Diese ermöglichen es, Wertpapiere ohne Verzögerung zu übertragen, was die herkömmliche „T+2“-Lieferungskonvention ablösen und damit auch Settlement-Linien überflüssig machen könnte.
Geringere Kosten, schnelleres Settlement und höhere Transparenz sind klare Vorteile digitaler Wertpapiere. Finanzdienstleister werden ihre Prozesse anpassen müssen, um von den Vorteilen der Blockchain-Technologie zu profitieren.
DeFi und die automatisierte Finanzwelt
Ein weiterer aufstrebender Bereich ist die sogenannte Dezentralized Finance (DeFi). Hierbei werden Finanztransaktionen durch sogenannte Smart Contracts automatisiert, Cashflows werden automatisiert ausgelöst, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So können digitale Handelsplätze entstehen, die automatisiert ein Tauschgeschäft abwickeln oder wie ein digitales Derivat funktionieren. Auch besicherte Kredite, bei denen automatisiert eine Verwertung der Sicherheit erfolgt, sind auf diesem Wege möglich.
DeFi ermöglich eine vollständig neue Welt digitaler Finanzprodukte, die künftig ohne eine Bank, ohne Kontrahentenrisiken und ohne das Risko menschlicher Fehlfunktionen ablaufen werden.
Blockchain ermöglicht digitales Vertrauen
Für Anbieter und Nutzer traditioneller Finanzdienstleistungen steht bis heute das Vertrauen in die Seriosität eines Instituts und seiner Mitarbeiter im Vordergrund. Die Blockchain ermöglicht digitales Vertrauen. Sie kann Bestätigungen generieren, die durch automatisch verlaufende transparente Prozesse nachvollzogen werden können und nicht beeinflussbar oder manipulierbar sind. Solche Bestätigungen könnten schon bald eine höhere Wertigkeit haben als eine auf Papier gedruckte und unterschriebene Bankbestätigung.
Mit der Bereitschaft der Nutzer, digitales Vertrauen anzuerkennen, wird sehr schnell auch die Bereitschaft zur Nutzung digitaler Finanzdienstleistungen entstehen. Die Banken sollten darauf vorbereitet sein.