Was sind die möglichen Folgen des Austritts Großbritanniens für die Banken? Eine Befragung leitender Bankmanager zeigt, dass insbesondere über Standortverlagerungen nachgedacht wird.
Die Boston Consulting Group (BCG) hat rund 360 leitende Bankführungskräfte aus Großbritannien, Frankreich, den USA und Deutschland zu den möglichen Folgen des Brexits befragt. Demnach sind rund 20 Prozent der Arbeitsplätze im Bereich Finanzdienstleistung am Standort London in Gefahr und könnten in andere globale Finanzplätze verlagert werden. Das beträfe alle Unternehmensbereiche von Banken, insbesondere den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, das Investmentbanking und das Handelsgeschäft.
Infografik Brexit Folgen
Die folgende Infografik zeigt Bewertungen des Brexits durch die Bankmanager sowie einige der möglichen Folgen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union im Überblick:
Unklarheit über langfristige Brexit-Auswirkungen
Fast 60 Prozent der Befragten rechnen mit dauerhaften Einschränkungen beim Zugang zum EU-Markt oder lang anhaltender Unsicherheit, bis die EU und Großbritannien entsprechende Vereinbarungen als Konsequenz aus dem Brexit treffen werden. Dennoch sehen, auf Grundlage dieser Umfrage vor der Brexit-Abstimmung, die meisten Finanzdienstleister den Folgen des Brexit für die Finanzindustrie insgesamt eher gelassen entgegen. „Die Zeit wird uns zeigen, ob sie richtig liegen“, sagt Dr. Wolfgang Dörner.
Allerdings haben zwei Drittel der Finanzunternehmen noch keine genauen Pläne für eine mögliche Standortverlagerung nach dem Brexit. Die meisten rechnen mit einer Verlagerung innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre.
Branchenübergreifende Jobverlagerungen
Die befragten Bankvertreter erwarten nach dem Ende der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens nicht nur Jobverlagerungen in ihrer eigenen Branche, sie sehen insbesondere das Dienstleistungsgewerbe und Versicherungen, aber beispielsweise auch die Pharmabranche und die Biotechnologie in Großbritannien vor tiefergreifenden Umbrüchen.
Finanzplatz Frankfurt könnte profitieren
Für in London vertretene Finanzdienstleister gehört Frankfurt zu den attraktivsten Standorten und steht in der Liste möglicher Alternativen zu London ganz oben. Im Rahmen der Befragung wurden neun globale Finanzzentren untersucht, neben Frankfurt waren dies Amsterdam, Dublin, Hong Kong, Luxemburg, Madrid, New York, Paris und Singapur.
Jede Stadt hat nach Ansicht der Bank-Manager unterschiedliche Stärken. Paris etwa schneidet sehr gut ab, wenn es um die Lebensqualität geht. New York wiederum kommt dann ins Spiel, wenn einige amerikanische Banken sich dazu entschieden, dem EU-Markt den Rücken zuzukehren. Britische Banker bevorzugen Dublin und New York.
Bei einem spontanen Ranking der Finanzzentren ohne vorgegebene Bewertungskriterien sehen die befragten Banker Frankfurt hinter New York und Dublin auf Platz drei. Nachdem 14 Kriterien zur Standortattraktivität für Banken hinzugefügt wurden, schnitt Frankfurt als Alternative zur britischen Finanzmetropole am besten ab. Auf den Plätzen zwei und drei landeten New York und Dublin.
Für Frankfurt spricht vor allem die ökonomische und politische Stabilität in Deutschland, kombiniert mit der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte. Um auch bei weichen Faktoren besser zu punkten, müssen Stadt und Region vor allem ihre Internationalität, zum Beispiel bezogen auf vermeintliche Sprachbarrieren, sowie die vergleichsweise günstige Wohnungssituation besser vermarkten und die kulturelle Attraktivität für ein breiteres internationales Publikum erhöhen.