Freundschaften schlafen ein, Bekanntschaften verlieren sich, Paare leben sich auseinander. Man hat sich nach Jahren nichts mehr zu sagen, teilt nicht mehr die gleichen Werte. Da kommen einem die deutschen Banken und ihre Kunden in den Sinn: Was hält beide eigentlich noch zusammen?
Was Werte angeht, sind viele Banken heute noch so aufgestellt wie vor Jahrzehnten. Dem Zeitgeist passen sie sich höchstens in kleinen Schritten an, etwa durch die Zusammenarbeit mit Agenturen. Viele ihrer Kunden – und auch ihrer Mitarbeiter – dagegen entwickeln sich rasant weiter, sei es durch den natürlichen Wechsel der Generationen oder durch das hohe Tempo der Digitalisierung. Auch der Klimawandel und der Umgang mit der Umwelt prägen immer stärker das soziale Gewissen, was zu Veränderungen führt.
„Realigning the fundamentals“ oder wie das Wertesystem sich ändern sollte
In der Vergangenheit bestimmten die Banken maßgeblich die Richtung in der deutschen Wirtschaft. Heute jedoch sind es mehr denn je die Kunden, die bestimmen, wohin die Reise geht. Wollen die Banken den Anschluss an ihre Kunden nicht vollends verlieren, sollten sie sich eine ganz wesentliche Entwicklung zu Herzen nehmen. Sie lautet: „Realigning the fundamentals“ – und bildet den Kern der Analyse „Fjord Trends 2020“.
Eine fundamentale Sache, die sie in Frage stellt, ist die seit Jahrzehnten gültige primäre Definition von Erfolg – nämlich Profit. Ursachen dafür sind der steigende Einfluss der Kunden und die Macht der sozialen Medien. Gerade junge Kunden lassen Unternehmen links liegen, wenn diese nicht ihre Werte teilen.
Hinzu kommt der Druck, den die FinTechs auf traditionelle Geschäftsmodelle der Banken ausüben und ihnen lukrative Einnahmequellen streitig machen. Dazu gehören TransferWise oder N26, aber auch innovative digitale Banken wie Bó von der National Westminster Bank.
Es bleibt die Erkenntnis: Banken müssen sich endlich ändern, um wieder eine gemeinsame Basis mit ihren Kunden zu finden. Dazu gehört vor allem, die sogenannte „Customer Experience“ in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen und mit den richtigen Angeboten das Leben ihrer Kunden zu erleichtern.
„Many faces of growth” – oder was ist noch wichtig außer Ertrag?
Es bleibt die Frage nach dem „Wie“. Unsere Analyse hat gezeigt, dass Wachstum heute mehrere Gesichter braucht. Banken müssen Wachstum neu definieren, und zwar mit Blick auf die ganz zentrale Frage: Wie kann das Unternehmen am Ende auch der Gesellschaft dienen?
Mittlerweile setzen wirtschaftliche Schwergewichte auf das Thema Nachhaltigkeit, wie das Beispiel des ersten Circular-Economy-Fonds von BlackRock zeigt. Genau hier sehe ich Chancen für Banken. Sie sollten ihre Nachhaltigkeitsbeauftragten richtig nutzen und mit dem entsprechenden Budget ausstatten, um mit einem echten Wandel langfristig beim Kunden zu punkten.
Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor zur Annäherung an den Kunden
So sehr Nachhaltigkeit heute noch ein Differenzierungsmerkmal ist, so schnell wird sie in wenigen Jahren Standard sein. Das ist bei den Banken auch angekommen und wir beobachten aktuell ein Wettrüsten. Jeder hat verschiedene Ideen und Projekte, die ausgestaltet werden, aber bei der Mehrzahl der Unternehmen noch in einer Findungsphase sind.
Erste zum privaten Kunden sichtbare Signale können zum Beispiel über Kreditkarten erreicht werden. Sie sind fast das einzige physische Produkt, das Banken anbieten und einen echten Kontakt mit dem Kunden bietet. Zwar werden sie nach und nach in Smartphones und Uhren integriert, und irgendwann vielleicht ganz verschwunden sein – bis dahin jedoch können sich Banken von der Konkurrenz abgrenzen, indem sie Karten aus nachhaltigen Materialien wie Maismehl anbieten. Eine so produzierte Karte zeigt Kunden und dem Markt: Wir beide – Kunde und Bank – legen Wert auf Nachhaltigkeit. Banken haben so die Chance, bewussteres Banking umzusetzen und zu signalisieren.
Für gewerbliche Kunden können Finanzierungen ein einfacher Einstieg sein. Das Thema Nachhaltigkeit taucht in den meisten Gesprächen bereits heute auf. Banken können es aufnehmen und direkt positiv durch Sonderkonditionen bei Krediten spielen, die Mittel in nachhaltige Projekte fließen. Am Ende könnte dies eine Weitergabe eines Risikovorteils in ein nachhaltiges Investment sein.
Hier geht es nicht primär um Imagepolitur. Banken, die sich heute mit Nachhaltigkeit beschäftigen und als Vorreiter präsentieren, werden sich Kunden sichern, die langfristig die Nase vorn haben. Mit positiven Auswirkungen auf die eigene Marktposition und damit beispielsweise auch auf die Sicherung der besten Talente.
Zahlungsverkehr – oder wie Banken weiter verdrängt werden
Eine weitere Herausforderung ist der Zahlungsverkehr. Beim Thema Payments werden Banken von Firmen wie Apple, Google, TransferWise und Revolut in Bedrängnis gebracht. Unter dem Stichwort „Money Changers“ zeigt unsere Analyse, dass das sichtbare und damit bewusste Bezahlen eine immer kleinere Rolle im Kaufprozess spielt. Bereits heute können wir mit der Smartwatch ganz ohne PIN oder Unterschrift zahlen. Zukünftig wird dies sogar ohne Kassen und mit bequemen Autorisierungen, wie Gesichtserkennung oder der Retina, funktionieren. Wann denkt der Kunde da noch an die Bank?
Aber auch hier haben Banken die Chance, ihren Kunden Mehrwert zu liefern. Die National Westminster Bank hat es mit Bó vorgemacht. Hier bekommen Kunden die Möglichkeit, ihren Zahlungsverkehr zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen, unter dem Motto „Do money better“.
Ist eine digitale Bezahlmethode schnell und sicher und hilft außerdem so gut bei der Verwaltung der Finanzen, wird sie ihre Kunden finden – zum Nachteil der Banken, die weiter nur auf etablierte Angebote setzen. Schon bald werden junge Kunden komplett auf echte Geldbörsen verzichten. Die wenigsten Angehörigen der Generationen X, Y und Z kennen noch Überweisungsboxen in Filialen, und schon gar nicht wollen sie überall Bargeld abheben können. Sie wollen bargeldlos und sofort zahlen und sind offen gegenüber Neuerungen wie Identifikation per Gesichtserkennung oder Retina-Scan. Auch wenn es in Deutschland noch nicht so eindeutig ist wie beispielsweise in Nordeuropa, schreitet diese Entwicklung doch schnell voran.
Für Banken ist es nicht zu spät. Noch können sie reagieren und ihre – zurzeit noch vorhandene – solide Kundenbasis nutzen. Aber der Schritt in die richtige Richtung muss nicht nur beschlossen, sondern auch getan werden – damit das gemeinsame Fundament für Kunde und Bank bestehen bleibt und im Idealfall noch stärker wird.