ChatGPT bietet für Banken und Sparkassen neue Möglichkeiten, den Kundenservice zu verbessern. Darüber, wie dies gelingen kann und was dabei zu beachten ist, habe ich mich mit Dr. Thomas Rüdel vom Start-up Kauz Linguistic Technologies unterhalten.
ChatGPT ist derzeit fast täglich in den Schlagzeilen. An dem mit Künstlicher Intelligenz versehenen Chatbot scheiden sich die Geister. Die einen freuen sich über unzählige neue Möglichkeiten, die anderen rufen nach Restriktionen für den Einsatz von KI.
Das deutsche Conversational AI-Unternehmen Kauz Linguistic Technologies hat nun eine erste ChatGPT-basierte Customer Service-Lösung mit kontrollierbarer KI als Prototyp veröffentlicht. Das Unternehmen entwickelt seit sieben Jahren Chatbot-Anwendungen und war als eines der wenigen deutschen Start-ups Teil des Beta-Programms von OpenAI.
Die hybriden Chatbot-Anwendungen verwenden ChatGPT nicht in seiner Originalform, sondern mit Hilfe einer Technik, die sicherstellt, dass Nutzerfragen ausschließlich auf Basis von vom Kunden bereitgestellten Daten beantwortet werden. Schließlich möchte ein Unternehmen Fragen des Nutzers nicht mit allgemeinem Internetwissen beantworten. Und es möchte auch sicherstellen, dass die Antwort auf Fakten beruht und ChatGPT sich nicht einfach eine plausibel klingende Antwort ausgedacht hat.
Interview mit Dr. Thomas Rüdel, Kauz
Über die Hintergründe und Perspektiven eines Einsatzes von ChatGPT im Kundenservice habe ich mit Thomas Rüdel gesprochen. Er ist promovierter Volkswirt, hat 18 Jahre lang als Unternehmensberater bei McKinsey im Finanzdienstleistungsbereich gearbeitet, und 2016 die Firma Kauz gegründet, die Conversational AI auf Basis linguistischer Modelle entwickelt. Chatbots von Kauz sind bei fast 200 Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Einsatz.
Durch ChatGPT wird KI zum Massenphänomen
Der Bank Blog: Der Hype um Künstliche Intelligenz kommt ja in Wellen. In der Vergangenheit war es stets so, dass die Erwartungen deutlich höher waren, als das, was KI dann tatsächlich liefern konnte. Wird das mit ChatGPT nun anders?
Thomas Rüdel: Bei ChatGPT können wir ein interessantes Phänomen betrachten. Während der Hype um KI bis dato meistens nur diejenigen erreichte, die sich generell für Zukunftstechnologien interessieren, ist ChatGPT innerhalb von nur Monaten fast jedem in der Gesellschaft ein Begriff. Wir sehen ja auch weitere sogenannte Large Language Models (LLM), die ebenfalls öffentlich zugänglich sind und ebenfalls beeindruckende Ergebnisse liefern. Zum ersten Mal gibt es KI für die breite Masse, ich denke das ist tatsächlich ein „Game Changer“.
Der Bank Blog: Welche Veränderungen sehen Sie durch ChatGPT und Large Language Models auf Wirtschaft und Gesellschaft zukommen?
Thomas Rüdel: Wir merken jetzt schon, dass unsere Interaktionen mit Technik sich verändern. Viele nutzen Anwendungen wie ChatGPT noch spielerisch, aber ich halte es für realistisch, dass sich die Anwendung von KI noch weiter vereinfachen und Teil unseres Alltags werden wird. KI ist gekommen, um zu bleiben. Wir müssen uns als Gesellschaft darauf einstellen und eine andere Denkweise entwickeln. Wir sind hier ungefähr an dem Punkt, an dem die Industrialisierung oder das Internet durchstarteten.
Für Banken bietet KI vielfältige Ansatzpunkte
Der Bank Blog: Welche konkreten Anwendungsmöglichkeiten bietet ChatGPT für Kreditinstitute?
Thomas Rüdel: Banken werden in Zukunft KI in vielen Bereichen nutzen, um Kosten und Zeit zu sparen und besseren Service zu bieten. Das reicht von KI-unterstützten Kreditprüfungen bis hin zur flexibleren Kundenberatung. Naheliegende Startpunkte sind die Unterstützung der Mitarbeiter durch verbessertes Wissensmanagement und natürlich der Kundensupport. Dies sind Anwendungsfelder, in denen Kauz-Chatbots bereits jetzt in Kombination mit ChatGPT zum Einsatz kommen.
Chatbots werden schneller verfügbar und besser
Der Bank Blog: Sie haben ChatGPT bereits in Ihre Chatbot-Plattform integriert. Wie profitieren Kunden von der Zusammenführung dieser Technologien?
Thomas Rüdel: Unsere Chatbots lassen sich mit Hilfe von ChatGPT viel schneller erstellen und liefern durch unsere bestehende Technologie weiterhin sehr passende Antworten. Das bedeutet weniger Arbeit und vor allem weniger Einarbeitung. So schaffen Banken innerhalb von kurzer Zeit eine neue Anlaufstelle für Endkunden. Uns gelingt es durch die Kombination, generative KI kontrollierbar und somit auch nutzbar für Finanzinstitute zu machen.
Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie die Akzeptanz auf Kundenseite für Künstliche Intelligenz im Kundenservice?
Thomas Rüdel: Insgesamt beantworten unsere Chatbots im Bankbereich zurzeit 3-4 Mio. Fragen pro Jahr. Das zeigt, dass die Akzeptanz mittlerweile ziemlich hoch ist. Wichtig für Kunden ist hauptsächlich, dass ein Chatbot gute und hilfreiche Antworten gibt. Das wird durch generative KI weiter verbessert. Weitere wichtige Themen sind natürlich Sicherheit und Datenschutz. Hier achten wir darauf, dass keine persönlichen Daten an ChatGPT gegeben werden und auch nur Varianten zum Einsatz kommen, die auf deutschen oder europäischen Servern arbeiten und bei denen die Anfragen nicht zum weiteren Training des Modells verwendet werden.
Darauf müssen Banken bei ChatGPT achten
Der Bank Blog: Wie kann man in das Thema ChatGPT und unternehmenseigener Chatbot schnell einsteigen und gleichzeitig strategisch angehen?
Thomas Rüdel: Wichtig ist, zu wissen, wofür man den Chatbot einsetzen will. Als Einstiege bieten sich wie gesagt das Wissensmanagement für Mitarbeiter oder der Concierge auf der Webseite an. Internes Wissensmanagement ist für viele Firmen der erste Schritt, um die Technologie zunächst zu testen. Dank ChatGPT wird die Contenterstellung selbst sehr viel einfacher.
Der Bank Blog: Worauf müssen Banken bei der Einführung achten? Wo liegen aus Ihrer Erfahrung die besonderen Herausforderungen.
Thomas Rüdel: Wichtig ist natürlich der Datenschutz und dass keine Kundendaten in falsche Hände geraten. Außerdem sollten Banken auf Qualität achten. Ein Chatbot, der nur vage oder allgemeine Antworten gibt, ohne auf das Problem des Kunden einzugehen, sorgt für Frustration. Die Antwortquote ist das A und O bei Künstlicher Intelligenz.
Mitarbeiter müssen die letzte Entscheidung haben
Der Bank Blog: Sie gehören zu den regionalen Pionieren von Conversational AI. Was dürfen wir in den kommenden Jahren in diesem Bereich erwarten?
Thomas Rüdel: Wir arbeiten daran, die Technologie auch für mittlere und kleine Unternehmen zugänglich zu machen. Z.B. arbeiten wir gemeinsam mit Partnern an Projekten für Handwerksbetriebe und Rechtsanwälte.
Für den Bankenbereich gilt paradoxerweise, dass sich generative KI und regelbasierte KI gleichzeitig verbessern müssen, um z.B. bei der Kundenberatung eingesetzt werden zu können. Denn hier wird nur verlässliche und kontrollierbare KI akzeptiert werden. Soweit KI jedoch nur Mitarbeiter unterstützt und bei diesen die letzte Entscheidung liegt, steht einer schnellen Ausbreitung auch z.B. in der Kreditanalyse nichts im Wege.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.