Vorige Woche war ich auf einer interessanten Veranstaltung im Rahmen der IBM Roadshow „Banking of tomorrow“. Ein besonderer Schwerpunkt war dabei das hochaktuelle Thema „Banking in der Cloud“. Die Experten stellten eine spannende Zukunftsvision für die Banken IT vor.
Aufmerksam geworden bin ich auf die Veranstaltung durch Dirk Elsner, den Herausgeber des Blicklogs, der dort auch selbst einen Vortrag über „New Banking“ hielt. Über das persönliche Kennenlernen habe ich mich sehr gefreut. Allein das wäre schon einen Besuch der Veranstaltung wert gewesen. Geboten wurde jedoch noch mehr und daran möchte ich gerne meine Leser teilhaben lassen.
Was verbirgt sich eigentlich hinter der Wolke?
Lt. Wikipedia umschreibt Cloud Computing den Ansatz, „abstrahierte IT-Infrastrukturen (z. B. Rechenkapazität, Datenspeicher, Netzwerkkapazitäten oder auch fertige Software) dynamisch an den Bedarf angepasst über ein Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Aus Nutzersicht scheint die zur Verfügung gestellte abstrahierte IT-Infrastruktur fern und undurchsichtig, wie in einer „Wolke“ verhüllt, zu geschehen.“
Ausgangspunkt der Cloud Entwicklung war u.a. Amazon. Der Internet-Versandhändler „litt“ unter wechselnden Spitzenauslastungen seiner IT Systeme, z.B. im Weihnachtsgeschäft. Die Folge war eine Überdimensionierung während des restlichen Jahres. Aus der Not eine Tugend machend, war Amazon einer der ersten Anbieter von Rechenkapazitäten für Dritte.
Vorteile des Cloud Computing
Ein konsequenter Einsatz von Cloud Technologien hätte zur Folge, dass Banken keine eigenen Rechenzentren mehr unterhalten würden und auch keine EDV-Programme mehr selbst entwickeln oder warten müssten. Letztlich würden nur noch die Daten zwischen einer oder mehreren Wolken hin und her „geistern“ bzw. verarbeitet werden.
Eine solche Auslagerung von IT in die Cloud hat wie ich gelernt hätte insbesondere folgende Ziele:
- keine Investitionen/Abschreibungen auf Hard- oder Software mehr (Cloud-Kosten würden voll in die GuV einfliessen),
- Zugriff auf Programme und Daten von jedem Ort und um jede Zeit
- Verringerung der Abhängigkeit von internen wie externen IT Dienstleistern,
- Mehr Flexibilität, z.B. bei einem Wechsel des Anbieters.
Kein Wunder also, dass sich viele intelligente Menschen mit diesem Thema intensiv befassen und dies auch in den sehr daten- und IT-intensiven Banken.
Kein Wunder aber auch, dass Firmen wie IBM, Google, Apple oder Microsoft Milliarden in die Forschung und Entwicklung dieser (eigentlich gar nicht) neuen Technologie stecken, wittern sie doch ein gigantisches Geschäftspotential.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Cloud
Auf den Punkt gebracht hat es Eberhard Stirm, Geschäftsführer der supra quam gmbh in seinem Vortrag: Demnach ist die wichtigste Voraussetzung Standardisierung, Standardisierung und Standardisierung.
Und genau da liegt natürlich das Kernproblem für Banken. Jede Bank (oder Bankengruppe) hat ihr eigenes Kernbankensystem und die verschiedensten Anwendungen rund um dieses herum. Es erscheint schwer (oder gar nicht) vorstellbar, dass sich Banken auf ein System einigen könnten.
Hinzu kommt, dass unter der (heute schon recht) schicken Benutzeroberfläche vieler Programme z.T. immer noch historische Wurzeln liegen. Wo andere Leichen im Keller haben, sind es bei Banken 30 Jahre alte Cobol oder Assembler Programme im Rechenzentrum, an die sich niemand wirklich herantraut.
Schon vor rund 20 Jahren wurde bei einer führenden deutschen Großbank darüber nachgedacht, was sinnvoller sei: Eine IT auf der grünen Wiese neu aufzubauen oder die bestehenden Uraltsysteme weiter zu behalten und sukzessive zu modernisieren. Raten Sie mal, zu welchem Ergebnis man damals gekommen ist.
Weitere Einschränkungen für einen Einsatz der Cloud
Es gibt noch weitere Bedenken gegen eine Banken-Cloud: So stellt sich bei einer Auslagerung von Daten unweigerlich die Frage der Datensicherheit. Auch rechtliche Restriktionen sind zu beachten, z.B. in welchem Land werden Kundendaten gespeichert und lässt sich das überhaupt nachvollziehen bzw. revisionssicher überprüfen.
Damit einher gehen unweigerlich erhebliche Reputationsrisiken, die gerade für Banken nicht zu vernachlässigen sind. Früher sagte man mal „Banking is information business“. Vom früheren Chairman der Citibank Walter Wriston ist das Zitat überliefert „Information about money has become almost as important as money itself”.
Informationen und damit verbundene Technologien wurden nicht nur deshalb lange Zeit als Kernkompetenz der Banken angesehen.
Sicherlich hat sich diese Sichtweise in den letzten Jahrzehnten gewandelt, wobei es in jüngster Zeit scheint, als ob es wieder einen gegenläufigen Trend gibt. So hat Frank Annuscheit, CIO der Commerzbank, auf dem Finance Forum 2011 sehr deutlich herausgestellt, dass seine Bank eher Insourcer als Outsourcer sei, weil man nur so auch selbst die Kostenvorteile aus Wachstum heben könnte und nicht mit IT-Providern teilen müsse. Im Zuge der Integration der Dresdner Bank IT wurden daher zahlreiche dort vorhandene Outsourcings wieder in die Bank zurückgeholt.
Letztlich stellt sich mir die Frage, welche Folgen eine vollständige Cloud für Banken hinsichtlich des dort verbleibenden IT-Know-hows hätte und ob nicht letztlich die Fähigkeit, die Cloud zu managen auf Sicht verloren ginge. Sparkassen und Volksbanken sind für mich gute Belege hierfür, obwohl wir dort „nur“ von einer Rechenzentrumsauslagerung und nicht von einer echten Cloud sprechen. Echte IT Fachleute sucht man bei diesen Primärbanken inzwischen weitgehend vergebens, eine strategische Entscheidungsfindung über die Qualität des IT Dienstleisters ist damit letztlich nicht mehr möglich, man begibt sich in eine ewig dauernde monopolistische Abhängigkeit mit gravierenden Folgen für die Kosten und die Leistungen.
So ist es kein Wunder, dass eine Studie der Firma LogLogic zu dem Ergebnis kommt, dass Banken bei der Cloud zögern. 34 Prozent der Befragten glauben der Studie zu Folge, dass Cloud Computing für ihr Unternehmen nicht von strategischer Bedeutung ist, während 26 Prozent der Meinung sind, dass ihr Unternehmen für Cloud Computing nicht genug risikobereit ist.
„Obwohl Cloud Computing für Unternehmen zahlreiche Vorteile bietet, sind wir nicht überrascht, dass Finanzinstitute in diesem Bereich zögern“, sagt Guy Churchward, CEO von LogLogic. „Es sind noch einige Fragen bezüglich Datensicherheit und Transparenz in der Cloud ungeklärt. Es ist Aufgabe der Cloud-Anbieter, mehr Einblick in die Prozesse und Umsetzung zu bieten, bevor Finanzinstitute im großen Stil darauf setzen.“
Fazit
Ich glaube nicht an eine ganzheitliche Cloud in Banken. Allerdings wird der weiter anwachsende Kostendruck dazu führen, dass zumindest Teile der Banken-IT in Clouds landen können und werden. Entscheidend dürfte sein, welche Standards die Anbieter von Cloud IT insbesondere im Hinblick auf die technische und rechtliche Sicherheit gewährleisten können.
Hinweis
Wer sich tiefergehend mit dem Thema befassen möchte, findet hier einen interessanten Artikel mit weiterführenden Literaturhinweisen.