Was bedeutet die Corona-Pandemie für das Firmenkundengeschäft einer regionalen Sparkasse? Zunächst einmal ein Wachstum bei Krediten. Aber die Krise sie ermöglicht auch neue Vertriebsimpulse und Cross Selling. Vor allem aber hilft sie, Vertrauen zu bilden.
So etwas wie die Corona-Krise hätte ich, wie vor Jahren eine mehrjährige Niedrigzinsphase mit Negativzinsen auf Guthaben bei der Zentralbank, für unrealistisch erklärt.
Vor kurzem hatte ich an einem Chat der regionalen Wirtschaft auf einer Social-Media- Plattform teilgenommen und durfte live Fragen eines Moderators oder von digital vernetzten Zuschauern beantworten.
Es geht sofort zur Sache!
„Diesmal können Sie sich als regionale Sparkasse als systemrelevanter Retter unserer Wirtschaft vor Ort erweisen. In der Finanzmarktkrise waren Sie Verursacher der Probleme!“
Ruhig durchatmen. Nein, wir waren auch damals stabilisierender Faktor. Wir hatten keine toxischen Wertpapiere gekauft, obwohl man sie auch uns als „Free Lunch“ dargeboten hatte.
Regionale Sparkasse als Teil der Lösung
„Wir waren damals Teil der Lösung und wir sind es wieder. Unsere Firmenkunden werden von uns mit allen Hilfsmaßnahmen versorgt, die zur Verfügung stehen“. Und so ist es auch.
Die 15 Vertriebsziele für die Firmenkundenberater waren seit 15. März 2020 Makulatur. Der Vertrieb war auf die aktive Ansprache der Firmenkunden auf notwendige Liquiditätsunterstützung fokussiert, Cross-Selling blieb weitgehend aus. Kontaktwege waren fast ausschließlich E-Mail, Telefon und Videokonferenz bzw. ‑gespräch. Das Ergebnis war eine Flut von Kreditvorlagen zu KfW-Hilfskrediten, L-Bank-Programmkrediten, zusätzlichen Linien der Sparkasse.
Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand
Der betriebswirtschaftliche Blick war rückwärtsgewandt. 2019 sollte das betreffende Unternehmen ein funktionierendes Geschäftsmodell gehabt haben, erkennbar an der aus den betriebswirtschaftlichen Zahlen ableitbaren Kapitaldienstfähigkeit.
Für die große Mehrheit war diese Voraussetzung gegeben. Wenn nicht, konnten wir meist mit Krediten aus eigenen Mitteln helfen, wo wir eine Perspektive sahen. Manchmal rieten wir zur Geschäftsaufgabe oder zu externer Sanierungsberatung bzw. Insolvenzberatung. Aber das waren seltene Einzelfälle. Im Gegensatz zur Finanzkrise blieben die gefürchteten Auftragseingang- und damit Umsatzeinbrüche weitgehend aus. Unabgesprochene Kontoüberziehungen waren diesmal kaum festzustellen. Und unsere vielen Automotive-Kunden erlebten eine zweigeteilte Entwicklung:
Die auf Hybridisierung und Elektrifizierung ausgerichteten Unternehmen erfreuten sich zusätzlicher Aufträge der OEM’s, die in diese Richtung massiv investieren müssen, um drohenden EU-Bußgeldern zu entgehen. Die anderen teilten die Sorgen der OEM’s aus den bereits vor SARS-CoV-2 aufgezogenen dunklen Wolken.
Kredite allein sind keine Lösung!
„Kredite allein sind aber keine Lösung!“ hatte ein Chat-Teilnehmer mir zukommen lassen. Richtig! Die L-Bank hatte deshalb ihren Liquiditätskredit Plus mit (verlorenen) Tilgungszuschüssen ausgestattet. Zum Geschäftsmodell einer Sparkasse sind verlorene Zuschüsse nicht konsistent. Aber dieser „Weckruf“ setzte am Wochenende das Vertriebsdenken wieder in Kraft. Nutzen stiften und dabei Geld verdienen…
Welche Vertriebsimpulse nützen gerade in der Krise unseren Firmenkunden, über das klassische Kreditgeschäft hinaus?
Überlebenselixier waren zunächst die Soforthilfen und Förderkredite. Alleine die Fokussierung auf fehlende Liquidität zur richten, wird jedoch unserem ganzheitlichen Beratungsanspruch mit dem „Sparkassen-Finanzkonzept“ nicht gerecht. Oder anders formuliert, sollten wir uns nicht nur um den kurzfristigen Liquiditätsbedarf kümmern, sondern dem gestiegenen Liquiditätsbedarf mit geeigneten Finanzierungskonzepten begegnen. Unser Kunde muss auf mittlere Sicht Liquiditätshilfen (Förderkredite) zurückzahlen.
Unser Kunde muss Stundungsvereinbarungen aus der Krise bewältigen. Er hat durch unsichere Lieferketten die Notwendigkeit, sein Lager zur Produktionssicherung aufzustocken oder muss Zahlungsziele auf Abnehmerseite verlängern, was zu erhöhtem Zahlungsausfallrisiko führt. Ihm drohen Financial Covenants – Verstöße und damit höhere Fremdkapitalkosten.
Vertriebsimpulse in Krisenzeiten
Unser Unternehmen wächst sehr stark durch sein Geschäftsmodell, z. B. Leistungselektronik für die Hybridisierung und Elektrifizierung der zukünftigen Automobile, möchte aber ungern in Steine für die erforderliche Betriebsstätte investieren.
Und schon haben wir Vertriebsimpulse zur Hand, die gerade in Krisenzeiten zusätzlich hilfreich sind, mit Partnern, die auf Asset-basierte oder forderungsbasierte Finanzierungen spezialisiert sind wie z.B. bei Sale-and-lease-back oder Factoring. Im Sparkassenverbund bieten Deutsche Leasing und Deutsche Factoringbank die ideale Ergänzung zu unseren Basisdienstleistungen.
Die Krise gibt aber auch an diesem Sonntag die Möglichkeit, unsere Herangehensweise an die Beurteilung des wichtigsten Kriteriums für die Bonitätseinschätzung zu überprüfen. Unsere Spielregel bei der elektronischen Bilanzanalyse lautet beispielsweise, immaterielle Wirtschaftsgüter werden mit dem Eigenkapital kompensiert, d. h. wir messen ihnen keinen Wert bei. Dabei sind gerade diese Assets bei innovativen Unternehmen das Geschäftsmodell!
Patente, Lizenzen, selbsterstellte Software u. a. gehen bilanziell in der Analyse in Luft auf, jeder Ziegelstein gilt hingegen als wertbeständig… Und das im Zeitalter der Digitalisierung!?
Weitere Vertriebsimpulse in der Corona-Krise
Und damit gelangen wir zu weiteren Vertriebsimpulsen in der Corona-Krise:
Unsere Kunden werden krisenbedingt noch digitaler. Geschäftsbeziehungen können vorübergehend weitgehend nur digital gepflegt werden. Die Anfälligkeit für Hackerangriffe oder Datenmissbrauch steigt. Ist unser Kunde mit entsprechender Cyberversicherung versorgt?
Steht eine Restrukturierung an, die eine zusätzliche Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung sinnvoll erscheinen lässt (z. B. auch für den Sanierungsberater)?
Das boomende Förderkreditgeschäft lässt sich noch zusätzlich pushen – ausreichende Beraterkapazitäten vorausgesetzt – in dem wir ausgewählte, besonders innovative Unternehmen mit unseren Partnern aus dem Bereich Innovations- und Investitionsförderung besuchen, anfangs nur digital über Videokonferenz, später auch wieder Face-to-Face.
Cross-Selling in der Krise
Das sich gerade ändernde Zahlungsverhalten der Verbraucher in Richtung mobiles und kontaktloses Bezahlen befeuern wir flankierend durch gezielte Paymentberatung unserer Spezialisten. Online-Shops, Zahlungsterminals, Zahlungssoftware, mobile App-Anwendungen für Firmenkunden gehören in der Sparkassenfinanzgruppe zum Repertoire, dank kompetenter IT-Dienstleister und Payment Service Provider im Verbund. Und plötzlich ist Cross-Selling gerade in der Krise die richtige Antwort, mit Mehrwert für unsere Kunden und für uns.
Nun gilt es, die Sonntagsgedanken in Vertriebseuphorie der Firmenkundenberater umzusetzen und dabei gegenläufige Betrachtungen aus Risikosicht wie z. B. pauschale Ratingherabstufungen ganzer Branchengruppen in individualisierte Herangehensweisen umzumünzen. Die Überarbeitung der Risikoeinschätzung ist dabei ein Muss, schließlich wollen wir nach Risikokosten von unseren neuen Kundengeschäften profitieren.
Krise als Chance zur Vertrauensbildung nutzen
Die Sonntagsgedanken ließen sich noch um einiges weitertreiben. Lassen Sie mich daran teilhaben, welche Impulse Sie als nutzenstiftend für Firmenkunden erleben. Corona fordert die Wirtschaft. Im Ausnahmezustand sind verlässliche Partner mit Kreativität gefragt, die den Kunden verstehen.
Kreditinstitute sind nicht immer die verlässlichsten Partner und stehen nicht im Ruf, besonders innovativ zu sein. In dieser Krise haben wir eine große Chance, Vertrauen zurückzugewinnen, welches in der Finanzmarktkrise verloren gegangen ist. „The ball‘s in our court“.