Cultural Hacks sind eine bewährte Strategie zum Start großer Veränderungsvorhaben und können Zündfunken für die digitale Transformation ganzer Organisationen sein. Sie helfen, eingespielte und eingefahrene Muster zu verlassen und erfolgreiche neue Wege zu beschreiten.
Mehr Digitalisierung, mehr Kundenzentrierung und dazu einige agile Ansätze scheinen ein probates Mittel zu sein, um neuen Wettbewerbern, verändertem Kundenverhalten und den insgesamt ungünstigen Rahmenbedingungen im Finanzsektor auf Augenhöhe begegnen zu können.
Diese Überlegungen sind schlüssig und mit Blick auf die Erfolgsstorys neuer Marktteilnehmer quasi der „Goldstandard“. Eine „Weiter-so-Mentalität“, das liegt auf der Hand, liefert nicht die dringend notwendigen Impulse für die geforderten Leistungen von morgen und übermorgen. Gleichzeitig wissen Unternehmens- und Organisationsentwicklungsexperten, dass es als Basis für weiterhin nachhaltigen Erfolg erheblich mehr braucht als zweimonatige Projekte zur Steigerung der Downloads der eigenen Banking-App.
Transformation ist das Schlagwort der Stunde
Inhaltlich unterscheidet sich eine Transformation dabei deutlich von einem klassischen Change-Vorhaben. Eine Transformation wirkt vielschichtiger und berücksichtigt eine Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender Faktoren im sozio-kulturellen System „Bank“. Und eine Transformation ist längerfristig. Im Idealfall nicht endend.
Transformation steht somit für eine lange Reise in eine unbekannte Welt. Das Schöne daran ist: Die Zukunft lässt sich – im gegebenen Rahmen – neu gestalten. Den Einstieg zu schaffen ist ungleich schwieriger. Eine Organisation und die handelnden Personen sollten sich behutsam an das Thema Transformation herantasten.
Hierzu eignen sich insbesondere „Cultural Hacks“, also dosierte und auf die Vision ausgerichtete Entwicklungsmaßnahmen. Diese Hacks helfen eingespielte und eingefahrene Muster durch subversive Impulse aufzubrechen. Cultural Hacks zeigen den handelnden Personen, bei einer entsprechenden methodischen Begleitung, alternative Handlungsoptionen auf. So ein Hack kann klein starten. Beispielsweise als Experiment bei einer Person. Mehr Wirkung entfalten die „Musterbrecher“ auf Team-, Bereichs- oder Projektebene. Sehr charmant an Cultural Hacks ist der Umstand, dass direkt störende oder sperrige Formen der Zusammenarbeit aufgegriffen und positiv weiterentwickelt werden. Sollte die angeregte neue Variante nicht angenommen werden, steht jeweils ein altes Muster als Plan B zur Verfügung. Was zunächst wissenschaftlich daherkommt lässt sich oft schon mit Bordmitteln auch in kleinen Regionalbanken praktizieren.
Zur Nachahmung empfohlen: Cultural Hacks bei einem IT-Vorhaben
Mit einer Garnitur „Cultural Hacks“ konnte beispielsweise kürzlich ein komplexes IT-Vorhaben mit rund 15 internen und externen Beteiligten bei einer mittelgroßen Volksbank Raiffeisenbank agil angegangen werden. Neben der originären Sachaufgabe wurde parallel an der Weiterentwicklung des Umfeldes und der agilen Zusammenarbeitskultur gearbeitet.
Die Cultural Hacks waren mit diesen Überschriften versehen:
- Stärkung von Netzwerkstrukturen zur schnellen und zielführenden Zusammenarbeit über Bereichsgrenzen hinweg
- Pull- statt Pushlogik beim Bearbeiten der Aufgabenpakete
- Rollen des SCRUM-Frameworks im eigenen Kontext anwenden
- Nutzung der Kanban-Logik zur Identifikation von Engpassfaktoren sowie zur Verringerung von Liegezeiten
- Moderierte Reviews und Retrospektiven durchführen
All diese Cultural Hacks bieten neue Handlungsoptionen und dienen damit unmittelbar der Transformation des bisherigen Umfelds. Gleichzeitig sind sie geeignet ohne große Schulungsmaßnahmen in Anwendung zu kommen und Wirkung zu entfalten.
Hacks sollten jedoch stets unter Beachtung der unternehmensspezifischen Risikoneigung und Kultur gewählt werden: Ein Cultural Hack, der betriebliche Abläufe behindert oder gar Vertrauen zerstört, ist keine Zutat aus dem eine moderne Unternehmenskultur erwächst.
Der Einstieg ist geschafft. Jetzt wird es ernst – für alle.
Ein Einstieg in die Transformation scheint also leicht machbar. Nach einem durchaus experimentellen Stadium folgen oftmals Bestrebungen die gewonnenen Erkenntnisse mit anderen Personen oder Teams im Unternehmen zu teilen. Die neu entstandene Haltung soll sich in allen Dimensionen nachhaltig entfalten. Damit dies gelingt, hilft die aufrichtige (Selbst-)Erkenntnis bei den „Entscheidern“, wie andere, beispielsweise agile Ansätze das Tagesgeschäft bereichern können.
Die Entscheider sind typischerweise die Geschäftsleiter und Führungskräfte. Doch auch weitere interne Leader und Meinungsbildner in der Organisation können in diesem Stadium bestenfalls „für die Sache“ gewonnen werden. Eine nähere Betrachtung und Anwendung des Cynefin-Modells von Dave Snowden und ähnlichen Theorien helfen hier Licht ins Dunkel zu bringen. Erst wenn ein gemeinsames Verständnis sowie Klarheit über die Zielsetzung der organisationalen Verwandlung besteht, lassen sich aus dem Ist-Zustand vielschichtig Veränderungsoptionen ableiten.
Kunden- und Mitarbeiterperspektive gleichförmig weiterentwickeln
Neben der von Strategie, Prozessen und Strukturen geprägten Kundenperspektive sollten sich auch Führungsmethoden, die Mitarbeitenden selbst, das Personalmanagement und auf der Metaebene die Unternehmenskultur als interne Handlungsfelder in die gewünschte Stoßrichtung gleichförmig entwickeln. Um ein Gefühl für denkbare Schritte, Stufen und Ausprägungen zu bekommen, lohnt sich ein Austausch mit einem erfahrenen agilen Coach. Dieser kann dabei unterstützen, passende wertschöpfende Akzente zu setzen.
Einfach ein Modell von Spotify und Co. zu kopieren klingt in dieser Phase sehr verlockend. Rein agile Betriebs- und Kulturmodelle über eine bisher bewusst traditionelle Organisation zu stülpen wird jedoch der Wichtigkeit des Themas Transformation und nicht zuletzt den Menschen in der Organisation nicht gerecht. Diese Menschen haben letztlich über Jahre Rituale, Glaubenssätze und Regeln befolgt, geprägt und gelebt. Und diese liebgewonnenen Erfahrungen aufzugeben wird – das ist fast schon ein Naturgesetz – unweigerlich auch Widerstand hervorrufen. Die Faktoren Transparenz, Kommunikation und Zeit können sich nun als Katalysatoren der Transformation erweisen.
Starten Sie den ersten Cultural Hack
Natürliche Metamorphosen beinhalten Stadien in denen es scheinbar „zäh vorangeht“ und sich wenig verändert. So manchem unscheinbaren Kokon entspringt dann am Ende doch ein schöner Schmetterling. Im übertragenen Sinne bedarf es auch in der Organisationsentwicklung ruhiger Phasen vor und nach einem „Big Bang“. In diesen Zeiten kann eine neu befeuerte Unternehmenskultur in allen Facetten ihre Wirkung entfalten. „Lücken“ im System werden durch die Menschen in der Organisation erkannt und idealerweise zeitnah gefüllt. Die Transformation kann so zugleich zur Stunde hochmotivierter Mitarbeiter werden, da diese schon sehnlichst darauf warten neue, wilde, unkonventionelle Ideen umzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Doch bevor dies alles eintritt: Starten Sie ruhig schon mit dem ersten Cultural Hack und teilen Sie diesen Beitrag in Ihrer Führungskräfte-WhatsApp-Gruppe. Ich bin gespannt was geschieht.