Laut einer aktuellen Studie ist die Bereitschaft zur Datenpreisgabe in Deutschland erstaunlich hoch – wenn die Gegenleistung stimmt. Über die Möglichkeiten der intelligenten Datennutzung bei Banken habe ich mich mit Dr. Henning Stolze, EOS Deutscher Inkasso-Dienst, unterhalten.
Daten und die aus ihnen gewonnen Informationen haben traditionell eine hohe Bedeutung für Banken. Schon im 19. Jahrhundert beruhte der Erfolg der Gebrüder Rothschild zu einem beträchtlichen Teil auf einem Nachrichtennetzwerk das ihnen einen zeitlich Informationsvorsprung und damit einen Wettbewerbsvorteil verschaffte.
Und seit jeher wissen erfahrene Kundenberater, dass man umfassendes Wissen über seine Kunden sammeln sollte, um zum richtigen Zeitpunkt mit maßgeschneiderten Angeboten zu punkten.
Heute sind Daten zentraler Bestandteil vieler – vor allem digitaler – Geschäftsmodelle und werden vielfach als „das neue Öl oder Gold“ der Digitalisierung bezeichnet. Im Unterschied zu natürlichen Rohstoffen sind Daten jedoch weder selten noch endlich. Im Gegenteil: Immer ausgefeiltere digitale Technologien ermöglichen es, immer mehr Daten zu sammeln und zu verarbeiten. BigTechs wie Google und Facebook haben vorgemacht, wie man daraus ein höchst attraktives Geschäftsmodell schafft.
Interview mit Dr. Henning Stolze, EOS Deutscher Inkasso-Dienst
Banken und Sparkassen haben noch viel Nachholbedarf, obwohl sie „von Natur aus“ auf einem ungleich wertvolleren Datenpool verfügen als die Tech-Riesen. Wie aber können Finanzinstitute an die wertvollen Informationen ihrer Kunden kommen und wie können sie diese sinnvoll in den eigenen Arbeitsprozessen einsetzen?
Über die Möglichkeiten der intelligenten Datennutzung in der Finanzbranche habe ich mich mit Dr. Henning Stolze unterhalten. Er leitet das Data Governance Office und Datenmanagement bei EOS Deutscher Inkasso-Dienst, Mit seinem Team hilft er dem Unternehmen, strategische und operative Fragestellungen durch intelligente Datennutzung und -analyse zu beantworten und so die Inkassoprozesse digitaler und effizienter zu machen. Seine Wurzeln hat der promovierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in hybriden Marktmodellen, Behavioral Economics und Mikrosimulation.
Deutschen sind erstaunlich offen, ihre Daten zu teilen
Der Bank Blog: Herr Stolze, wie hat sich die Datennutzung im Finanzumfeld in den letzten Jahren geändert?
Henning Stolze: In der heutigen digitalen Welt sind Daten in nahezu allen Branchen zu einem wichtigen Wirtschaftsgut geworden und aus vielen Geschäftsfeldern gar nicht mehr wegzudenken. Im Finanzbereich hat vor allem PSD2 für einen Schub und neue Ideen für die Datennutzung gesorgt. So arbeiten wir bei EOS beispielsweise an Konzepten, wie der Einblick ins Konto für unsere Inkassodienstleistungen genutzt werden kann. Eine Idee: Wir könnten vor der Abbuchung von Raten künftig den Kontostand der säumigen Zahler prüfen und so sicherstellen, dass sie nicht in den Dispo rutschen oder ihn gar sprengen. Vorausgesetzt natürlich, sie stimmen dem Einblick ins Konto zu. Damit wäre beiden Seiten geholfen. Säumige Zahler geraten nicht in finanzielle Schieflage und das Inkassounternehmen kann sichergehen, dass es das Geld am Ende auch bekommt.
Der Bank Blog: In Ihrer aktuellen Studie „Was sind Daten wert?“ sind Sie der Frage nachgegangen, welche Gegenleistung Verbraucher grundsätzlich für die Preisgabe ihrer Daten erwarten. Hat Sie das Ergebnis überrascht?
Henning Stolze: Um ehrlich zu sein, ja. Wie die Studie zeigt, sind die Deutschen erstaunlich offen, ihre Daten mit Unternehmen zu teilen, wenn sie dafür eine Gegenleistung erhalten. 36 Prozent der Befragten sind dazu bereit, bei den unter 35-Jährigen ist es sogar knapp die Hälfte. Als Vergütung stehen vor allem Rabatte und Sachprämien hoch im Kurs. Auch zusätzliche Treuepunkte bei Bonusprogrammen sind für viele Verbraucher attraktiv. Für einen privilegierten Kundenstatus, die Teilnahme an Gewinnspielen oder bessere Serviceleistungen können sich hingegen nur wenige begeistern.
Im Wettbewerb mit Online-Angeboten können Daten ein entscheidender Vorsprung sein
Der Bank Blog: Wie können Daten im Finanzsektor und speziell im Forderungsmanagement sinnvoll genutzt werden?
Henning Stolze: Für Banken spielen Daten zum Beispiel eine wichtige Rolle, um den Kunden die richtigen Angebote machen zu können. Das gilt nicht nur für die Auswahl der Produkte, sondern auch zur Bestimmung, wann und wie eine Ansprache erfolgen sollte. Gerade im Wettbewerb mit Online-Angeboten kann dies ein entscheidender Vorsprung sein, um Kunden besser zu binden. Und auch im Forderungsmanagement sind Daten schon heute von zentraler Bedeutung.
So kann mittels intelligenter Datenanalyse der jeweils beste nächste Schritt im Inkassoprozess bestimmt werden. Also: Welche Maßnahme auf welchem Kommunikationsweg bietet die höchste Zahlungswahrscheinlichkeit? Abhängig davon kann zum Beispiel entschieden werden, ob der säumige Zahler einen Brief oder Anruf erhält. Der Erfolg dieser datengestützten Entscheidung wird wiederum gemessen, sodass das System stetig dazu lernt. Das erhöht die Effizienz und spart Kosten, da auf weniger erfolgversprechende Maßnahmen verzichtet wird. Bei EOS verzeichnen wir mit diesem Ansatz einen etwa zehn Prozent höheren Zahlungseingang als bei konventionell bearbeiteten Forderungen.
Beim Thema Daten haben Banken einen Vertrauensvorschuss
Der Bank Blog: Was können Banken tun, um mehr Daten ihrer Kunden zu bekommen?
Henning Stolze: Die Bereitschaft zur Datenpreisgabe ist ganz maßgeblich an Vertrauen gekoppelt, was auch unsere Studie belegt. Gerade Banken und Finanzdienstleister haben demnach gute Startbedingungen: Im Vergleich zu anderen Branchen, beispielsweise Telekommunikationsunternehmen oder dem Online-Handel, genießen sie das meiste Vertrauen in einen sorgfältigen Umgang mit den Daten. Dieser Vertrauensvorschuss sollte ausgebaut werden, indem die Finanzbranche transparenter macht, was mit den Daten genau passiert und was die Kunden davon haben, diese zu teilen.
Zum Beispiel kann das Vertrauen auch gefördert werden, indem den Verbraucher nicht nur die Wahl gelassen wird, ob Daten geteilt werden, sondern auch wie viele. Wenn deutlich wird, dass beide Seiten vom Datenaustausch profitieren, wachsen sowohl das Vertrauen als auch die Bereitschaft zur Preisgabe von Informationen. Dadurch erhalten die Unternehmen nicht nur mehr, sondern auch bessere Daten. Das kann zu einem echten Wettbewerbsvorteil führen.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.