Bereitwillig geben Menschen einen Großteil ihrer privaten Datenhoheit preis. In Zeiten von „Big Data“ steht fest: Wer Daten hat, der hat einen wichtigen Schlüssel zum Erfolg. Die Finanzwirtschaft kann zu einer gerechteren Verteilung der Gewinne aus dem Datenreichtum beitragen.
Über die zukünftigen ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der digitalen Revolution besteht noch kein klares Bild. Der Besitz von Daten wird aber immer erfolgsentscheidender. Banken und Sparkassen haben einen nachhaltigen Anteil an der Zukunftsgestaltung in der gesellschaftlichen Arena. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, welchen Beitrag die Finanzwirtschaft zu einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne aus dem Datenreichtum leisten kann.
Im Tausch gegen die entgeltfreie Nutzung von komfortablen sozialen Informations- und Kommunikationsdiensten treten viele Menschen die Verfügungsrechte ihrer Daten an Internetriesen ab, die diese sammeln, raffinieren und veredelt für Milliarden verkaufen. Fraglich ist, ob die preisfreie Bereitstellung den erwirtschafteten Mehrwert gerecht aufwiegt. Denn die Gefahr der manipulativen gesellschaftlichen Kraft ist nach dem Skandal um die Datenweitergabe über Cambridge Analytica offenkundig.
Datenkraken sammeln jede Information
Welche Marktmechanismen machen die Raffinierung von Daten zu einem exorbitant ertragreichen Geschäft? Entscheidungsfindungen auf Märkten sind dezentral. Informationsreiche Märkte stellen die Nutzer jedoch vor das herausfordernde Problem, Informationen zu gewichten und mit ihren individuellen Präferenzen zu vergleichen. Über den Preis gelingt es, Marktinformationen zu bündeln und mit schwankenden Kaufpräferenzen entscheidungsorientiert in Einklang zu bringen. Als nächste Entwicklungsstufe könnte die Koordinationsfunktion des Marktes durch eine erweiterte Informationsverwertung deutlich verbessert werden.
Dieses Versprechen machen sich die Datenkraken zunutze, indem sie die Daten des Einzelnen auslesen, aggregieren und raffinieren. Sodann werden singulär auf den einzelnen Nutzer zugeschnittene Entscheidungen vorgeschlagen. Nebenbei wird die informelle Signalbedeutung des Geldes durch umfassende Datenströme ersetzt. Künftig werden manche Transaktionen mit Daten bezahlt werden.
Auf eine große Gefahr datenreicher Märkte ist hinzuweisen: Liegen die verwendeten Algorithmen intransparent bei wenigen dominierenden Unternehmen, können diese manipulieren und die Nutzer diskriminieren. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Felix Hufeld, wies in einem Interview darauf hin, dass Finanzdienstleistungen zu nicht mehr bepreisten Dienstleistungen werden könnten, wenn die „Big Tech“-Unternehmen darauf Zugriff nehmen. Die eigentliche Wertschöpfung würde in der Monetarisierung der dabei gewonnenen Daten liegen. Und damit seien die Finanzdienstleistungen nur noch Mittel zum Zweck und müssten nicht kostendeckend kalkuliert werden.
Umgang mit Daten
Wie kann nun diesen fatalen Entwicklungen Einhalt geboten werden? Öffentlich diskutiert wird, die Datengiganten über das Kartellrecht zu zerschlagen oder eine deutlich restriktivere Rechtsprechung bei Fusionen zu bewirken. Da dies meist viel zu lange dauert, ist die Wirksamkeit jedoch fraglich. Ein innovativerer Ansatz kommt von dem österreichischen Rechtswissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger. Dieser erklärt, dass wenn ein Datenunternehmen einen Marktanteil von mehr als zehn Prozent überschreitet, es einen Teil seiner Feedbackdaten mit allen Konkurrenten teilen muss. Dabei sollen anonymisierte und repräsentative Teile seiner Datenmengen anderen Unternehmen übermittelt werden. Insbesondere Start-ups könnten damit eigene Ideen und neue Produkte entwickeln. Andreas Weigend hingegen geht vom Individuum aus. Der ehemalige Chefwissenschaftler bei Amazon meint, dass Menschen handlungs- und entscheidungsfähiger werden, wenn deren Datenkundigkeit erhöht wird. Der Preis, den sie bezahlen, und die Risiken, die sie eingehen, indem sie ihre Daten teilen, müssen durch die Vorteile, die sie erhalten, mindestens aufgewogen werden. Dazu bedarf es klar umrissener Rechte, um Transparenz und Handlungsfähigkeit in praktische Werkzeuge umzusetzen.
Fakt ist: Banken haben ein Vertrauensbonus im Umgang mit Kundendaten. Dieses Vertrauen droht durch eine zunehmend verfeinerte Verwendung von Algorithmen verspielt zu werden, weil sie zu einer gesellschaftlich als unerträglich empfundenen Diskriminierung von Kunden führt. Die haarfeine Entmündigungslinie in der Algokratie zwischen gewollter risikoadäquater Preisdifferenzierung und einer ethisch-moralisch ungewollten sozialen Diskriminierung ist in der gesellschaftlichen Arena zu diskutieren.
Dialog mit Akteuren
Die Macht der Daten muss gemeinnützig für eine Gesellschaft verwandt werden, in der Menschen ermächtigt werden, kundig und selbstbestimmt mit ihren Daten umzugehen. Auf die Herausforderungen können wir mit gebündelten Kompetenzen reagieren, um insbesondere in der Finanzwirtschaft einen digitalen Humanismus zu etablieren. Mit dem Wissen, das wir durch Daten für die Gemeinschaft generieren, könnte Hamburg Vorreiter werden.
Die Bedeutung und die Möglichkeiten des Datenreichtums werden weiter zunehmen. Daten können bis zu einem bestimmten Grad sogar das Geld ersetzen. Die Verwendung des Datenreichtums kann die Zukunft persönlicher, effizienter, nachhaltiger und menschlicher machen. Dies gelingt jedoch nur gemeinschaftlich, wenn alle ihre Einschätzungen und besten Ideen für marktnahe Lösungen einbringen. Finanzinstitute tun gut daran, ihre Kompetenz im Netzwerk, auf Plattformen und in Kooperationen zu bündeln, um als kompetenter Ansprechpartner der Gesellschaft, der Aufsicht und anderen Interessensgruppen zur Verfügung zu stehen.
Der Beitrag erschien ursprünglich als Teil des Jahrbuchs 2018/19 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.