Finanzdienstleister erheben schon bei der Erfassung eines Neukunden unzählige Informationen. Doch die wenigsten nutzen diese sinnvoll für Up- und Cross-Selling. Dabei ist es mit KI-Unterstützung ganz einfach möglich, aus Kundendaten echte Werte zu schaffen.
Das Onboarding neuer Kunden bedeutet für Finanzdienstleistungsunternehmen vor allem eines: viel Papierkram. Identitäts-, Adress- und Einkommensnachweis zur Einhaltung der geltenden EU-Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie zur BaFin-konformen Kundenverifizierung sind nur die Spitze des Eisbergs. Von Pässen über Führerscheine, Stromrechnungen, Kontoauszüge und Gehaltsabrechnungen ist die Liste der benötigten Dokumente besonders bei komplexen Anliegen lang. In der Regel scannt und speichert der jeweilige Finanzdienstleister die eingereichten Dokumente und verknüpft sie im eigenen System über eine Referenznummer mit dem Kundendatensatz.
Doch trotz Video-Ident und Co. müssen die Mitarbeiter nach wie vor viel manuelle Arbeit leisten. Von der händischen Prüfung der eingereichten Informationen bis hin zur Erstellung von Querverweisen zu elektronischen Dokumenten bedeutet das nicht nur viel Aufwand, sondern meist auch die sinnlose Verschwendung wertvoller Informationen. Gespeichert in einer zentralen Datenbank könnten die zahlreichen Details aus den Kundenunterlagen einen enormen Mehrwert für Marketingverantwortliche darstellen. In anderen Branchen werden solche Inputs analysiert und wertvolle Erkenntnisse aus Details wie Alter, Region, Einkommensbereich und Ausgabegewohnheiten gewonnen. In den gescannten Bilddateien, die in Finanzdienstleistungsunternehmen gespeichert werden, finden sich allerdings nur sogenannte “Flat Data” – Daten ohne jegliche Aussagekraft. Ohne den richtigen Kontext sind diese Informationen völlig wertlos und kosten laut IDC sogar Geld.
Aus Dokumenten Mehrwerte gewinnen
Intelligente Technologie ermöglicht es Finanzdienstleistungsunternehmen, Daten aus dem Kunden-Onboarding und darüber hinaus optimal zu nutzen. Durch die Identifikation, Extraktion und Klassifizierung unstrukturierter Inputs, entstehen Informationen mit ihrem dazugehörigen Kontext. Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) helfen in der Datenextraktion, indem das System verschiedene Felder selbstständig identifiziert und ausliest – unabhängig davon, um welche Art von Dokument es sich handelt. Der Name und die Adresse von einer Energieabrechnung können ebenso einfach erkannt werden, wie die IBAN auf einem Kontoauszug. Durch die Eingabe diverser Dateien in unterschiedlichsten Formaten lernt die Lösung Stück für Stück immer mehr dazu und wird so immer intelligenter. So ist es beispielsweise auch dazu in der Lage, die notwendigen Informationen für unterschiedliche Finanzprodukte zu erkennen, auszulesen und zuzuordnen.
Ein wichtiger Faktor bei dieser Datenbearbeitung ist der Kontext: KI und ML setzen jede Information in ihren Kontext und verleihen ihr so nachhaltig Mehrwert. Von einem einfachen Namensabgleich zwischen Kontoantrag und eingereichter Lohnbescheinigung bis hin zur Plausibilitätsprüfung eines Antrags lassen sich so viele manuelle Aufgaben automatisieren. Und es ist noch mehr möglich: Geht zu einem Hypothekenantrag ein Dokument ein, kann dies nicht nur mit den Kontodaten des Kunden verknüpft werden, sondern auch mit seiner Kreditbilanz, Details zur Immobilie sowie Versicherungsinformationen des Objekts. Durch die Anreicherung der Informationen mit Kontext verwandeln Finanzdienstleistungsunternehmen “Flat Data” in eine dreidimensionale Fundgrube nützlicher Auskünfte.
Fokus auf den Kunden, Positionierung im Wettbewerb
Finanzdienstleister, die KI-basierte Technologie nutzen, profitieren von ungeahnten Chancen im Marketing-Umfeld. Was Google, Facebook und Co. bereits seit geraumer Zeit tun und auch im Einzelhandel keine Seltenheit mehr ist, funktioniert auch für Banken: Die Auswertung von Kundendaten, um diese noch besser kennenzulernen und zielgenaue Angebote zu unterbreiten. Dieses Kundenverständnis birgt ganz neue Vertriebsmöglichkeiten, die Finanzinstitute aktuell noch nicht nutzen. In einigen Fällen fehlt sogar die Sicherheit, dass ein Kreditgeber einen Hypotheken-Antragssteller als bestehenden Kunden erkennt. Abgesehen von der Kreditwürdigkeit aufgrund von Kontoinformationen sind die meisten Banken im Blindflug unterwegs, was ihre Kunden angeht.
Reduzierter Aufwand, eingesparte Zeit und gesteigerte Effizienz sind nur die vordergründigen Vorteile von KI-basierter Technologie zur Datenextraktion. Auch die Compliance profitiert davon, wenn Informationen schon im Onboarding-Prozess automatisiert verarbeitet und mit Kontext angereichert werden. Um Cross-Selling-Optionen nutzen zu können und die Kundenzufriedenheit mittels maßgeschneiderter Kommunikation zu erhöhen, sollten Finanzdienstleister verstärkt auf diese innovativen Lösungen setzen. Vor allem mit Blick auf den stetig wachsenden Wettbewerb durch Fintech-Startups müssen etablierte Banken schnell handeln, um nicht den Anschluss zu verlieren.
Die Herausforderungen des Kunden-Onboardings liegen für Finanzdienstleister auf der Hand. Automatisierungslösungen sollen die damit verbundenen Kosten senken und Prozesse effizienter gestalten. Doch sie können eben noch sehr viel mehr. Mit Kontext angereicherte Daten eröffnen ungeahnte Wachstumsmöglichkeiten, die es nun zu nutzen gilt.