Der neue Compliance-Officer

Golfen während der Arbeitszeit?

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Der neue Compliance-Officer nahm seine Aufgabe ziemlich ernst. Um unsere Bank zu schützen, war er vom Vorstand mit umfassenden Befugnissen ausgestattet worden und er zögerte nicht eine Sekunde, dies auch weidlich auszunutzen.

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Unser neuer Compliance-Officer hatte mich angerufen und gebeten, doch umgehend in seinem Büro zu erscheinen, mehr Informationen gäbe es dann im persönlichen Gespräch.

Hatte ich mir etwas zu Schulden kommen lassen? Nicht, dass ich wüsste! Vielleicht war es auch nur ein Meeting, um einander kennen zu lernen.

Zum vereinbarten Termin kam ich natürlich mit teutonischer Pünktlichkeit und Akkuratesse. Sein Büro war beeindruckend nüchtern und nur mit einem überdimensionalen Bild der britischen Königin geschmückt. Dass Ron Haselblad Brite war, hatte sich auch schon bis zu mir herumgesprochen. Nun, Pünktlichkeit war anscheinend seine Sache nicht, also setzte ich mich und wartete.

Als auch schon die Türe aufflog und Ron seinen dramatischen Auftritt hatte.

„Mr. Lemont!“, rief er theatralisch und warf im gleichen Atemzug seinen Hut Richtung Kleiderständer. Leider nicht mit genügend Schwung, sodass der Fedora nach kurzem Flug ermattet auf den Fußboden plumpste.

„Wer trägt heute noch Hut, noch dazu einen Fedora*?“, fragte ich mich in Gedanken. „Und was sagt es über mich selbst aus, dass ich weiß, was ein Fedora ist?“

Der Hut des neuen Compliance-Officer

Der Fedora ist ein weicher Filzhut, der längs der Krone nach unten geknickt und an der Vorderseite an beiden Seiten eingekniffen ist. (Danke, Wikipedia!)

Ron hatte den Lapsus mit dem modischen Kleidungsstück schon innerlich verarbeitet und das wertvolle Stück von Hand an den Kleiderhaken gehängt. Nun baute er sich vor mir auf und knurrte mit lässiger Stimme:

„Mein Name ist Haselblad. Ron Haselblad! Sie dürfen mich Mister Haselblad nennen.“

„Aha!“, antwortete ich wenig einfallsreich.  „Sehr erfreut. Meinen Namen scheinen sie ja schon zu kennen?“

Ron lächelte siegesgewiss und warf seine Autoschlüssel auf den Schreibtisch. Irgendein Scherzbold hatte auf die Fernbedienung des Wagens ein Aston Martin Logo geklebt, doch der darunter liegende Ford-Schriftzug kämpfte sich munter wieder an die Oberfläche.

„Natürlich kenne ich sie, Herr Lemont!“

Der britische Akzent war unüberhörbar. Ron hatte angeblich in ihrer Majestät Armee gedient und Gerüchte brachten ihn mit dem SAS, dem Special Air Service – einer Spezialeinheit der britischen Armee – in Verbindung. Und mit dem MI6, her Majesty Secret Service. Aber das alles waren nur Gerüchte, die Ron natürlich nicht im Geringsten befeuerte.

„Kann ich einen Tee haben, Miss Moneypenny?“, rief er durch die offene Türe seiner Assistentin zu. „Und für Herrn Lemont ein Glas Wasser.“

Er baute sich breitbeinig vor mir auf, die Hände lässig in die Hosentaschen seines Tweet-Anzug gesteckt und lehnte sich gegen den Schreibtisch.

„In der Tat, über sie ich weiß ziemlich, ziemlich viel.“, brummte er in nicht ganz einwandfreiem Deutsch. „Schon lange in der Bank hier, ja? Mittleres Management, ja?  Guter Golfer, wie?“

Zwei Richtige von Dreien. Aber spätestens als er mich einen guten Golfer nannte, wusste ich, dass er mit seinen Annahmen meilenweit daneben lag.

Doch ich gab den Ertappten und zuckte nur wie beiläufig die Schultern.

„Wie du weißt, ich bin hier um zu sehen, dass Compliance vorankommt?“

Ich liebte sein Deutsch, auch wenn mich seine plötzliche Vertrautheit stutzig machte.

„Du weißt, ich sehe auch nach diesen kleinen Gefälligkeiten. Weihnachtsgeschenke, die teuren? Oder Einladung zum Essen in Sternerestaurant?  Oder Skiurlaub in französische Alpen? Nein? Heliskiing vielleicht?“

Nein, ich konnte weder mit den französischen Alpen noch mit Helikopterflügen dienen und tat dies mit einem entschlossenen Kopfschütteln auch kund.

„Ganz das Unschuldslamm, aha? Keine Anfütterung, nein?“

„Nie und nimmer!“, gab ich ihm Recht. Ich hatte meine Compliance-Schulung noch gut in Erinnerung. Und Anfütterungen, die kleinen Bestechungsversuche, durch die das Bankpersonal gefügig gemacht werden sollte, gab es bei mir nicht. So dachte ich.

„Und wo du warst am vergangenen Freitag? Nachmittag?“

Verdammt! Er hatte mich erwischt. Ich war tatsächlich von einem unserer Vertriebspartner zu einer Runde Golf eingeladen worden. Zusammen mit zahlreichen anderen Bankern, aber das schien Ron nicht zu jucken.

„Golfen während der Arbeitszeit? Dann Champagner und Kaviar? Alles umsonst oder als Dankeschön für eine neue Kreditlinie?“

Dass ich nichts mit Kreditvergaben zu tun hatte, würde Mister Haselblad im Moment nur aufregen, also ließ ich es unerwähnt.

„Nein, es gab nur ein Gläschen Bier und ein kaltes Büffet. Und meinen Sport betreibe ich während meiner Freizeit. Kannst du gerne nachprüfen!“

„Was ich schon getan habe.“ Ron grinste plötzlich verbindlich und zwinkerte mir zu. „Man wird noch versuchen dürfen zu probieren?“

„Aber sicher.“, zwinkerte ich zurück und stand auf. „Woher wusstest du übrigens von dieser Veranstaltung?“

„I could tell you but then I’d have to kill you.”, feixte Ron verschwörerisch.

Langsam gewöhnte ich mich an den britischen Humor.

Ich verließ sein Büro und rannte meinem Kollegen Martin in die Arme, der bereits vor der Türe wartete. Er war gerade braungebrannt von einem Kurztrip aus der Karibik zurückgekehrt, zu dem einer seiner Kunden eingeladen hatte, wie der eine oder andere mitteilsame Insider bei uns wusste. Martin hatte Stil und ließ sich von ein paar verstaubten Regeln nicht ins Bockshorn jagen. Auch wenn ich seine neue goldene Rolex jetzt ein klein wenig protzig und auffällig fand.

„Viel Spaß mit Ron!“, wünscht ich Martin aufrichtig und ging fröhlich meines Weges.

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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