Gibt Deutschland seine Karten aus der Hand?

Die Zukunft der Kartenzahlung

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Bei „Souveränität“ geht es auch darum, kritische Infrastrukturen der Wirtschaft in einer zunehmend unruhigen Welt zu sichern, um die Pfeiler des eigenen Wirtschaftens weiterhin „in der Hand zu behalten“. Aber was hat das Ganze mit „Karten aus Deutschland“ zu tun?

Karten sind ein beliebtes Mittel zum Bezahlen

Bei vielen Verbrauchern sind Karten ein beliebtes Mittel zum Bezahlen.

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Die Welt, wie wir sie bisher kannten, verändert sich rasant. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stellt hier sicherlich die größten Fragen. Doch schon deutlich davor war klar, dass Europa in vielen Bereichen seine Resilienz verbessern und seine Interessen besser wahren muss. Das gilt auch für den Zahlungsverkehr. So hat beispielsweise schon 2017 der französische Präsident eine europäische Souveränitätsagenda umrissen, bei der es um die „Fähigkeit Europas geht, in der heutigen Welt zu bestehen, um unsere Werte und unsere Interessen zu verteidigen“.

Payment als Teil der kritischen Infrastruktur

Schaut man auf Synonyme von „Souveränität“, wie „Unabhängigkeit“ oder „Autarkie“, ist der Sprung zu kritischer Infrastruktur nicht weit. So definiert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) unter anderem auch Leistungen des Finanzwesens als „unentbehrliche Güter- oder Dienstleistungen“ für das Funktionieren einer Gesellschaft.

Zweifelsohne gehört zum Funktionieren einer modernen Gesellschaft das einfache bargeldlose transferieren von Geld. In Deutschland geschieht dies vielfach durch Überweisungen und Lastschriften. Allein fast 6 Mrd. Transaktionen wurden 2021 über girocard, das Debitzahlverfahren der Deutschen Kreditwirtschaft, abgewickelt, – bargeldlos und initiiert durch gut 100 Millionen „physische Karten“ im Portemonnaie oder „digitale Karten“ im Smartphone.

Initiativen für regionale Zahlungssysteme?

Wenn wir beim Markt von Zahlverfahren für das bargeldlose Bezahlen bleiben, fällt auf, dass dieser von wenigen Akteuren dominiert wird. Die bekanntesten sind die global vertretenen Debit- und/oder Kredit-Zahlungssysteme JCB, Union Pay International, Discover, Mastercard und Visa. Allein Mastercard und Visa wickelten 2021 zusammen mehr als 276 Mrd. Zahlungen weltweit ab.

Daneben gibt es weitere vor allem regional vertretenen Systeme. Das sind beispielsweise Bancontact in Belgien, Carte Bancaire in Frankreich oder girocard in Deutschland. Aber es gibt auch vergleichsweise neue Systeme, wie RuPay aus Indien (seit 2012), mada aus Saudi-Arabien (seit 2015), MIR aus Russland (2015) oder „Troy“ aus der Türkei (seit 2016).

Auffällig ist, dass diese „neuen“ Zahlungssysteme außerhalb der Europäischen Union vor allem im vergangenen Jahrzehnt starteten und sich zumeist auf staatliche Initiativen stützten. Vielfach wurden sie damit begründet, die Vision einer modernen, weniger von Bargeld abhängigen Gesellschaft voranzutreiben. Dies wäre aber auch mit existierenden internationalen Zahlungssystemen umsetzbar. Der Aufbau und laufende Betrieb eines Zahlungssystems wäre demnach vermeidbar. Es muss also andere Gründe geben. Ordnet man die Etablierung dieser Zahlungssysteme in einen politischen Kontext, so darf angenommen werden, dass wirtschaftspolitische Aspekte und „Souveränität“ wichtige Treiber waren.

Dem gegenüber ist girocard, das 1989 startete, ein über 30 Jahre organisch gewachsenes und vorwiegend im Heimatmarkt tätiges Zahlungssystem.

Kombinationen mit internationalen Zahlungssystemen bleiben üblich

Eine Gemeinsamkeit der genannten Zahlungssysteme besteht darin, dass eine Verknüpfung mit internationalen Zahlungssystemen über die Kombination von zumeist zwei Zahlungssystemen auf einer Karte (Co-Badge) üblich ist, um einen weltweiten Einsatz zu ermöglichen. Auch in Deutschland ist die Ausgabe der girocard kombiniert mit einem internationalen Zahlungssystem der Normalfall – bisher vor allem mit Maestro und V-Pay.

Ab 2023 zeichnen sich größere Veränderungen in Europa und Deutschland ab, denn Maestro wird beginnend im Sommer 2023 nahezu vollständig vom europäischen Markt genommen. Stattdessen wird das Zahlungssystem Mastercard selbst verstärkt auch als Debitzahlungssystem positioniert. Diese Veränderung hat zu Diskussionen auch über die Zukunft des girocard-Systems geführt.

Hier lohnt sich ein tieferer Blick. Richtig ist, dass girocard schon heute auch mit weiteren internationalen Zahlungsmarken kombiniert werden kann. So besteht innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe bereits seit 2020 die Möglichkeit, girocard auch mit dem Zahlungssystem Mastercard zu kombinieren. Das bleibt auch nach dem Ende von Maestro so.

Kartenherausgeber können aber auch Karten ausschließlich mit der Marke eines internationalen Zahlungssystems ausgeben. Davon wird auch im deutschen Markt Gebrauch gemacht. Rechtfertigt dies Spekulationen über die Zukunft eines Zahlverfahrens, wie der girocard? Sicher nicht. Denn es ist ein nationales Zahlungssystem mit über 1 Mio. Akzeptanzstellen und einem Marktanteil von über 40 Prozent im stationären Einzelhandel. Seine Bedeutung kommt nicht von ungefähr, sondern trifft auf einen hohen Marktbedarf und spiegelt seine nachhaltige Akzeptanz. Die verschiedenen Varianten an Bezahlkarten sind zudem Ausdruck eines funktionierenden Wettbewerbs in einem freien Markt, der sich am Nutzen für die Systemteilnehmer, allen voran für Handel und Verbraucher, orientiert.

Souveränität im europäischen Payment erhalten und ausbauen

Der Aspekt der Souveränität ist dennoch nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Kartenzahlungssystem „Made in Europe“ oder „Made in Germany“ übernimmt wichtige infrastrukturelle Funktionen. Wäre es nicht da, man müsste es erfinden. Es gibt aber eine wichtige Voraussetzung, dass der Erfolg bestehen bleibt: Zielgerichtete wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die den Betrieb eines Zahlungssystems in Europa sinnvoll möglich machen.

Die Regulierungsinitiativen des vergangenen Jahrzehnts legten ihren Fokus unter dem Eindruck der Finanzkrise 2008/2009 vorwiegend auf die Stabilität des Finanzsystems. Ob eine Payment Services Directive 1 (PSD 1) beziehungsweise die Nachfolgerin „PSD 2“ oder die Interchange Fee Regulation (IFR), – der Detailierungsgrad war im Payment-Segment hoch. Durch falsche Lenkungswirkung der Regulierung wurden die in Europa von Kartenherausgebern getragenen Zahlungssysteme benachteiligt. Internationale Zahlungssysteme gehörten dagegen nachweislich zu den Profiteuren.

Nicht ohne Grund fordert die Deutsche Kreditwirtschaft daher, Rahmenbedingungen anzupassen und Fehlanreize im Markt zu vermeiden: Mit Initiativen, wie dem „Digital Markets Act“ sind erste Anzeichen der europäischen Politik sichtbar, sich der zunehmenden Marktmacht außereuropäischer BigTechs auch im wichtigem Payment-Segment anzunehmen. Mit der Überprüfung bestehender Regulierungen, wie dem PSD2-Review, kann ein weiterer konkreter Schritt zum Erhalt und Ausbau europäischer Souveränität im Payment unternommen werden.

Über den Autor

Mirko Torgen Oesau

Mirko Torgen Oesau ist Abteilungsdirektor beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband im Bereich Vertrieb für die strategische Ausrichtung der Sparkassen-Finanzgruppe im Debitkartengeschäft inklusive der Weiterentwicklung des girocard-Systems.

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