Trotz der Digitalisierung des Privatkundengeschäfts bleibt die Bankfiliale ein essenzieller Vertriebskanal. Doch damit sie ein zentraler Anlaufpunkt bleibt, brauchen Banken innovative Konzepte.
Durch die Zinswende hat sich gezeigt, wie profitabel das Geschäft mit Privatkunden für Banken sein kann. Nach unseren Analysen lagen die Erträge im Retail Banking, dem klassischen Privatkundengeschäft, im Jahr 2023 weltweit bei rund 3 Bio. Euro und damit rund 8 Prozent über dem Vorjahr. Mit einem durchschnittlichen Ertragswachstum von 7,6 Prozent pro Jahr seit 2020 war das Privatkundensegment in den vergangenen Jahren wieder ein wichtiger Wachstumstreiber für die Banken.
Doch der Ausblick ist weniger rosig: Der Wettbewerb um Einlagen wird härter, die Margen sinken angesichts niedrigerer Zinsen und die operativen Kosten steigen weiter. Ein Pfund, mit dem die Banken in diesem herausfordernden Umfeld wuchern können, sind ihre engen und langjährigen Kundenbeziehungen. Denn Kundinnen und Kunden, die ihre Hauptbankverbindung bei einer Bank haben, generieren dort überdurchschnittlich hohe Provisionserträge, verursachen über die Zeit weniger Kosten und unterhalten längerfristige Beziehungen. Nach wie vor ein entscheidender Faktor für gute Kundenbeziehungen: Die Bankfiliale.
„Mobile First“, aber nicht „Mobile-Only“
Denn einerseits ist und bleibt die Digitalisierung insbesondere im Privatkundengeschäft der Schlüssel für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Für ihre Bankgeschäfte nutzen Menschen immer häufiger digitale Kanäle. Das im kanalvergleich stärkste Wachstum bei Produktabschlüssen und Interaktionen entfällt derzeit auf mobile Geräte. So ist der Anteil der Kundinnen und Kunden, die ihre Bankgeschäfte mobil erledigen, weltweit zwischen 2020 und 2023 um 18 Prozentpunkte auf 57 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Kontaktpunkte zur Bank hat sich im gleichen Zeitraum erhöht. Ihre Zahl stieg um 72 Prozent auf 150 pro Kunde pro Jahr, was wiederum mehr ist als bei einigen führenden E-Commerce-Anbietern. Dementsprechend überrascht es auch nicht, dass eine „Mobile-first“-Vertriebsstrategie für viele Institute inzwischen das Mittel der Wahl ist.
Andererseits bleibt auch die Filiale für viele Banken ein essenzieller Teil des Vertriebs. So werden in Europa immer noch die Hälfte, in Nordamerika sogar über 70 Prozent, aller neuen Konten in der Filiale eröffnet. Mit Blick auf neue Einlagen werden in Europa 56 Prozent und in Nordamerika 92 Prozent in Filialen generiert. Das Mobiltelefon ist für viele Kundinnen und Kunden zum bevorzugten Kanal für die meisten täglichen Bankgeschäfte und zunehmend auch für einfache Cross-Sales-Produkte geworden, aber die Filialen sind für Neukundengewinnung sowie Beratung bei Kreditvergabe und Anlage weiterhin entscheidend.
Ausrichtung der Filialnetze und Design der Filialen entscheidend
Natürlich gibt es regionale und lokale Dynamiken, welche für die Bedeutung einer Filiale entscheidend sind und Banken werden ihre Filialnetze weiter ausbalancieren müssen. Aber grundsätzlich bleiben Filialen ein wichtiges Element des Vertriebs im Privatkundengeschäft. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Bedeutung von neuen Einlagen, aber auch Bereiche mit hohem Beratungsbedarf wie Vermögensanlage oder Immobilienfinanzierung.
Die Frage, die sich die Banken jedoch stellen müssen, ist, wie sie über das klassische Filialmodell hinausgehen und die Filialen neugestalten können. Das geht über den Aufbau, die angebotenen Dienstleistungen bis hin zum Umfang der Kundenberatung vor Ort. Es braucht Strategien, die Filialnetze und -formen an den lokalen Markt und die Strategie des jeweiligen Insults anzupassen.
Attraktivität der Bankfiliale steigern
Ein Trend ist dabei weiterhin die Fokussierung auf wichtige Standorte und der Wandel zu Flagship-Standorten, in die intensiv investiert wird, um eine noch persönlichere Beratung zu ermöglichen und das Kundenerlebnis weiter zu verbessern. Hier orientieren sich die Banken an anderen Branchen – etwa den großen Technologiefirmen.
Die Attraktivität der Filialen profitiert auch davon, dass Remote- bzw. Videoberatungsangebote immer stärker in die Filialkonzepte integriert werden – beispielsweise über Möglichkeiten an den Beratungsplätzen zusätzliche Experten per Video zuzuschalten- Auch Möglichkeiten für Kundinnen und Kunden aus der Filiale mit Beratern und Experten im Servicecenter zu sprechen, wenn beispielsweise vor Ort keine Berater oder Beraterinnen zur Verfügung stehen, werden immer häufiger genutzt.
Darüber hinaus liegt ein weiterer Schwerpunkt zunehmend auf der Verbesserung der Mitarbeiterproduktivität und der Vertriebseffizienz, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter ihre Zeit mit wirklich wertschöpfenden Tätigkeiten verbringen. Das Thema ist in Deutschland nochmal bedeutsamer, da bis 2030 rund 30 Prozent der Beschäftigten in der Bankenbranche aus Altersgründen ausscheiden.
Künstliche Intelligenz in der Filiale
Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI)) in den Filialbetrieb bietet hierbei große Chancen. KI-gestützte Systeme können beispielsweise die Kundenberatung unterstützen, indem sie personalisierte Empfehlungen auf Basis von Kundendaten und -verhalten generieren. Dies ermöglicht es den Mitarbeitern, sich auf komplexere und wertschöpfendere Aufgaben zu konzentrieren, während die KI einfachere und wiederkehrende Aufgaben übernimmt. Darüber hinaus können KI-Systeme auch zur Optimierung der Filialstandorte und der Ressourcenallokation beitragen, indem sie Datenanalysen durchführen und Prognosen erstellen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schaffung eines nahtlosen Kundenerlebnisses, das sowohl digitale als auch physische Kanäle umfasst. Kunden erwarten heute eine reibungslose Integration. Banken müssen sicherstellen, dass ihre digitalen Plattformen nahtlos mit den Filialen zusammenarbeiten, um ein konsistentes und positives Kundenerlebnis zu gewährleisten. Dies kann durch die Implementierung von Integrated Channel-Strategien erreicht werden, die es den Kunden ermöglichen, nahtlos zwischen verschiedenen Kanälen zu wechseln, ohne dass Informationen verloren gehen.
Bankfiliale spielt zentrale Rolle im Privatkundengeschäft
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bankfiliale in Zeiten von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz nach wie vor eine zentrale Rolle im Privatkundengeschäft spielt. Während die Digitalisierung unverzichtbar ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben, bleiben die Filialen ein wichtiger Anlaufpunkt für Kunden, insbesondere bei komplexeren Finanzdienstleistungen.
Banken müssen ihre Filialnetze strategisch ausrichten und in innovative Technologien investieren, um die Effizienz zu steigern und das Kundenerlebnis zu verbessern. Nur so können sie in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Umfeld erfolgreich bleiben und langfristige Kundenbeziehungen erhalten.
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Bislang sind folgende Beiträge in der Serie erschienen:
- It’s a match: Bankfiliale im digitalen Zeitalter - Better Banking bei der BBBank
- Weniger ist nicht immer mehr - Ein etwas anderer Blick auf das Filialnetz von Regionalbanken
- Der Spagat zwischen Verbundenheit und Fortschritt - Die Integration von Digitalisierung ohne Ankerverlust
- Die Bankfiliale muss sich neu erfinden -Unverzichtbarer Touchpoint im digitalen Zeitalter
- Hören wir unseren Kunden noch zu? - Warum der Rückzug aus dem Präsenz-Geschäft ein Fehler ist
- Klassische Beratung im modernen Raum - Auflösung der Grenzen von analoger und digitaler Welt
- Orte des Dialogs, der Vernetzung und der Problemlösung - Die Omnikanal-Strategie der Berliner Volksbank
- Kunden sind die neuen Architekte - Postbank und Deutsche Bank realisieren neue Filialformate
- Die Bankfiliale der Zukunft: Mehr Menschlichkeit im Banking - Digital vernetzt, persönlich beraten
- Die Bankfiliale als Treffpunkt für die Menschen aus der Nachbarschaft - Digitale Lösungen mit persönlicher Nähe
- Titel
- Die Filiale ist tot – es lebe die Filiale - Neue Rolle in der Omnichannel-Welt