Für viele Kunden ist der Abschluss eines neuen Bausparvertrags nur noch bedingt rentabel. Es stellt sich daher die Frage, wie Bausparkassen ihr Geschäftsmodell und ihre Produkte zukünftig attraktiver gestalten können, um langfristig am Markt zu bestehen.
Niedrigzins, neue Player am Markt sowie die weiterhin steigenden Immobilienpreise und Kosten für Material und Handwerk erschweren es den Instituten, Bausparen gewinnbringend zu vermarkten. Als reines Sparprodukt ist Bausparen heute allein schon wegen der niedrigen Sparzinsen und hohen Abschlusskosten uninteressant. Daran ändert auch die Erhöhung der Wohnungsbauprämie zu Beginn des Jahres nur wenig. Obwohl Bausparkassen neben dem klassischen Bausparen interessante Finanzierungsansätze in ihrem Portfolio haben, gelingt es ihnen bislang nicht, diese überzeugend bei den Zielgruppen zu positionieren. Image, Kommunikationsbotschaften und Vertriebswege spielen dabei eine entscheidende Rolle – es ist Zeit, dass Bausparkassen ihre Strategie auf den Prüfstand stellen und sich trauen, neue Wege zu gehen.
Ladenhüter „Bausparen“?
Bausparverträge in Verbindung mit einer Finanzierung sind aus Kundensicht erklärungsbedürftige Produkte, bei denen die Vorteile nicht auf Anhieb erkennbar sind. Zudem ist der Produktabschluss aufwendig und verhältnismäßig teuer. Kunden wünschen sich heute aber einfache und transparente Lösungen, die leicht verständlich und vor allem schnell online abschließbar sind.
Diese Anforderungen erfüllen die meisten Institute bislang nur unzureichend. Die eingeschränkte Nähe zum Kunden durch die Corona-Pandemie 2020/2021 sowie das mangelnde Online-Angebot vieler Anbieter erschwerten es den Bausparkassen zusätzlich, Abschlüsse zu erzielen.
Erwartungshaltung der jüngeren Generation berücksichtigen
Bausparen verliert vor allem bei der jüngeren Zielgruppe an Bedeutung. Der Traum von den eigenen vier Wänden ist zwar auch bei den unter 25-Jährigen noch vorhanden, doch aufgrund der Online-Angebote von Neo-Banken oder anderen FinTechs wie beispielsweise Trading-Apps ist das Finanzinstrument „Bausparen“ in dieser Generation lange nicht so präsent wie bei den Eltern in früheren Zeiten. Bausparkassen müssen die Erwartungshaltung sowie die digitalen Touchpoints junger Menschen zukünftig stärker berücksichtigen, um das Potenzial in dieser Zielgruppe vollständig auszuschöpfen.
Leistungsangebot und Zielgruppen schärfen
Weg vom klassischen Bausparprodukt hin zu individuellen Lösungsangeboten, die vollständig in das Leben des Kunden integrierbar sind. So könnte die Angebotsstrategie von Bausparkassen zukünftig aussehen. Damit das gelingt, müssen diese nicht nur Produktabschlüsse vereinfachen und vergünstigen, sondern auch Zielgruppen und Online-Angebote anpassen und weiterentwickeln.
Kunden mit Immobilie(n) könnten zukünftig von proaktiven Beratungsleistungen in Belangen rund um ihre Immobilien profitieren. Denkbar ist dieses Angebot per App oder über einen nutzerfreundlichen Onlinebereich. In einem „digitalen Zuhause“ stellen Bausparkassen ihren Kunden individuelle Informationen zusammen, wie: Wann steht die nächste Renovierung bzw. Sanierung an? Was muss dabei beachtet werden und welche Subventionen stehen zur Verfügung? Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für das Projekt und ab wann sollte vorgespart werden? Auch Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Handwerkern und Fachexperten wäre denkbar.
Kunden ohne Immobilie und ohne Immobilienwunsch könnten zukünftig verstärkt von „alternativen“ Bausparangeboten profitieren. So könnten Bausparkassen innerhalb dieser Zielgruppe beispielsweiße stärker auf Modernisierungsdarlehen setzen. Denn auch bei Mietern steigt die Bereitschaft, das eigene Zuhause nachhaltig zu modernisieren (von barrierefreiem Wohnen über Energieeffizienz bis hin zu Smart-Home-Technologien).
Kommunikationsbotschaften anpassen
Um ihr Portfolio auszuschöpfen, sollten die Institute ihr Image als umfassender Finanzberater für Mieter und Immobilienbesitzer ausbauen. Dafür ist eine zielgruppengerechtere Ausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Nur so treffen die Institute die Bedürfnisse potenzieller Kunden, schaffen Transparenz und Vertrauen. Aktuelle gesellschaftsrelevante Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung geben den Bausparkassen neue Argumentationsgrundlagen für ihre Produkte an die Hand. Bislang werben die Institute zwar mit nachhaltigem Wirtschaften (Stichwort „Energieeffizientes Sanieren“), aber zum Beispiel nicht damit, dass Eigenheimbesitzer ihren CO2-Austoss mit neuen Heizungen, Fenstern usw. reduzieren und damit einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Vertriebswege neu denken
Ob Leistungsangebot, Kommunikationsbotschaften oder zielgruppengerechte Ansprache: Alle Lösungsansätze sind nur durch eine stärkere Digitalisierung von Prozessen und Produkten umzusetzen. Deshalb sollten auch Bausparkassen eine engere Verzahnung mit Partnern aus der Finanzbranche und deren Online-Angeboten in Betracht ziehen. Kooperationen mit Start-ups haben das Potenzial weitere Vertriebswege und Cross-Selling-Optionen zu schaffen. Der Vorteil: Fintechs sind mit ihren digitalen Angeboten bereits nah am Kunden und wissen, welche Produkte und Kommunikationsbotschaften funktionieren.
Einen neuen Vertriebsweg könnte Bausparen als integriertes Sparprodukt in einer Banking-App bilden. Ein Beispiel: In der App gibt der Nutzer seine Sparziele und Wünsche ein, woraufhin er passende Finanzierungsmöglichkeiten wie Bausparen erhält. Durch die Verzahnung mit den alltäglichen Ein- und Ausgaben wird „Sparen“ bei den Kunden greifbarer und einfacher. So kann der Nutzer bei jedem Online-Einkauf den Betrag aufrunden, wobei die Differenz in den Bausparvertrag fließt. Für die Realisierung solcher Projekte bietet sich die Zusammenarbeit mit mobilen Bezahlungs-Apps wie Kwitt oder PayPal an. Auch „Gamification“-Ansätze oder eventbasiertes „(wenn-dann) Sparen“ sind in diesem Zuge denkbar.
Eine weitere Option bieten einschlägige Kreditvermittlungsplattformen oder Vergleichsplattformen. Hier können Bausparkassen ihre Produkte gleichzeitig breit und zielgerichtet streuen. Denkbar sind darüber hinaus Kooperationen mit Innovation Hubs. Auf diese Weise könnten Bausparkassen eigene Vorstellungen in neue Vertriebsprozesse und Produktangebote miteinbringen.
Potenzial ergreifen
Welche Lösungsansätze die Bausparkassen zukünftig verfolgen werden, bleibt mit Spannung abzuwarten. Auch wenn einige der genannten Möglichkeiten mittelfristig sehr hoch gegriffen wirken, so ist dieser ehrgeizige Ansatz dennoch der richtige: Bausparkassen müssen „neu denken“, um die Anforderungen und Bedürfnisse (potenzieller) Kunden auch zukünftig erfolgreich erfüllen zu können.