Die Finanzberatung wird standardisiert

DIN-Norm 77230 wirbelt die Branche auf

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Insbesondere Qualitätsführer und FinTechs profitieren von der kommenden DIN-Norm 77230 für die Finanzberatung. Die Anbieter können dank ihr nun garantieren, dass sie über alle finanziellen Lebensrisiken hinweisen, die dem Verbraucherschutz wichtig sind.

DIN-Norm 77230

Die DIN-Norm 77230 sorgt für eine Standardisierung der Finanzberatung.

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Im Frühjahr 2018 wird voraussichtlich für die Basisanalyse der finanziellen Situation privater Haushalte die neue DIN 77230 (in der ersten Lesefassung) veröffentlicht. Vier Jahre lang hatten 40 Verbraucherschutzorganisationen und namhafte Vertreter der Finanzbranche in Deutschland an einheitlichen Standards für die Kundenberatung (konkreter: für die Bedarfs- bzw. Finanzanalyse) in Banken, Versicherungen und bei Finanzdienstleistern gearbeitet. Denn zahlreiche Analysen in Banken und Sparkassen sowie mehr als 15.000 Testkäufe haben in den letzten Jahren gezeigt, dass viele Finanzdienstleister bei der Beratung von Privatkunden keine obligatorischen Verfahren definiert haben. Nach den Ergebnissen der Gesellschaft für Qualitätsentwicklung in der Finanzberatung (QIDF) hing die Produktausgestaltung für den Kunden ausschließlich und zu oft von dem individuellen Problembewusstsein und/oder der Meinung des Beraters ab. Das führte dazu, dass gleichartige Kunden trotz ähnlicher Bedürfnisse in der Grundabsicherung und -vorsorge teils deutlich unterschiedliche Lösungsvorschläge erhielten und einzelne Themen gar nicht besprochen wurden.

Standards sorgen für Sicherheit

Die künftige Standardisierung vereinheitlicht das Beratungs- und Analyseverfahren. Finanzdienstleister und Analyseprogramme, die sich der DIN 77230 verpflichten, fragen immer zuerst ab, wie der Kunde finanziell aufgestellt und absichert ist. Dieses Vorgehen erfolgt unabhängig davon, mit welcher Fragestellung ein Verbraucher sich an den Finanzdienstleister wendet. Zunächst wird immer die Einnahme- und Ausgabensituation des Kunden erfasst. Auch die weitere Abfrage zu den existenziellen Lebensrisiken (hier bspw. beim angestellten Single) verläuft stets in der gleichen Reihenfolge: Sie beginnt mit der privaten Haftpflicht- und der Berufsunfähigkeitsversicherung. Danach wird bezüglich des Krankentagegeldes, der Hinterbliebenen- und der Altersvorsorge nachgehakt.

Jedem einzelnen Handlungsfeld sind einheitliche Sollwerte zugrunde gelegt, die als Mindeststandard empfohlen werden. Ein Berechnungsbeispiel: Ein Single-Haushalt, der über 2.000 Euro Nettoeinkommen verfügt, sollte bei der privaten Haftpflichtversicherung als Deckungssumme mindestens zehn Millionen Euro haben. Diese vorgeschriebenen Empfehlungen sind i.d.R. nach Lebensphasen aufgeteilt. Denn für ältere Kunden wird es mitunter schwierig werden, noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu bekommen. In diesen Altersgruppen wird stattdessen die Pflege- und Unfallversicherung angesprochen.

Vereinheitlichung verhindert Versorgungslücken

Als eine der ersten Banken bundesweit hat die Volksbank Baden-Baden Rastatt den DIN-Standard bereits erfolgreich in ihr Alltagsgeschäft implementiert. In anderen Banken und Sparkassen ist die Beratungspraxis hingegen selten standardisiert. Wie QIDF-Tests zeigen, gibt es vor allem in Regionalbanken große Unterschiede in der Beratungsqualität. In vielen Häusern wird die finanzielle Absicherung des Kunden (noch) nicht IT-gestützt erfasst. Auch die Handlungsempfehlungen weisen Lücken auf. Einige Finanzdienstdienstleister rechnen beispielsweise bei der Berufsunfähigkeitsversicherung bislang gar nicht oder nur bis zum 60. Lebensjahr. Die DIN 77230 schreibt für die Basisberechnung hingegen einen Zeitraum bis zum 67. Lebensjahr und eine Absicherungshöhe von 80% vom aktuellen Nettoeinkommen vor. Solche Standards sorgen dafür, dass der Berater eventuelle Absicherungslücken beim Kunden erkennt und konkrete bzw. passende Lösungsvorschläge unterbreitet.

Kunden analysieren ihre Finanzen selbst

Einige FinTechs haben diese Standardisierungsbestrebung bereits als Chance erkannt, sich dank einer DIN-Norm als seriöser Analyseassistent für private Anwender zu positionieren. So hat beispielweise das FinTech „myfeelix.de“ in seiner Finanz-App auch schon an dem DIN-Standard orientiert, was bei den Endkunden sehr gut ankommt.

Diese Kombination aus moderner, mobiler Technik und anerkannten DIN-Standards eröffnet im Markt interessante Perspektiven. Die Finanzanalyse und -beratung obliegt damit nicht mehr allein den Filialbanken. Die ausgeprägte Beratungsqualität, die von einigen Finanzdienstleistern derzeit noch als Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb angepriesen wird, ist keine herausragende Dienstleistung mehr. Der Kunde kann sich mit normkonformen FinTechs und Tools künftig selbst analysieren und danach entscheiden, wo er passende Finanzprodukte kaufen will. Es ist abzusehen, dass Banken und Versicherungen dann eher die Rolle eines Maklers übernehmen werden. Wegen der Werbewirksamkeit werden sie zudem über kurz oder lang die neue DIN-Norm 77230 auch im eigenen Haus einführen. Auch Richter legen im Beschwerdefall gerne eine DIN-Norm als Maßstab zugrunde. Diese Normierung, der zunehmende Wettbewerb und die grundlegenden Veränderungen des eigenen Selbstverständnisses beunruhigen zwar einige Berater, bieten aber auch die Möglichkeit letztendlich doch wieder mit der eigenen Persönlichkeit und Beratung zu punkten.

Über den Autor

Kai Fürderer

Kai Fürderer leitet gemeinsam mit seiner Frau Iris die Gesellschaft für Qualitätsprüfung mbH. Die Gesellschaft für Qualitätsprüfung ist eine Gesellschaft, die sich ausschließlich mit der fundierten Qualitätsprüfung auf Basis von anerkannten Qualitätsstandards und Normen beschäftigt.

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