Die letzte Filiale!

Kundenservice und –Beratung im Jahr 2025

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Es naht mit riesen Schritten, das Ende der Filialen. Nein, nicht doch! Ihr Supermarkt um die Ecke, der bleibt Ihnen erhalten. Im Gegenteil, denn im Lebensmittelhandel scheint „Filialisierung“ – anders als in der Bankbranche – kein Unwort zu sein.

Abbau von Filialen bei Banken und Sparkassen

Der Abbau von Filialen bei Banken und Sparkassen bedeutet weniger persönliche Beratung und Service vor Ort.

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Das ist bei den Banken und Sparkassen schon anders. Da kann das Filialsterben gar nicht schnell genug gehen. So mancher Bankmanager hat seinen Job schon dadurch gerettet, dass er häufig die Worte „Filialen“, „Einsparungen“, „Synergien“ und „Schließungen“ in einem Satz verwendete.

Etwa so: Einsparungen und das Heben von Synergien sind nur durch die Schließungen von Filialen nicht zu bewerkstelligen. Nicht?

Okay, das war wohl nichts! Typisch Old Economy, die zu langfristig und zu nachhaltig denkt.

Die Botschaft muss richtigerweise schon lauten: wir machen Standorte dicht und sparen beim Personal und den Mieten. Solche Inhalte hören vor allem jene gerne, die sich der vordergründigen Effizienz und dem reinen Zahlenmanagement verschrieben haben.

Der Kunde steht weiter an erster Stelle! Oder doch nicht?

Selbstverständlich bekommen Sie, als werter Kunde, von alledem nichts mit. Also fast nichts. Der Servicelevel bleibt unverändert hoch, auch wenn Sie künftig ein paar Schritte mehr zur nächsten Filiale gehen werden müssen. Oder, ehrlich gesagt, in Ihrem speziellen Fall: nehmen Sie doch gleich die Autobahn und schon bei der nächsten Abfahrt…

Scherz beiseite!

Ein paar kleine Opfer muss der Bankkunde natürlich auch bringen. Er hat eben nicht mehr die Bankstelle in der Nähe seiner Wohnung. Na und? Wer benötigt denn im digitalen Zeitalter noch eine Bankfiliale? Und bevor da noch irgendein Miesepeter mit „Nahversorgung“ und „persönlicher Betreuung“ um die Ecke kommt: das ist alles Schnee von gestern! Richtig, das weiße Zeug, das auf den auf den ganz hohen Bergen liegt.

Die moderne Bank ist digital

Die moderne Bank ist digital, ja das Dingens mit den Nullen und Einsern. Der Bankberater der Zukunft lächelt aus dem Computer und skypt mit seinen Kunden. Noch moderner ist es, die Arbeit gleich einem Roboter zu übertragen, denn – Hand aufs Herz und ganz unter uns – der einfache Kunde hat ja auch nur einfache Bedürfnisse. Die Deckungsbeiträge, die wir Banker mit diesen Nullachtfünfzehn-Kunden verdienen, rechtfertigen eben keine menschliche Betreuung. So ist das leider nun mal. Das sagt die Kostenrechnung! Keinesfalls ich als der CEO, der ich die Strategie und die Unternehmensphilosophie vorgebe.

Ich kann da nichts dafür!

Nicht, dass gerade Sie so ein einfacher Kunde wären. Natürlich nicht!  Wenn ich mir allerdings den Nettoertrag aus Ihrer Kundenbeziehung mit unserer Bank ansehe….

Hmmmm. Würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihr Anliegen mit unserer hochentwickelten, sprachgesteuerten Telefonanlage abzuklären?

Und in ein paar Jahren?

Wenn sich ein Kunde in einigen Jahren, sagen wir mal 2025, dennoch in eine der letzten bestehenden Bankfilialen verirren sollte, könnte ihm schon durchaus Unerfreuliches widerfahren.

„Einen wunderschönen guten Morgen!“ Daniel K. betrat schwungvoll und gutgelaunt die Filiale seiner Hausbank. Seine blendende Laune war nachvollziehbar, hatte er doch in der letzten Woche eine nicht unbeträchtliche Summe im Lotto gewonnen.

„Oh Mann,  schon wieder ein Kunde. Jetzt schlägt es aber dreizehn.“ Sabine Z. war trotz der frühen Stunde ziemlich übel gelaunt.

„Was wollen Sie denn?“, setzt sie nicht weniger unfreundlicher nach.

„Muss ich denn keine Nummer ziehen, bin ich schon dran?“ Als Hardcore-Kunde war Daniel das Procedere des „Besuchen-Sie-doch-Ihre-Bankfiliale/Poststelle/Wohlfühlecke(jetzt-neu-mit-Dufterlebnis!)-Konzeptes“ sehr vertraut. Die verbleibenden Bankfilialen waren nun eine Art Erlebniswelt mit Spiel, Spaß und einem Tässchen Kaffee für die Wartenden und – ganz neu – einem Duftgenerator, der sowohl Kunden wie Personal mit angenehmen Gerüchen zu verwöhnen versprach.

Doch der Spaß hatte einen Nachteil: da Bankmitarbeiter an solchen Orten so selten waren wie Beratungspersonal in Baumärkten, mussten die Massen der Kunden gelenkt und gemanagt werden. So wie in modernen Amtsstuben auch üblich, hatten die Kunden eine Nummer zu ziehen und dann in der Spielecke oder beim Kaffeeautomaten, der für nur 50 Cent eine wirklich scheußliche Plörre ausspuckte, darauf zu warten, dass ihre Nummer aufgerufen wurde.

Das Leid der Banker

Doch Daniel schien Glück zu haben.

„Keine Nummer!“, knurrte Sabine wenig freundlich. „Sehen Sie irgendwelche Kunden hier rumtigern?“

„Nö. Aber ich dachte…“

„Na wunderbar! Er denkt! Ein Intellektueller!“, pfauchte die etwas erregte Bankmitarbeiterin. „Hören Sie: tagtäglich kommen Kunden hier rein und wollen dies oder wollen das. Ich habe einen PIN vergessen – uhu! Bitte helfen Sie mir! Oder: Meine Kreditkarte wurde mir gestohlen. Was muss ich denn tun?“

Sabine schnaubte verächtlich!

„Na – besser aufpassen eben! Oder das Muttchen, das unlängst hier mit ihrem Gehstock hereinspaziert ist. Reden wollte sie, nur reden. Ich kenne diese Art von Kunden!“

Sabines Züge wurden etwas weicher und sie bedeutete Daniel, sich zu ihr zu beugen, so als würde sie ihm vertraulich ein Geheimnis weitererzählen.

„Aber da hat sich die alte Dame getäuscht. Ich hab ihr nämlich erzählt, wie es mir hier so geht. Dass wir ständig unterbesetzt sind, meine Kolleginnen und Kollegen immer weiter weg versetzt werden und schlussendlich, wenn wieder einmal eine Filiale geschlossen wurde, dann dem meisten von ihnen die Kündigung ins Haus flattert. Und dass die Armen sich dann in einem Arbeitsmarkt wiederfinden, in dem tausende von Bankangestellten verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber sind.“

Sabine machte eine bedeutungsschwere Pause, ehe sie weiter fortfuhr: „Doch es gibt so gut wie keine Jobs für Bankangestellte im besten Alter! All das weiß man, wenn man in einer Branche wie der meinen arbeitet. Dass man ersetzbar ist, dass man seinen Job an einen Roboter verliert und dass dies alles ziemlich bald passieren wird. Genau das habe ich der alte Dame erzählt.“

„So habe ich die Situation noch nie betrachtet.“, gestand Daniel ein. „Wie hat denn die alte Dame reagiert?“

„Sie meinte, es sei ihr nie klar gewesen, wie gut es ihr ergangen ist. Hat irgendetwas von den guten, alten Zeiten gefaselt. Und mir ihren Stock dagelassen!“

Unvermittelt knallte sie die Gehhilfe vor Daniel auf den Tresen.

Die Lösung ist nah

„Also: was darf ich für Sie tun?“

Plötzlich war da eine Milde in Sabines Augen. Das jahrzehntelange Training in der Kundenbetreuung ließ sich eben nicht verleugnen. Außerdem hatte der Duftgenerator gerade eine wohltuende Dosis an beruhigenden ätherischen Ölen mit der sinnigen Bezeichnung „Wanderung durch den Schwarzwald“ in den Raum abgegeben. Die Wirkung setzte augenscheinlich ansatzlos ein.

„Lottogewinn! Was mach ich denn?“ Daniels Wortgewandtheit und grammatikalische Akkuratesse schien ebenfalls unter der hochkonzentrierten  Benebelung etwas gelitten zu haben.

„Nix Problem.“, meinte die nun herzensgute Bankangestellte mit glänzenden Augen. „Hab ich Sparbuch für Dich! NullKommaFünf Prozent Zinsen, besser nicht geht.“

Diese komplexe Problemlösung, dies musste Daniel neidlos anerkennen, hätte ein Roboter wohl nie geschafft. Er liebte seine Bankfiliale!

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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