Steht der Markt für Online Brokerage vor einer Konsolidierung? Anfang des Jahres verkündete die comdirect die Übernahme von OnVista. Über die Motivation und die weiteren strategischen Pläne sprach ich mit Dr. Sven Deglow, Vorstand der comdirect bank.

Strategien im Direct Brokerage

Die Übernahme von Wettbewerbern ist eine gängige Strategie im Direct Brokerage

Partner des Bank Blogs

Der Markt im Online-Brokerage ist hart umkämpft. Traditionell werden für Neukunden hohe Vermittlungsprovisionen bezahlt. Es scheint schwer, seinen Kundenstamm organisch zu erweitern, will man nicht reines Preismarketing betreiben. Anfang des Jahres verkündete die comdirect bank AG die Übernahme der OnVista Group AG, zu der die OnVista Bank GmbH und die OnVista Media GmbH (mit dem Finanzportal onvista.de) gehören.

Die OnVista Bank betreute per Ende 2016 insgesamt rund 98.000 Kunden sowie 2,5 Milliarden Euro Kundenvermögen. Die Kundengesamtzahl der comdirect Gruppe betrug Ende April 2017 3,1 Mio. und das betreute Kundengesamtvermögen lag im bei 81,01 Mrd. Euro.

Interview mit Dr. Sven Deglow, Vorstand der comdirect bank

Über die Marktbedingungen im Online Brokerage, die Hintergründe der Übernahme von onvista sowie die weiteren strategischen Pläne mit Bank und Portal habe ich mich ausführlich mit Dr. Sven Deglow unterhalten. Er ist seit 2008 bei der comdirect und seit 2015 als Vorstand für Marketing, User Interface und die Marktbereiche Banking, Investing und Trading verantwortlich. Nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität in Potsdam und anschließender Promotion war Deglow in unterschiedlichen Funktionen u.a. für die LBS, Arcor und McKinsey tätig.

Dr. Sven Deglow ist Marketing- und Vertriebsvorstand der comdirect bank

Der harte Wettbewerb im Online Brokerage fordert ständig neue Ideen

Der Bank Blog: Im Markt für Online Brokerage herrscht traditionell ein hoher Wettbewerbsdruck. Durch die Zinspolitik der EZB gibt es mit Einlagen und im Eigengeschäft nichts mehr zu verdienen. Die BaFin hat den Handel mit CFDs mit Nachschusspflicht verboten und damit eine nicht unwichtige Ertragsquelle geschlossen. Wo und wie kann man im Online-Brokerage zukünftig noch nachhaltig Geld verdienen?

Sven Deglow: In der Tat, die Zeiten sind nicht einfach. Im CFD-Bereich erwarten wir allerdings keine großen Ertragsrückgänge. Wir verfügen hier über ein recht breites Produktspektrum und werden neue Modelle ergänzen und anbieten. Der Negativzins für Banken stellt eine deutlich größere Herausforderung dar.

Auch im Online Brokerage müssen sich Banken auf die Suche nach neuen Erlösquellen begeben. Wir sind davon überzeugt, dass die Geldanlage der Zukunft digital funktionieren wird. Vor kurzem haben wir mit cominvest einen digitalen Asset Manager vorgestellt, der von unseren Kunden sehr gut angenommen wird. Wir sehen uns hier gut aufgestellt und wollen in den nächsten Jahren in diesem Bereich weiter wachsen.

Der Bank Blog: Landauf-Landab zeigen verschiedene Studien, dass sich die Deutschen trotz Niedrigzinsen unverändert mit Alternativen zum Kontensparen schwer tun. Wie und in welchem Maße gelingt es Ihnen, diese Kunden von einer Anlage in Aktien oder Fonds zu überzeugen?

Sven Deglow: Es stimmt, dass Deutschland keine entwickelte Aktienkultur hat. Wir haben daher vor einigen Jahren gemeinsam mit anderen Direktbanken die Aktion „Pro Aktie“ ins Leben gerufen. Wir wollen damit Vorbehalte abbauen und unseren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen optimale Entscheidungen treffen, wenn es um Themen wie Geld und Vorsorge geht.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir zudem bei comdirect eine Vielzahl an Angeboten geschaffen, um Sparern den Einstieg in die Anlage in Wertpapiere zu erleichtern und damit Provisionserlöse zu generieren. So wurde unser Angebot zum Wertpapiersparen deutlich vereinfacht und attraktiver gestaltet. Kunden können heute bereits ab 25 Euro im Monat in einen Wertpapiersparplan investieren.

Im vergangenen Jahr haben wir mit dem Bonus-Sparen ein weiteres interessantes Produkt geschaffen. Kunden erhalten für jeden Einkauf und jede Reisebuchung bei unseren Online-Partnershops einen Bonus. Die gesammelten Gutschriften werden automatisch in einem ETF angelegt. Wir sehen dort auch Kunden, die bislang kein Depot hatten und stellen fest, dass diese beginnen, weitere Wertpapiere zu kaufen.

Die bisherigen Erfahrungen machen uns zuversichtlich, dass dieser niedrigschwellige Einstieg in das Wertpapiergeschäft gelingen kann. Die neuen Angebote, kombiniert mit dem entsprechenden Wachstum, ergeben dann in Zukunft die notwendigen Erträge.

Der Bank Blog: So richtig Spaß machen im Brokerage aber doch vor allem Kunden, die regelmäßig Wertpapierumsätze tätigen, sei es vom Gelegenheitsanleger mit 3-5 Wertpapierorders p.a., über den regelmäßigen Anleger mit 20-40 Orders p.a. bis hin zum Heavy-Trader mit mehreren Hundert Aufträgen p.a.. Wie gelingt es Ihnen, Kunden in diese Bereiche hinein zu entwickeln?

Sven Deglow: Wir sind hier gut unterwegs. Wie vorhin bereits erwähnt, bieten wir zahlreiche niedrigschwellige Angebote für die Geldanlage in Wertpapiere, zum Beispiel Wertpapiersparpläne und das Bonus-Sparen. Auch mit cominvest bieten wir einen guten Einstieg in die Geldanlage mit Wertpapieren. Wir wollen die Menschen so Schritt für Schritt an die Geldanlage mit Wertpapieren heranführen.

Für die Übernahme von onvista waren zwei Gründe ausschlaggebend

Der Bank Blog: Mit der Übernahme der onvista Bank zu Beginn des Jahres haben sie rund 100.000 neue Kunden hinzugewonnen. Wenn man inaktive Kunden und solche, die mit beiden Instituten zusammenarbeiten abzieht, werden für comdirect vermutlich nur rund 50.000 echte Neukunden dabei sein. Ist das bei einem Bestand von über drei Millionen Kunden nicht lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Sven Deglow: Die Zahlen zu den Neukunden kann ich nicht kommentieren. Wie Sie schon gesagt haben, ist der Markt sehr wettbewerbsintensiv. Durch den Kauf stärken wir unsere Marktposition als Marktführer Brokerage und positionieren uns noch weiter als erste Adresse für Sparen, Anlegen und Handeln mit Wertpapieren. Die onvista bank verfügt über sehr trading-affine Kunden, was wir jetzt in den Zahlen auch so sehen. Mit dem Mediaportal erhalten wir zudem eine optimale Plattform für Informationen rund um Finanzen und zur Vermarktung sowie zur Neukundengewinnung. Dieses Gesamtpaket hat uns überzeugt.

Der Bank Blog: In der comdirect hatten Sie aber doch bereits eine trading-affine Kundengruppe?

Sven Deglow: Das stimmt, aber die Überschneidungen innerhalb dieser Kundengruppe waren gering.

Der Bank Blog: Verraten Sie, was Sie pro Bankkunde bezahlt haben?

Sven Deglow: Nein.

Der Bank Blog: Schade. Dann versuche ich mal eine Rechnung: Im Markt werden bis zu 300 Euro für neue Brokerage-Kunden bezahlt. Bei 100.000 Kunden wären das 30 Mio. Euro. Dazu kommt das Finanzportal mit sagen wir mal 15 Mio. Euro. Macht zusammen 45 Mio. Euro. Bei einem Aufschlag von 10-20 Prozent sind wir bei einem Kaufpreis zwischen 50 und 55 Mio. Euro. Was meinen Sie?

Sven Deglow: Das ist eine spannende Rechnung. Ich bitte aber um Verständnis, dass wir mit Boursorama vereinbart haben, keine Informationen zum Kaufpreis zu kommunizieren. Wir haben aber so kalkuliert, dass der Preis den Kauf rechtfertigt.

Der Bank Blog: Ihr Wettbewerber Frank Niehage, CEO der FinTech Group, sagte vor kurzem im Bank Blog Interview, dass ihm OnVista im Endeffekt zu teuer gewesen sei. Warum war es für die comdirect nicht zu teuer?

Sven Deglow: Uns hat das Angebot aus onvista Bank mit deren trading-affinen Kunden und dem Portal onvista.de überzeugt.

Comdirect und onvista bilden ein starkes Marken-Duo

Der Bank Blog: Wie sehen Ihre strategischen Überlegungen zur Bank aus?

Sven Deglow: Mit Blick auf den Markt stellen wir fest, dass es unterschiedliche Zielgruppen gibt, die sich hinsichtlich Preisbereitschaft, aber auch hinsichtlich ihrer Erwartungen in Bezug auf Service und Leistungsangebot deutlich unterscheiden. Diese unterschiedlichen Bedarfe können und wollen wir mit den jetzt zwei Angeboten bedienen. Das unterschiedliche Service- und Leistungsportfolio wird uns dabei unterstützen, unsere zukünftigen Wachstumsziele zu erreichen. Mit der onvista bank wollen wir vor allem die Zielgruppe der trading-affinen Kunden weiter erschließen.

Der Bank Blog: Mit anderen Worten: Die onvista-Bank ist der Nukleus für Heavy-Trader Kunden und die comdirect die Bank für den eher Anlage-orientierten Kunden?

Sven Deglow: Unsere Strategie ist es, ein Angebot für Anlegen und Handeln bereit zu stellen. Das Anlageuniversum der comdirect bietet speziell für den Langfristanleger das bessere Angebot. Aber auch unter unseren 1 Mio. Depotkunden gibt es ein aktives Trader-Segment.

Der Bank Blog: Die onvista Bank GmbH soll auf die comdirect verschmolzen werden und damit nur noch als Markenname weiterbestehen. Werden Sie die Banklizenz einfach zurückgeben oder im Markt verkaufen?

Sven Deglow: Wir geben Sie zurück. Die Verschmelzung ist eher ein formaler Akt. Wir sparen uns so zwei Banklizenzen und werden vor allem im regulatorischen Berichtswesen deutliche Einsparungen realisieren.

Der Bank Blog: Die IT-Systeme inkl. CRM der onvista Bank liegen in Frankreich. Werden Sie auf das comdirect-System umstellen?

Sven Deglow: Nein, wir werden die IT-Systeme der onvista bank aus der aktuellen Umgebung in Frankreich herauslösen und weiterhin nutzen.

Der Bank Blog: Das bedeutet, dass es zwei parallele Systeme in der comdirect geben wird. Ist das nicht teuer?

Sven Deglow: So wie es geplant ist, ist der Mehraufwand vertretbar.

Der Bank Blog: Wie sieht es mit Leistungen und Preisen aus? Werden diese vereinheitlicht? Oder wollen Sie die Marke onvista mit dem gesamten Leistungs- und Preis-Spektrum weiterhin aufrechterhalten?

Sven Deglow: Es gibt derzeit keine Überlegungen, die Preismodelle anzupassen.

Der Bank Blog: Und die zwei Standorte?

Sven Deglow: Wir führen keine Standortdiskussion.

Der Bank Blog: Worauf müssen sich die onvista Kunden einstellen?

Sven Deglow: Für die onvista-Kunden bringt die Verschmelzung keine unmittelbaren Veränderungen mit sich. IBAN, Zugangsdaten und auch das Webportal bleiben bestehen.

Direct Broker müssen mehr bieten als nur gute Preise

Der Bank Blog: Der Wettbewerb im Online Brokerage wird (auch) stark über den Preis geführt. Ihr Wettbewerber Flatex berechnet seinen Kunden fünf Euro börslich und 5,90 Euro außerbörslich. onvista (ohne FreeBuys) 5,99 zuzüglich 0,23 % des Ordervolumen. Sie verlangen mindestens 9,90 Euro je Order. Wohin werden sich die Preise in den nächsten zwei bis drei Jahren entwickeln?

Sven Deglow: Wir bieten für den Preis auch entsprechenden Service, ein umfassendes Leistungsspektrum, 24/7-Verfügbarkeit und ein breites mobiles Angebot. Zudem bieten wir spezielle Produktangebote – wie z.B. unsere traditionelle 3,90-Aktion – zu sehr attraktiven Preisen an.

Neue Anbieter gehen sehr preisaggressiv in den Markt. Das muss man sich leisten können. Die Herausforderung für die etablierten Player besteht u.a. darin, die Kunden zu überzeugen, dass das Produkt- und Serviceangebot diese Preise rechtfertigt.

Der Bank Blog: Planen Sie für die Zukunft weitere strategische Übernahmen?

Sven Deglow: Wir haben die Kraft, organisch zu wachsen, beobachten den Markt aber natürlich aufmerksam.

Der Bank Blog: Gibt’s noch welche, die interessant wären?

Sven Deglow: Wir sehen uns aktuell sehr gut aufgestellt.

Der Bank Blog: Könnte das Ausland für Sie wieder interessant werden?

Sven Deglow: Wir verfolgen die Aktivitäten unserer Wettbewerber mit großem Interesse, haben aber derzeit keine eigenen Planungen in diese Richtung.

Wir wollen die Nummer Eins bei Finanzportalen werden

Der Bank Blog: Zusammen mit der Bank haben Sie das Finanzportal Onvista.de erworben, das mit fast 50 Mio. Seitenaufrufen bei rd. 8 Mio. Besuchen im Monat etwa halb so groß ist, wie der Marktführer finanzen.net. Die goldenen Zeiten für Finanzportale liegen schon eine Weile zurück. Zudem verfügen Sie mit dem Informer bereits über ein eigenes Finanzportal. Was sind Ihre Pläne mit Onvista.de? Wird es eine Zusammenlegung geben?

Sven Deglow: Das Portal ist aus unserer Sicht ein spannendes Asset. Gemeinsam mit unserem Informer verfügen wir damit nun über eine deutlich erhöhte Reichweite im Medienbereich. Nach derzeitiger Planung werden beide Portale weiter bestehen. Wir wollen sie gemeinsam ausbauen und gleichzeitig Synergien nutzen. Für die Zukunft erwarten wir im Bereich Content noch spannende Entwicklungen.

Der Bank Blog: Wollen Sie weitere Portale hinzukaufen?

Sven Deglow: Derzeit haben wir keine Ambitionen in diese Richtung.

Der Bank Blog: Welche Möglichkeiten der Entwicklung der Portale sehen Sie?

Sven Deglow: Wir wollen die Börsenportale in Richtung eines Finanzportals weiterentwickeln. Unser Ziel ist es, in diesem Bereich die Nummer Eins zu werden.

Der Bank Blog: Bedeutet „Weiterentwicklung als Finanzportal“, dass Sie in Wettbewerb zu Check24 und anderen Anbietern treten wollen?

Sven Deglow: Wir haben einige Ideen im Köcher, welche unsere Portale attraktiver machen werden.

Der Bank Blog: Die HypoVereinsbank hat vor kurzem eine Kooperation mit MoneyMap vorgestellt, bei der Kunden ihre Ausgaben analysieren können und z.B. Vorschläge zum Wechsel des Stromanbieters erhalten. Denken Sie auch an solche Ansätze?

Sven Deglow: Wir diskutieren immer wieder mögliche Mehrwertangebote für unsere Kunden, haben aber aktuell keine derartigen Produkte in Planung.

Der Bank Blog: Mit anderen Worten: Der Schwerpunkt bei der Weiterentwicklung der Finanzportale liegt auf Angeboten rund um das Thema Finanzdienstleistung?

Sven Deglow: Ja, dort sind wir zuhause und hier bieten sich auch noch interessante Möglichkeiten.

Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.