Der digitale Euro: Luftschloss-Währung vorbei am Bürger

Währungswettbewerb statt digitalem Euro

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Die Entwicklung des digitalen Euro nimmt Fahrt auf. Im zweiten Quartal 2023 will die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag zum digitalen Euro veröffentlichen und im Herbst entscheidet die EZB, ob er realisiert wird. Sein Nutzen ist bis heute fraglich.

Europäische Zentralbank, Bitcoin und digitaler Euro

Die Europäische Zentralbank tut sich schwer mit der Einführung eines digitalen Euro.

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Seit gut vier Jahren wird über eine Operation am offenen Herzen unseres Geldsystems diskutiert, die weder lebensrettend noch von Nutzen ist. Mit dem digitalen Euro, einer dritten Geldform neben Bar- und Giralgeld, setzt die EZB an zum großen Innovationssprung – und versäumt es bis jetzt, den wirklichen Mehrwert für den Bürger aufzuzeigen. Kredit- und Girokarten zeigen, dass im Euroraum digitale und für den Endnutzer kostenlose Zahlungen bereits möglich sind.

Was wir bräuchten, sind Lösungen für Machine-to-Machine-Zahlungen, die die EZB mit dem digitalen Euro aber nicht anbieten will. Stattdessen überwiegen die Gefahren des digitalen Euro. Die Zukunft des Geldes lässt sich nur im Wettbewerb finden und die Politik sollte höchstens ihre Unterstützung als Standardsetzer anbieten.

Erkundungsphase des digitalen Euros: Ein steiniger Weg

Seit 2018/2019 wird in der Literatur und bei der EZB über den digitalen Euro – öffentlich zugängliches Zentralbankgeld, sogenanntes retail CBDC (rCBDC) – diskutiert. Die Diskussion kam nicht aus dem Nichts, forschte die People’s Bank of China doch bereits seit 2014 an einem eYuan. In China laufen bereits 98 Prozent aller Zahlungen digital über WeChat Pay und Alipay.

Warum hat die chinesische Zentralbank dann einen eYuan eingeführt? Ein Grund mag sein, dass die Zentralbank bei schwindender Bargeldnutzung durch CBDC versucht, die geldpolitische Hoheit zu bewahren. Ein zweiter Grund ist, dass Transaktionsströme einfacher analysiert und kontrolliert werden können. Tencent (WeChat Pay) und Alibaba (Alipay) haben kein intrinsisches Interesse daran, die Daten an die Regierung herauszugeben, sind aber gesetzlich dazu verpflichtet, wenn Behörden dies verlangen.

Europa und China: Ungleicher Wettbewerb

Nun ist Europa nicht China und das Motiv der Transaktionsüberwachung mag hierzulande nicht ausgeprägt sein. Im Motiv der Bewahrung des Zentralbankgeldes als monetärer Anker mögen beiden Zentralbanken jedoch übereinstimmen. Zudem will man sich in Europa unabhängiger von amerikanischen Zahlungsanbietern wie VISA, Mastercard oder PayPal machen.

So edel diese Motive sein mögen, so werden sie nicht zur Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung führen. Wir können hier von China und Nigeria lernen: Sowohl der eYuan als auch der eNaira sind bis dato ein Flop und werden trotz großzügiger Geschenke der jeweiligen Regierung nicht genutzt. Die Zentralbank Nigerias schränkte als Reaktion die Bargeldnutzung ein, nur noch 45 US-Dollar konnten pro Tag abgehoben werden. Das Resultat war, dass die Bevölkerung intensiv in Bitcoin investierte, was den Preis kurzfristig auf über 60.000 US-Dollar in Nigeria schießen ließ. Ich befürchte, ein digitaler Euro wird auch ein Flop – insbesondere, wenn man von EZB-Vertretern vorsichtig geäußerte Designkriterien evaluiert.

Digitaler Euro: Kleine Zahlungen und zentralisiert

Vor einigen Wochen veranstaltete die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Blockchain-Roundtable zum digitalen Euro mit etwa 130 Teilnehmern aus der Blockchain- und Paymentbranche Deutschlands. Interessant waren die Äußerungen von Seiten der EZB, wie ein digitaler Euro gestaltet sein könnte. So könnte er ein Haltelimit haben; manche vermuten 3.000 Euro. Wird das Haltelimit überschritten, wird der überschüssige Betrag automatisch in Giralgeld konvertiert. So will die Zentralbank eine Disintermediation – ein Verdrängen – der Geschäftsbanken verhindern.

Der digitale Euro basiert vermutlich nicht auf einer dezentralen Technologie wie der Blockchain. Zudem wird wahrscheinlich auch keine anonyme Zahlungsmöglichkeit implementiert, weil dann Geldwäsche schwer zu unterbinden wäre. Der digitale Euro wird also kein digitales Bargeld.

Fraglicher Mehrwert, aber Gefahren für das Geldsystem und den Endnutzer

Der digitale Euro wird vermutlich eine digitale Zahlungsmethode, von denen bereits Dutzende existieren, die aber nur für kleine Zahlungen verwendbar ist. Zentralisierte Datenbank und kein Anonymitätsfeature – so wird der digitale Euro ein Rohrkrepierer, weil Bürger nach Convenience, Einsetzbarkeit und Vertrauen entscheiden. Kein Bürger wird ein Zahlungsmittel verwenden, weil „es die monetäre Souveränität“ sichert.

Beim digitalen Euro handelt es sich um ein Prestigeprojekt der EZB. Ein Prestigeprojekt, das im politischen Prozess aufgehalten werden muss. Denn die Gefahren eines digitalen Euros sind nicht zu unterschätzen. Zum ersten wäre die Einführung eines digitalen Euros eine offene Operation am Herzen unseres Geldsystems. Zwar bemüht sich die EZB, den digitalen Euro und die Bedrohung für die Banken kleinzureden. Eine Studie des Bundesverbands deutscher Volks- und Raiffeisenbanken unter 714 Instituten zeigt jedoch, dass auch bei einer Obergrenze von 3.000 Euro nur noch 56 Institute den gesetzlich vorgeschriebenen Liquiditätspuffer halten würden.

Transformation des Geldsystems und Einfallstor für Überwachung

Zum zweiten kann die Einführung des digitalen Euros ein erster Schritt in ein Vollgeldsystem sein. Im Vollgeldsystem steuert die Zentralbank die Geldmenge direkt. Im Teilreservesystem, unserem jetzigen System, steuert die Zentralbank die Geldmenge indirekt über den Leitzins, die Mindestreserven und die Offenmarktgeschäfte. Im Wettbewerb kennen Banken und Sparkassen den Liquiditätsbedarf der Unternehmen jedoch besser, als eine zentrale Instanz es je könnte. Wir brauchen kein zentralisierteres, sondern ein dezentralisierteres Geldsystem.

Zum dritten könnte der digitale Euro Tür und Tor für den Überwachungsstaat patriarchalischer Natur öffnen. Seit einigen Jahrzehnten erstreckt sich der lange Arm der Regierung immer weiter ins Privatleben der Menschen hinein. Es ist daher keine Dystopie, wenn mittels programmierbarer Zahlungen in digitaler Währung künftig Regierungen auf die Idee kommen könnten, gesunde, beziehungsweise erwünschte Produkte automatisch mit einem Rabatt zu hinterlegen.

Hoffentlich unrealistisch, aber denkbar wäre auch die Möglichkeit, dass das Kaufverhalten direkt an die Krankenkassen übermittelt wird. Nicht nach den politischen Vorstellungen lebende Menschen könnten dann automatisch gezwungen sein, höhere Krankenkassenbeiträge zu zahlen.

Tokenisiertes Geld und Wettbewerb

Wir brauchen tokenisiertes Geld auf der Blockchain. Gerade im Zusammenspiel mit der Industrie kann das Effizienzen heben und den Übergang in eine automatisiertere Wirtschaft begleiten. Es bedarf aber ganz anderer Haltelimits als 3.000 Euro; ein digitaler Euro ist hier nutzlos. Vielmehr müsste sich im Wettbewerb herausstellen, welche Geldform in welcher Deckung den Bedarf der Gesellschaft am besten bedient. Der digitale Euro ist ein Antagonismus zu Währungswettbewerb und Freiheit.

Über den Autor

Frank Schäffler

Frank Schäffler ist FDP-Bundestagsabgeordneter und Geschäftsführer des Berliner Thinktanks Prometheus - Das Freiheitsinstitut. Der Industriekaufmann und Diplombetriebswirt ist Mitglied des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für Digitales und Sprecher für FinTech- und Blockchain-Innovationen der FDP-Fraktion.

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