Dass ein digitaler Euro kommt, steht außer Zweifel. Nun hat die EU-Kommission einen konkreten Entwurf veröffentlicht. Über die Inhalte, die Kritik daran und einen möglichen Starttermin habe ich mit dem ehemaligen Bundesbankvorstand Andreas Dombret gesprochen.
Nach einer Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich arbeiten weltweit 90 Prozent der Notenbanken an Projekten zur Einführung von digitalem Zentralbankgeld. Bis 2030 könnten so 24 staatliche Digitalwährungen existieren.
Die EU-Kommission hat kürzlich ihren Vorschlag zur Schaffung eines digitalen Euros vorgelegt, der Verbrauchern und Unternehmen eine zusätzliche Option für Geld- und Zahlungsdienste bieten soll. Die rechtlichen Grundlagen wurden bereits präsentiert, doch so richtig begeistert sind die Akteure bislang nicht. Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen, wie erste Stellungnahmen zeigen.
Nun liegt es an den EU-Staaten und dem EU-Parlament, sich mit diesem Vorschlag auseinanderzusetzen. Gemäß den Plänen der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte der digitale Euro in drei oder vier Jahren als offizielles Zahlungsmittel eingeführt werden.
Interview mit Prof. Dr. Andreas Dombret
Über die Hintergründe und Perspektiven des digitalen Euro habe ich mich mit Prof. Dr. Andreas Dombret unterhalten. Das ehemalige Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank ist in einer Vielzahl von Ausschüssen sowie in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen tätig, u.a. als Global Senior Advisor für Oliver Wyman.
Der digitale Euro ist von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs
Der Bank Blog: Können Sie für die Leser kurz die wesentlichen Inhalte des jetzigen Vorschlags für den digitalen Euro charakterisieren?
Andreas Dombret: Das tue ich sehr gerne, denn Ihre Frage ist von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs. Sage und schreibe 115 Zentralbanken beschäftigen sich zurzeit mit digitalem Zentralbankgeld, und knapp ein Duzend von ihnen haben sogar bereits digitale Prototypen eingeführt. Der digitale Euro könnte recht zügig auch in der Eurozone zum Einsatz kommen und die Art und Weise, wie in Europa bezahlt wird, regelrecht revolutionieren.
Die EU-Kommission hat daher kürzlich einen Gesetzesvorschlag zur Einführung von digitalem Zentralbankgeld vorgelegt, der dem Projekt den nötigen rechtlichen Rahmen geben soll. Die Gemeinschaftswährung könnte hierdurch auch in digitaler Form zum gesetzlichen Zahlungsmittel werden. Die Entscheidung, ob es zur Einführung des digitalen Euro kommt bzw. wie er schlussendlich ausgestaltet sein wird, liegt zum einen bei der Europäischen Zentralbank, aber auch bei der Politik, namentlich dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament.
Zunächst wird aber die EZB im Herbst beraten und entscheiden, ob sie eine weitere Vorbereitungsphase startet. Dem ist in den vergangenen rund zwei Jahren eine ausführliche Untersuchungsphase der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken in der Eurozone vorausgegangen, in der man sich weitgehende Gedanken zur technischen Ausstattung, zum Design und zur möglichen Verteilung eines digitalen Euro gemacht hat. Bei der im Herbst anstehenden EZB-Entscheidung geht es nun z.B. um die Frage, wie hoch der Betrag an digitalen Euros sein soll, den ein Bürger in seiner digitalen Wallet maximal halten kann. Außerdem ist in der ausführlichen Vorbereitungsphase noch detailliert festzulegen, inwieweit mittels des digitalen Euro anonyme Zahlungen möglich sein werden oder nicht. Die potentielle digitale Währung muss aber nicht nur final entwickelt, sondern vor Einführung auch noch nachhaltig getestet werden.
Sie sehen: Es steht somit nicht nur die Grundsatzentscheidung der Zentralbank aus, sondern viele wichtige Details und technische Fragen sind ebenfalls noch offen. Die gilt es abzuwarten, bevor man sich als Außenstehender ein endgültiges Urteil erlauben kann.
Ein digitaler Euro soll das Bargeld ergänzen
Der Bank Blog: Welche Auswirkungen würde ein digitaler Euro auf den Alltag und die täglichen Finanztransaktionen haben?
Andreas Dombret: Ganz wichtig erscheint mir darauf hinzuweisen, dass ein digitaler Euro die Nutzung von Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen darf und soll. Bargeld wird es in jeden Fall auch in Zukunft ohne Einschränkung weiterhin geben. Ab Einführung würde digitales Zentralbankgeld den Bürgern optional und zusätzlich zu Bargeld zur Verfügung stehen.
Es geht bei diesem Projekt also um einer Erweiterung des bereits heute von Zentralbanken bereitgestellten Geldes um eine digitale Version, und zwar hauptsächlich zu Zwecke des Zahlungsverkehrs. Aufgrund einer Verknüpfung mit der Instant Payment-Struktur der EZB wird der digitale Euro nämlich in die Bezahlfunktion einbezogen werden können.
Der Bank Blog: Soll der digitale Euro von der Europäischen Zentralbank reguliert und kontrolliert werden?
Andreas Dombret: Ja, da haben Sie natürlich recht: Jede Zentralbank, die zusätzlich zu Bargeld eine digitale Währung emittiert, wird auch vollumfänglich für ihre Überwachung und Kontrolle zuständig sein. Wie könnte es auch anders sein…
Digitales Zentralbankgeld regt Wettbewerb und Innovation an
Der Bank Blog: Wo sehen Sie die wichtigsten Vorteile gegenüber bisherigen Bezahllösungen für die Verbraucher?
Andreas Dombret: Der Trend zur Digitalisierung beeinflusst fraglos unsere Volkswirtschaften in ganz fundamentaler Art und Weise. Dies schließt ein grundsätzlich verändertes Zahlungsverhalten ein, und hierauf muss eine Zentralbank reagieren, will sie am Puls der Zeit und des Fortschritts bleiben. Bitte bedenken Sie, dass der Einsatz elektronischen, bargeldlosen Bezahlens durch die Pandemie noch einmal zusätzlich verstärkt worden ist.
Digitales Zentralbankgeld regt den heute schon bestehenden Wettbewerb im Zahlungsverkehr weiter an, was in der Regel zu Preissenkungen beiträgt. Außerdem werden wichtige und notwendige Innovationen im Zahlungsverkehr durch „Central Bank Digital Currencies (CBDCs)“ weiter vorangetrieben.
Eine erfolgreiche digitale Zentralbankwährung stellt eine vollelektronische Lösung für Zahlungen dar, die überall – also auch grenzüberschreitend – kostenlos genutzt werden kann und so ausgestaltet sein muss, dass sie einfach in ihrer Handhabung ist. Beim digitalen Euro ist z.B. geplant, dass Bezahlen nicht nur online, sondern jederzeit auch offline möglich sein soll.
Der digitale Euro ermöglicht mehr Sicherheit und Integrität
Der Bank Blog: Und welche Vorteile ergeben sich für die Banken?
Andreas Dombret: Durch die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung im Euroraum würde die Sicherheit und Integrität unseres bestehenden Zahlungssystem nachhaltig aufgewertet und verbessert. Dies stellt nach meiner Überzeugung einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dar.
Die vorgesehene, aber noch nicht festgelegte Begrenzung der Guthaben, die in digitaler Zentralbankwährung von jedem Bürger gehalten werden darf, soll dabei helfen, signifikante Abflüsse von Bankeinlagen zu vermeiden. Nichts desto trotz steht beim digitale Euro aber die konkrete Gefahr im Raum, dass die Einlagenbasis der Banken und Sparkassen zumindest teilweise durch einen digitalen Euro gefährdet wird. Insofern erwarte ich eine rege und in der Sache auch berechtigte Diskussion über die Höhe der Guthaben, die in digitaler Währung pro Person zugelassen werden sollen.
Es ist an der Zeit, Bargeld an das neue digitale Zeitalter anzupassen
Der Bank Blog: Wie beurteilen Sie die Akzeptanz für einen digitalen Euro bei den zukünftigen Nutzern, also Verbrauchern und Unternehmen?
Andreas Dombret: Die Frage nach dem Mehrwert eines digitalen Euro ist nach meiner Einschätzung noch lange nicht zur Zufriedenheit Aller beantwortet. Hier bedarf es noch sehr viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit.
In diesem Zusammenhang spielen Fragen zur Datensicherheit eine ganz erhebliche Rolle. Gleiches gilt auch für den Datenschutz im Falle eines digitalen Euro. Nach meiner Einschätzung wird die EZB dem Schutz der Privatsphäre eines jeden Einzelnen allergrößte Bedeutung zumessen. Dies ist auch richtig so und nicht zuletzt für die Akzeptanz des digitalen Euros als Zahlungsmittel von zentraler Bedeutung.
Der Bank Blog: Der Vorschlag hat ja unisono bei Verbraucherverbänden, der Politik aber auch bei in der Finanzbranche auch viel Kritik bzw. Bedenken hervorgerufen. So wird zum Beispiel ein Aushöhlen des Bargeldes befürchtet. Teilen Sie diese Befürchtung?
Andreas Dombret: Nein, das tue ich nicht. Es ist an der Zeit, Bargeld zu modernisieren und an das neue digitale Zeitalter anzupassen. Ich empfinde es schlicht als einen Fortschritt, in Zukunft frei zwischen Euro-Cash und einem digitalen Euro wählen zu können und nicht nur auf private Anbieter digitaler Zahlungsmethoden angewiesen sein zu müssen. Die berechtigten Interessen der Verbraucher und der Banken müssen aber angemessene Berücksichtigung finden und in das endgültige Design eines digitalen Euro einfließen.
Der digitale Euro benötigt einen Mehrwert
Der Bank Blog: Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass digitales Geld nur für eine Minderheit relevant sei und die finanzielle Inklusion bedrohe. Verbraucherverbände und Politiker verweisen zudem darauf, dass mit dem digitalen Euro ein Mehrwert für die Bürger verbunden sein muss, was im derzeitigen Entwurf nicht der Fall sei. Berechtigt?
Andreas Dombret: Was die fehlende finanzielle Inklusion anbetrifft, teile ich die Kritik nicht. Im Gegenteil: Vor allem die junge Generation wird durch einen digitalen Euro deutlich besser einbezogen, als Bargeld dies je leisten kann.
Was den Mehrwert angeht, stimme ich Ihnen allerdings zu – den braucht es auf jeden Fall, und zwar in überzeugender Art und Weise. Gewisse Vorteile eines digitalen Euro zeichnen sich bereits ab, aber abschließend beurteilen kann man dies erst, wenn Design, technische Ausstattung und Verteilung eines digitalen Euro größtenteils feststehen.
Europa muss bei digitalem Zentralbankgeld mitziehen
Der Bank Blog: Zu guter Letzt gibt es auch Zweifel an der Notwendigkeit von digitalem Zentralbankgeld. Es sei damit kein zusätzlicher Nutzen für die Anwender verbunden. Die bisherigen Möglichkeiten, Geld zu transferieren seien ausreichend. Wie ist Ihre Meinung hierzu?
Andreas Dombret: Es liegt in unserem Interesse, nicht zuzulassen, sondern zu verhindern, dass andere Zentralbankwährungen am Euroraum vorbeiziehen und wir auf diese Weise in ein strategische Hintertreffen geraten. Der Euro ist nach dem US-Dollar eindeutig die Nummer 2 der weltweiten Reservewährungen, und dies muss bewahrt, wenn nicht gar ausgebaut werden. Darüber hinaus ist es für die Souveränität unserer Währung essentiell, eine staatliche Alternative zu den privaten Anbietern zu entwickeln, ohne die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten in irgendeiner Form zu lenken oder einzuschränken.
Der Bank Blog: Zweifelsohne wird die Einführung eines digitalen Euro auch mit hohen Kosten verbunden sein, sowohl für die Banken als auch für die EZB selbst, also für den Steuerzahler. Sind diese durch den zukünftigen Nutzen zu rechtfertigen?
Andreas Dombret: Für die große Mehrheit der Konsumenten steht seit Langem fest: Es ist vor allem Zentralbankgeld, dass unser Vertrauen in alle Formen von Geld trägt und stärkt. Dieses Vertrauen ist für die Stabilität unseres Zahlungsverkehrs einerseits und für seine Widerstandsfähigkeit andererseits von allergrößtem Nutzen und Vorteil. Und dies rechtfertigt meiner Meinung nach zu einem gewissen Maße auch Steuergelder, allerdings nicht unbegrenzt. Insofern ist hohe Transparenz bei den Kosten eine Notwendigkeit.
Der digitale Euro kommt spätestens zum 1.1.2028
Der Bank Blog: Wann erwarten Sie den offiziellen Startschuss für den digitalen Euro?
Andreas Dombret: Das hängt nicht zuletzt vom Verlauf der Prüfungsphase ab, die im Falle einer positiven EZB-Entscheidung unmittelbar im Herbst diesen Jahres beginnen würde. Wenn alles gut und ohne allzu große Überraschungen verläuft, könnte ich mir vorstellen, dass der digitale Euro spätestens zum 1.1.2028 Wirklichkeit werden kann, also in rund 4 1/2 Jahren, vielleicht auch ein wenig früher. Aber bei allen wichtigen Neueinführungen gilt aber auch in diesem Fall: Gründlichkeit geht eindeutig vor Schnelligkeit. Und alle Interessen müssen gehört und fair abgewogen werden.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.