Digitales Identitätsmanagement gewinnt für Banken zunehmend an Bedeutung, besonders für ein kundenfreundliches Onboarding. Wie dies mit Künstlicher Intelligenz wirkungsvoll unterstützt werden kann, erläutert Bennet Jürgens, Gründer und CEO des FinTechs Nect im Interview.
FinTechs sind im Kommen, digitale Prozesse im Finanzsektor hinken jedoch noch immer hinterher. Doch spätestens, seit persönliche Kontakte minimiert werden müssen, kommen auch Banken nicht mehr drum herum, ihren Kunden möglichst viele Abläufe digital anzubieten. Dies beginnt bereits beim ersten Eindruck: einem einfachen, effizienten Onboarding. Dazu zählt auch eine nutzerfreundliche und skalierbare Identitätsfeststellung.
Interview mit Benny Bennet Jürgens – CEO, Nect
Über die Anforderungen eines modernen digitalen Onboardings, die Chancen künstlicher Intelligenz und die Relevanz elektronischer Ausweismöglichkeiten habe ich mich mit Benny Bennet Jürgens unterhalten. Er ist CEO und einer der Gründer des FinTech-Startups Nect, dessen App zur Identitätsfeststellung bereits über drei Millionen erfolgreiche Identifizierungen ermöglicht hat und mit 4,9 Sternen im AppStore die bestbewertete App zur Identitätsfeststellung ist. Zuvor wirkte der gelernte Informatiker an Digitalisierungsprojekten in der Versicherungswirtschaft mit und verantwortete er die App-Entwicklung eines weltweit agierenden Versicherungskonzerns.
Onboarding nimmt Einfluss auf die langfristige Kundenzufriedenheit
Der Bank Blog: Wieso ist eine nutzerfreundliche Identitätsfeststellung vor allen Dingen für FinTechs so wichtig?
Bennet Jürgens: Damit FinTechs erfolgreich arbeiten können, müssen sie zum einen beim Onboarding die hohen Sicherheitsstandards gewährleisten und gleichzeitig eine hohe Conversion Rate erreichen. Egal was am Markt gerade passiert – die potentiellen Neukunden müssen erst durch den KYC-Check. Das geht nur, wenn die Technologie flexibel skalierbar ist und auch auf einen plötzlichen, unerwarteten Anstieg der Verifizierungen problemlos reagieren kann.
Diese Momente entscheiden über eine Success- oder Fail-Story des noch jungen FinTechs. Wenn man hier positiv überrascht, dann sorgt das meiner Beobachtung nach für eine Bindung, die noch den ein oder anderen eventuellen Fehler in Zukunft verzeihen wird.
Der Bank Blog: Wieso sollten auch traditionelle Banken auf digitales Onboarding setzen?
Bennet Jürgens: Davon abgesehen, dass die Digitalisierung von Prozessen generell immer wichtiger wird, bestimmt das Onboarding den ersten Eindruck einer Bank und nimmt auch Einfluss auf die langfristige Kundenzufriedenheit. Das heißt je nutzerfreundlicher das Onboarding respektive die Identitätsfeststellung am Anfang desto höher die Kundenbindung.
Ich habe mich letztens für ein Online-Depot bei einem traditionellen Anbieter angemeldet, weil ich an einem bestimmten Marktplatz investieren wollte. Der Legitimationsprozess hat letztendlich 2 Wochen (!) gedauert – und ich habe bis heute nicht einen Euro hier gehandelt, weil ich gar keine Lust mehr habe, mich mit diesem Depot auseinanderzusetzen.
Selfie-Ident arbeitet mit Künstlicher Intelligenz
Der Bank Blog: Was unterscheidet die Selfie-Ident-Lösung von anderen Online-Ident-Lösungen?
Bennet Jürgens: Hinter dem Selfie-Ident steckt unsere selbst entwickelte Robo-Ident® Technologie, die mithilfe künstlicher Intelligenz arbeitet. Wir können Nutzer daher vollautomatisiert verifizieren, egal zu welchem Zeitpunkt oder wo sie sich gerade aufhalten.
Da wir ohne Service-Agenten arbeiten können, entstehen keine Wartezeiten. Ich denke, deshalb sind wir aktuell auch mit 4,9 von 5,0 Sternen im AppStore bewertet. Gleichzeitig haben wir Verfahren entwickelt und zum Patent angemeldet, die eine gleichwertige Sicherheit zur Vor-Ort-Kontrolle gewährleisten können. Wir sind also nicht nur nutzerfreundlich, sondern auch sicher.
Der digitale Ausweis wird immer wichtiger
Der Bank Blog: Nect hatte letztes Jahr mit seiner Robo-Ident® Technologie den Durchbruch und wird nun sogar von Behörden eingesetzt. Wie sehen Sie die Entwicklung der eID, die nun noch einmal einen Neustart versucht?
Bennet Jürgens: Wir arbeiten seit Beginn der Corona-Pandemie mit der Bundesagentur für Arbeit und der Hamburgischen Investitions- und Förderbank zusammen. Als die Pandemie los ging, mussten plötzlich unerwartet viele Menschen Arbeitslosengeld oder Corona-Soforthilfe beantragen. Damit die Antragszahlen möglichst schnell abgewickelt werden konnten, haben die Bundesagentur und die IFB sich entschiedenen, unsere Lösung einzusetzen.
Die Einführung eines digitalen Ausweises und somit auch der eID wird immer wichtiger. Aktuell merken die Leute mehr denn je, wie digitale Angebote den Alltag erleichtern können und Unternehmen müssen darauf reagieren. Die eID wurde zwar schon vor Jahren eingeführt und trotzdem wurde sie auch in 2020 immer noch von nur sechs Prozent der Bundesbürger aktiv genutzt.
Der Bank Blog: Woran liegt es, das die eID bisher nicht den Durchbruch geschafft hat?
Bennet Jürgens: Das könnte daran liegen, dass viele gar nicht mehr wissen, ob sie die elektronische Funktion des Personalausweises aktiviert haben, andere kennen ihre PIN nicht oder wissen nicht, wo sie sie abgelegt haben. Die Hürden sind zu groß.
Die Zukunft sehe ich bei biometrischen Lösungen mit möglichst einfacher Anwendung. Wir haben zum Beispiel vor kurzem die Nect ID auf den Markt gebracht, ein digitaler Ausweis auf dem Smartphone. Jeder der sich einmal mit dem Selfie-Ident verifiziert hat, legt in der App automatisch seine Nect ID an und kann sie dann für weitere Dienste unseres Partnernetzwerks, also unserer Kunden, nutzen.
Wir legen extrem viel Wert auf Nutzerfreundlichkeit. Daher wollten wir den Identifizierungsprozess noch einen Schritt weiter vereinfachen. Mit der Nect ID kann der Nutzer seine Identität beim nächsten Mal einfach nochmal mit einem neuen Selfie nachweisen. Hohe Sicherheit mit einem einfachen Selfie – und dem Smartphone als digitaler Ausweis – das ist die Nect ID.
Künstliche Intelligenz ist eine Chance
Der Bank Blog: Sehen Sie Arbeitsplätze von KI gefährdet? Wie profitieren Bankmitarbeiter von KI?
Bennet Jürgens: Wenn Unternehmen anfangen KI einzusetzen, geht das oft einher mit der Angst vor Kündigungen, da die Maschine den Menschen ersetzen könnte. Ich sehe das anders und finde, man sollte KI auch als Chance für die Mitarbeiter sehen.
Künstliche Intelligenz eignet sich optimal für wiederkehrende, monotone Prozesse, zum Beispiel die Identifizierung von Kunden oder die Bearbeitung von häufig gestellten Fragen. Oft sitzen immer noch echte Menschen am Schalter oder am Hörer, um solche Dinge zu bearbeiten. Würde man hier künstliche Intelligenz einsetzen, könnten die Prozesse nicht nur beschleunigt werden, sondern man könnte seine Mitarbeiter effizienter einsetzen. Nämlich da, wo zwischenmenschliche Kompetenz und individuelles Handeln gefragt ist. So wird auch Mitarbeiterzufriedenheit gesteigert und die Fluktuation sinkt. Eine Win-Win-Situation.
Wir wollen weiter expandieren
Der Bank Blog: Welche Entwicklungen können wir von Nect in Zukunft erwarten?
Bennet Jürgens: Das nächste Thema, an dem wir bereits arbeiten und das in den nächsten Monaten live gehen wird, ist die qualifizierte elektronische Signatur. So wie ein digitaler Ausweis, wird auch die Möglichkeit, Dokumente digital zu unterschreiben, immer wichtiger. Die Leute möchten nicht mehr für eine Unterschrift in eine Filiale gehen müssen oder tagelang auf einen Brief warten, sondern ihre Zeit anders nutzen. Über unsere App geht das dann unabhängig von Zeit und Ort.
Außerdem bereiten wir aktuell die Expansion ins Ausland vor. Zu viele Details möchte ich hier noch nicht verraten, aber wir möchten unsere Lösung zeitnah auch in anderen Ländern, voraussichtlich zunächst innerhalb der EU, etablieren.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.