Verschwindet das Bargeld und wird durch digitales Zentralbankgeld ersetzt? Wird „Diem“ den Zahlungsverkehr revolutionieren? Wo bleiben die Banken? Dies sind nur einige der Fragen, die zeigen, dass die Digitalisierung auch vorm Geld nicht Halt macht.
Mit der Veröffentlichung des Libra Whitepapers im Frühsommer 2019 wurde bewusst oder unbewusst eine Alarmglocke betätigt. In den Monaten nach der Veröffentlichung des ersten Libra-Whitepapers setzte sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass diese Innovation einen merklichen Einfluss auf die Stabilität des internationalen Finanzsystems und die monetäre Souveränität eines jeden Landes ausüben könnte.
Es ist daher selbstverständlich, dass rund um den Globus die Zentralbanken und die wichtigsten internationalen Organisationen des Finanzsystems ihre Aktivitäten im Bereich des tokenbasierten Geldes intensiviert haben. Sie haben erkannt, dass mit Libra die zentrale Frage eines jeden Geldsystems gestellt wurde – die Frage nach dem Vertrauen der Bürger in die Werthaltigkeit ihres Geldes.
CBDC erfordert Sorgfalt bei der Einführung
Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) wäre aus Sicht der Banken ein gravierender, aber letztlich unvermeidbarer Eingriff in die bestehende Geld- und Währungsordnung. Wie gravierend er ausfallen würde, ist abhängig von einer Reihe von Entscheidungen zur technischen Ausgestaltung von CBDC sowie davon, wie attraktiv CBDC für die jeweiligen Nutzer gestaltet wird. Bei der technischen Ausgestaltung haben die Notenbanken bereits im Vorfeld über grundlegende Fragen zu entscheiden. Ausschlaggebend für die Auswirkungen auf das Geld- und Währungssystem werden dabei vor allem zwei sein:
- Soll CBDC wie die bisherige Form des digitalen Zentralbankgelds nur Banken und anderen Finanzinstitutionen zur Verfügung stehen oder soll es eine neue Geldform für alle Bürger sein?
Fällt das Votum für ein „CBDC für alle“, dann steht als zweites die Frage,
- soll die Zentralbank selbst die neue Geldform verteilen und verwalten oder soll dies über Banken und Finanzdienstleiter erfolgen?
Bericht der EZB zu digitalem Zentralbankgeld
In ihrem Bericht vom 2. Oktober 2020 hat die EZB für beide Fragen bereits Vorentscheidungen getroffen. Untersucht werden soll in den kommenden Monaten die Möglichkeit eines „general purpose-CBDC“ das über das bestehende Finanzsystem an die Nutzer verteilt werden soll.
Damit legt sich die EZB fest, dass sie die gegenwärtige stabile Geldordnung, die allein Banken einen privilegierten Zugang zu Zentralbankgeld gewährt und durch die Möglichkeit der Geldschöpfung im Bankensektor eine flexible und reibungslose Finanzierung der Wirtschaft und eine verlässliche Identitätsprüfung gewährleistet, durch CBDC nicht gefährden möchte.
CBDC wird den Banken einiges abverlangen
Was die Einführung des digitalen Euro durch die EZB für die Banken im Einzelnen bedeuten würde, ist allerdings noch weitgehend offen Was für uns als Bürger vermutlich nur ein Fingerwisch am Smartphone sein wird, könnte die Geschäftsgrundlagen der Banken erheblich verändern. Sinkt beispielsweise durch CBDC das Volumen der Bankeinlagen, muss die Bank nach alternativen Refinanzierungsquellen suchen und gelingt dies nicht, ihr Kreditvergabe einschränken. Zumindest besteht jedoch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen für Kredite steigen werden. Damit ergibt sich aber eine Reihe von wirtschaftspolitisch relevanten Fragen.
- Kann als Folge von CBDC die Finanzierung der Wirtschaft beeinträchtigt werden?
- Könnte sich CBDC am Ende gar auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung negativ auswirken?
- Und, müsste die Notenbank dann am Ende nicht mit geldpolitischen Maßnahmen gegensteuern, um die schädlichen Wirkungen von CBDC zu neutralisieren?
Die Entscheidung für einen digitalen Euro wird also erkennbar weitreichende Folgen haben. Diese werden in ihrer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft alle im Einzelnen vor seiner Einführung zu bedenken sein.
Zum Gebrauch von CBDC
Vergleichbare Überlegungen wie die soeben geschilderten, werden die EZB dazu veranlasst haben, in ihrem Bericht vorzuschlagen, den Gebrauch von CBDC zum einen auf die Zahlungsmittelfunktion des Geldes und zum anderen auf die Höhe eines zulässigen Betrages zu begrenzen. Zumal sie mit einem solchen Schritt zugleich auch der Gefahr eines digitalen Bank Runs entgegengetreten kann.
Es ist richtig, dass damit einerseits die direkten negativen Einflüsse auf das Bankensystem begrenzt werden könnten. Aber dieser Schritt hätte einen Preis. Die vorgesehenen Einschränkungen kämen gleichzeitig einer Beschränkung der Konvertibilität des Euro gleich.
Damit stellt sich erneut eine Reihe von Fragen:
- Welche Einschränkungen im bestehenden Geldsystem sind zugunsten von CBDC vertretbar, ohne dass die Währungs- oder Finanzstabilität gefährdet wird?
- Wie kann eine stabile Balance zwischen CBDC und dem bestehenden Bankensystem erreicht werden?
- Wie kann die Notenbank gleichzeitig Innovation und Effizienz fördern?
Zur Beantwortung bedarf es sicherlich noch umfangreicher Untersuchungen und Diskussionen. Die ausführliche Darstellung der Hürden für CBDC darf keinesfalls als Plädoyer gegen den digitalen Euro missverstanden werden. Ganz im Gegenteil, die privaten Banken in Deutschland sehen im digitalen Euro ein notwendiges Instrument, um die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft erfolgreich voranzubringen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Handlungsmöglichkeiten der Banken
Jedoch stellen Banken insbesondere in Deutschland einen großen Teil der finanziellen Infrastruktur zur Verfügung. Nähmen sie Schaden, würde auch diese Infrastruktur in Mitleidenschaft gezogen, mit negativen Folgen für Investitionen und Vermögensbildung in Deutschland.
Dies kann verhindert werden, wenn die Banken gemeinsam mit den europäischen Notenbanken die Verbesserung der Effizienz des Zahlungsverkehrs vorantreiben. Beispielsweise könnte viel getan werden, um die Geschwindigkeit und Verfügbarkeit von Instant-Payment-Mechanismen zu erhöhen und deren Einbindung in Smart Contracts zu ermöglichen.
Darüber hinaus werden sie im Wettbewerb mit den innovativen Geldformen die Attraktivität der Bankeinlagen sowie das bestehende Zahlungsverkehrssystem an die neue Benchmark anpassen müssen. In den Überlegungen der Banken wird sicher auch eine Rolle spielen, dass auf DLT basierte Smart Contracts eine rasch wachsende Bedeutung in der Wirtschaft erringen werden. Mit ihnen wird dann auch der Bedarf für einen programmierbaren Zahlungsverkehr wachsen. Es ist daher absehbar, dass der Bedarf an tokenbasierten Zahlungsverkehrsformen rasch zunehmen wird.
Die Bundesbank hat mehrfach darauf verwiesen, dass es in einer Marktwirtschaft die vorrangige Aufgabe der privaten Akteure ist, innovative Zahlungslösungen zu entwickeln. Die Geschäftsbanken sind daher gefordert, selbst eine tokenbasierte Geldform zu entwickeln, wollen sie am Zahlungsverkehr einer digitalisierten Wirtschaft noch Anteil haben. Darin besteht aus heutiger Sicht die eigentliche Herausforderung für den Bankensektor.
Digitalisierung des Geldes ist nicht aufzuhalten
Die Digitalisierung des Geldes wird nicht aufzuhalten sein. Beide Geldformen – privates wie auch öffentliches – werden sich dieser Entwicklung nicht entziehen können. Allerdings gilt in Gelddingen ganz besonders, dass Genauigkeit Vorrang vor Schnelligkeit besitzt. Wer mit den verschiedenen Ausprägungen eines digitalen Geldes eine goldenere Zukunft verspricht, handelt nur dann ehrlich, wenn er zuvor die Auswirkungen auf die Geldordnung analysiert und offengelegt hat.
Digitales Geld, insbesondere auf Basis der Distributed Ledger Technologie, mag eine technologische Herausforderung sein, die bewältigt werden wird. Digitales Geld darf jedoch nicht die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft beeinträchtigen.