Sie ist in aller Munde. Sie ist Trend: Die Digitalisierung. Unternehmen aller Branchen machen mit. Selbstverständlich – niemand will als rückständig gelten. Gelegentlich wird der Einsatz neuer Technologien sogar vor den eigentlichen Bedarf gestellt. Man digitalisiert voll drauf los.
Dabei handelt es sich bei der Digitalisierung definitiv nicht um einen modischen Hype, wie etwa seinerzeit bei der Social-Media Welle: Für Produkt-Launches wurden plötzlich nicht mehr klassische Medien genutzt, sie erfolgten über facebook. Unternehmen bauten mit enormen Personalaufwand Social-Media-Abteilungen auf. So kommunizierte man fortan mit Kunden. Mittlerweile hat sich die Euphorie gelegt, der Nutzen wurde hinterfragt. Facebook & Co unterstützen nun wertschöpfend.
Zwang zu neuen Technologien
Der Digitalisierungstrend entstand nutzenbasiert, initiiert durch Unternehmen, die frühzeitig erkannten, wie sich entsprechende Technologien zum Wohle aller Marktteilnehmer einsetzen lassen. Vielen sichert die digitale Transformation mittlerweile ihre Konkurrenzfähigkeit. Dazu gehören zweifelsohne auch Finanzdienstleister. Denn getrieben durch Regulierungsbehörden, Gewinnstreben und intensiven Wettbewerb um den Kunden, müssen sich Banken heute zwangsweise mit der Digitalisierung ihrer internen und externen Prozesse beschäftigen. Man bewegt sich im Spannungsfeld dieses Dreiecks.
Digitalisierte Prozesse– beinahe existenziell
Der Kunde wird anspruchsvoller: Zum einen verlangt er Basis-Serviceleistungen seiner Bank, abrufbar online über den PC oder mobil – immer und überall. Zum anderen möchte er eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen. Begleitend dazu fordern die Aufsichtsbehörden heute höchstmögliche Transparenz und zutreffende Beurteilungen der Risikopositionen einer Bank. Ein solcher Aufwand lässt sich kostenschonend nur mit weitgehend digitalisierten Prozessen erfüllen. Das bedeutet, die Ressourcen-Allokation muss ständig optimiert werden. Es gilt allgemein, dass digitalisierte Prozesse das eingesetzte Kapital extrem gut nutzbar machen können, denn sie lassen sich fast unbegrenzt ausweiten. Die Stückkosten für den einzelnen Prozess reduzieren sich somit signifikant. Gerade in Zeiten eines historisch tiefen Zinsniveaus bzw. anhaltend enger Margen, sichert dieser technologische Fortschritt so manche Existenz.
Wettbewerbsvorteile sichern – behutsam
Digitalisierung schafft nicht nur Möglichkeiten effizienten Wirtschaftens. Ein weitsichtiger Umgang mit den neuen Technologien bietet zudem viele Chancen im Wettbewerb. Dabei ist stets zu beachten: Das Geschäft mit privaten Kunden ist ein sehr sensibles. Der Wandel hin zu elektronisch gestützten Prozessen mittels Informations- und Kommunikationstechnologie sollte behutsam und immer im engen Dialog mit den Kunden geschehen. Denn jeder weiß, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Was floskelhaft klingt, ist in der Geschäftsrealität immer wieder eine wichtige Determinante. Ein Beispiel dafür ist etwa die Einführung der Kontoauszugsdrucker der Filialbanken in den Achtziger Jahren. Fortan mussten Kunden nicht mehr am Schalter anstehen und warten bis ein Kundenberater ihnen die Auszüge überreicht. Man konnte einfach die Kontokarte in den Kontoauszugsdrucker schieben und hielt kurze Zeit später das Papier in der Hand. Der Geschäftsalltag zeigte jedoch, viele Kunden brauchten lange, sich an diese Umstellung zu gewöhnen – trotz der Zeitersparnis und der maximal einfachen Bedienung. Für die nachfolgenden Jahre ließen sich viele analoge Beispiele für solche Eingewöhnungszeiten anführen.
Nicht friss oder stirb – auf den Kunden warten
Diese Erfahrungen zeigen: Auch im Zeitalter der digitalen Revolution ist eine entsprechende Sensibilität geboten. Der Kunde sollte zunächst zwischen den alten und den digitalisierten Prozessen wählen können. Eine Friss-oder-Stirb-Mentalität wäre fehl am Platze. Am Anfang aller Überlegungen steht immer die Frage: Wo macht ein Digitalisierungsangebot gegenüber Kunden am meisten Sinn? Eine beispielhafte Antwort aus jüngster Vergangenheit lautete: Dort, wo ein Medienbruch besteht. Im Jahr 2014 nutzte die SWK Bank als erste Bank in Deutschland die Videolegitimation. Die Vorteile waren zweifelsohne enorm: Mittels dieser neuen Technologie legitimiert sich ein Neukunde innerhalb weniger Minuten. Dem gegenüber steht – beim analogen Post-Ident-Verfahren – der Weg zur Post, und der damit verbundene mehrtägige Zeitaufwand. Der Convenience-Vorteil ist– objektiv betrachtet –eindeutig. Und dennoch, die Inanspruchnahme der Videolegitimation liegt heute längst nicht bei 100 Prozent. Sicherlich ist die Tendenz eine stetig steigende. Und Neukunden, die sich für die Videolegitimation entscheiden, sind durchweg zufrieden. Aber auch hier ist die Gewohnheit ein zu berücksichtigender Faktor.
Akzeptanz ausbauen
Besteht allerdings erst einmal eine grundsätzliche Akzeptanz für eine neu eingeführte Technologie, kann diese relativ schnell ausgebaut werden. Das Beispiel Videolegitimation zeigt dies erneut sehr anschaulich: Hier hat der Kunde gelernt, über die Kamera mit der Bank bequem zu kommunizieren. Nun lassen sich analoge Prozesse leicht einführen. Ein Beispiel dafür ist der medienbruchfreie Ratenkredit der SWK Bank, genannt couchkredit.de. Er setzt unterschiedliche Digitalisierungslösungen innerhalb der Prozesskette ein. In ihrer Kombination führen sie dazu, dass Neukunden innerhalb eines Bankarbeitstages ein Ratenkredit ausgezahlt werden kann, papierlos und ohne Postversand: Der Kreditantrag wird online ausgefüllt. Zwecks Bonitätsbeurteilung erfolgt danach der Onlinezugriff auf das Gehaltskonto. Direkt im Anschluss legitimiert sich der Kunde über die Webcam. Die notwendige Unterschrift auf dem Kreditvertrag leistet der Kreditnehmer schließlich ebenfalls online mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur. Übrigens laufen dabei nicht nur die Anwendungen vor dem Kunden, sondern auch im Backend und der Middleware sowie die Prozesse vollständig digital ab.
Potentiale kreativ nutzen
Wer am schnellsten beim Kunden ist, gewinnt. Vertriebsprofis wissen, dass Schnelligkeit Verkäufe fördert. Die digitale Revolution bietet für dieses Streben ganz neue Möglichkeiten. Möchte man heutzutage bei Amazon beispielsweise einen Stecker kaufen, benötigt der Neukunde dazu wenige Mausklicks. Der Kauf eines Finanzdienstleistungsproduktes dauert hingegen ungleich länger. Ein kreativer Umgang mit den vorhandenen digitalen Ressourcen könnte dies ändern: Zur Beschleunigung verzichtet man etwa beim Legitimationsverfahren auf die gesamte Hardware, respektive den Legitimationsprozess. Die SWK Bank prüft gerade einen neuen Weg über die Hausbank eines Neukunden. Denn warum muss sich eine Kunde bei jeder Bank aufs Neue legitimieren? Eine entsprechende Vernetzung zwischen den jeweiligen Kreditinstituten wäre aus Kundensicht sicherlich vorteilhaft.