Die Digitalisierung der Finanzdienstleistung ist ein Thema, das nicht nur nach außen, auf die Kunden wirkt, sondern auch nach innen, nämlich auf Mitarbeiter und Führungskräfte. Über die sich daraus verändernden Anforderungen an Bankmanager habe ich mit der Personalberaterin Julia Böge gesprochen.
Die Finanzbranche digitalisiert ihr Geschäft. Wer aber denkt, Bankführungskräfte müssten nun alle zu Online-Experten werden, der irrt. Digitalkompetenz zeigt sich durch ganz andere Qualitäten.
Die Personalberatung InterSearch Executive Consultants ist spezialisiert auf die Rekrutierung von Führungskräften und systematische Analysen des Führungskräftepotenzials insbesondere mittelständisch geprägter Unternehmen. Im Rahmen einer von ihr durchgeführten Studie „Digitale Transformation und ihre Auswirkung auf die Führung im Mittelstand“ 400 Topmanager aus Unternehmen ab 100 Mitarbeitern online befragt. Im Interview mit dem Bank Blog erläutert Julia Böge, Client Partner bei InterSearch, die Ergebnisse im Hinblick auf Finanzdienstleister.
Bank Blog: Frau Böge, Sie beraten im Schwerpunkt Unternehmen in der digitalen Transformation, darunter auch Finanzdienstleister. Welcher Typ Manager ist für diese Aufgabe gerade besonders gefragt?
Julia Böge: Die Digitalisierung löst bei Banken und Versicherungen einen Umbruch in der Unternehmenskultur aus und erfordert daher einen neuen Typ Manager. 57 Prozent der Führungskräfte geben an, dass vor allem ihre Qualitäten, Veränderungen voranzutreiben, gefragt sind wie nie.
Jeder zweite Befragte hält es zudem für essentiell, dass die Führungskräfte offener werden für Feedback, sowohl für Rückmeldungen von ihren Mitarbeitern als auch von den Kunden.
Zudem nimmt in der internen Kommunikation die Nutzung von IT und Social Media zu. Diesen Wandel müssen die Manager aktiv mitgestalten und Vorbild sein.
Bank Blog: Bankführungskräfte sind doch eigentlich Umbrüche gewöhnt, Stichwort: Einführung des Online-Bankings und der Ersatz des Bankschalters durch SB-Zonen. Was unterscheidet den aktuellen digitalen Wandel von anderen Großprojekten?
Julia Böge: Früher ging es um Reaktionen auf neue Kundenansprüche und −verhaltensweisen. Jetzt geht es um das Antizipieren dieser Ansprüche. Wer darauf wartet, dass sich Trends herauskristallisieren, ist schon zu spät dran und wird vom Markt überholt. Hier ist Innovation gefragt, was besondere Fähigkeiten von Führungskräften und ein kollaboratives Arbeiten erfordert.
Das aktive Vorantreiben neuer digitaler Möglichkeiten ist aber nicht nur für neue Produkte und Services wichtig. Es umfasst auch Dienstleisterbeziehungen, die interne Zusammenarbeit und berührt auch das Thema Verschmelzung von Beruf und Privatem nach dem Motto „Arbeiten anytime und anywhere“.
Bank Blog: Wie schwer ist es, die passenden Führungskräfte für die Digitalisierung zu finden, wo sehen Sie den größten Nachholbedarf?
Julia Böge: Es ist insofern schwer, dass ein Typ Führungskraft benötigt wird, der sich von Hierarchie-Denken verabschiedet, eine Fehler- und Feedbackkultur fördert und interdisziplinäre Zusammenarbeit stärkt. Bei vielen Kandidaten ist noch gar nicht angekommen, wie wichtig diese Kompetenzen sind und wie viel relevanter sie auch gegenüber Hard Skills sind. Sie sind sich ihrer eigenen Fähigkeiten in diesen Bereichen gar nicht so bewusst, was es schwerer für Personalberater macht, sie zu beurteilen. Dafür gibt es aber unterstützende diagnostische Instrumente.
Der größte Nachholbedarf bei Hard Skills besteht beim Datenverständnis, wie auch die Studie zeigt. Der Wandel zu sogenannten „Data-driven Decisons“ erfordert einen Typ Führungskraft, der künftig weniger auf Basis seiner Erfahrungen und Intuition und dafür mehr auf Grundlage von Dashboards und Kennzahlen entscheidet.
Bank Blog: Ihre Studie „Digitale Transformation und ihre Auswirkung auf die Führung im Mittelstand“ kommt zum Ergebnis, dass der Finanzsektor im Branchenvergleich gut vorbereitet ist. Was haben Bankführungskräfte, was andere Manager nicht haben?
Julia Böge: In der Tat zeigt die Studie, dass der Finanzsektor im Branchenvergleich weit vorn ist. In jeder zweiten Bank und Versicherung wird in Stellenausschreibungen explizit nach Managern mit ausgeprägten Veränderungskompetenzen gesucht. 44 Prozent schulen ihre Führungskräfte intensiv, Daten analysieren und interpretieren zu können, um schnell und fundiert Entscheidungen zu treffen. In der Industrie erhalten nur rund 20 Prozent entsprechende Trainings.
Grund ist, dass die Finanzdienstleister bereits Erfahrung im Change Management haben, da sie die erste digitale Revolution schon meistern mussten. Die Auswirkungen der zunehmenden Internet- und Mobilnutzung der Bevölkerung auf ihre Branche waren ähnlich gravierend wie im Einzelhandel.
Auf den Einzug von Direktbanken, Vergleichsplattformen, PayPal oder auch Peer-to-Peer-Angebote haben sich selbst traditionelle Finanzdienstleister mittlerweile ganz gut eingestellt und sind geübt in diesen Veränderungsprozessen.
Bank Blog: Wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken. Wie sehen die Führungsqualitäten eines Bankmanagers dann aus?
Julia Böge: Die Anpassung der Unternehmenskultur an die Digitalisierung wird die Finanzbranche weiter beschäftigen, denn Veränderungen werden zum neuen Normalzustand. Viele Prozesse, ja sogar ganze Strukturen bis hin zu Geschäftsmodellen können in kurzer Zeit schon wieder obsolet sein, weil sich neue Anforderungen und Kommunikationsmöglichkeiten ergeben. Für diese Dynamik braucht es Führungskräfte, die eine kontinuierliche Bereitschaft zum Wandel fördern und diese auch vorleben. Auch die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung, die noch bevorstehen, werden den Finanzsektor beeinflussen. Ein Beispiel ist der demografisch bedingte Generationswechsel in den Führungsetagen – ein neuer Typ Manager wird künftig die Unternehmen lenken, der mit dem Internet aufgewachsen ist.
Bank Blog: Danke für das Gespräch.
2 Kommentare
Bin einverstanden mit den gezogenen Schlüssen. Ich bin der Meinung, dass der Wandel zur Digitalisierung in der Finanzbranche schneller und dramatischer sein wird als wir es heute antizipieren und unorthodoxe Führungskräfte gefragt sein werden.
Herzlichen Dank