Die Finanzbranche steht vor vielfältigen Herausforderungen. Jetzt soll auch noch Diversität gefördert werden. Doch wo soll man anfangen, wenn man bei dem kontrovers diskutierten Thema nicht nur viel richtig, sondern auch falsch machen kann?
Themen wie Diversity und Inklusion sind zwar auch in der Finanzbranche keine unbekannten Phänomene mehr, dennoch werden sie immer noch zu wenig berücksichtigt – trotz neuer gesetzlicher Vorgaben. Dabei kann Vielfalt auch für Banken einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.
Diversity hat in den letzten Jahren branchenübergreifend an Bedeutung gewonnen und ist weit mehr als die bloße Einführung einer Frauenquote. Es müssen vielmehr alle Aspekte berücksichtigt werden, in denen sich Menschen voneinander unterscheiden können, z.B. Demografie und sozioökonomische Hintergründe, kognitive und physische Fähigkeiten, oder Prägungen durch Kultur und Herkunft.
Neben moralischen Aspekten gibt es insbesondere zwei Treiber, welche ich im Folgenden genauer betrachte: strategische Notwendigkeit sowie regulatorische Vorgaben.
Strategisch: Banken dürfen Diversity nicht ignorieren
Diversity als strategisches Thema beinhaltet mehrere Dimensionen. Vor allem der Fachkräftemangel und der demographische Wandel rücken dabei in den Vordergrund. Bis 2030 werden Finanzdienstleister im Schnitt 30 Prozent ihrer Mitarbeiter verlieren. Gerade für junge Talente scheinen Banken zunehmend an Attraktivität zu verlieren, was sich durch sinkende Bewerbungen auf Ausbildungsplätze sowie eine hohe Fluktuation zeigt. Bedeutend ist außerdem die hohe Betriebszugehörigkeit und das Durchschnittsalter – letzteres für deutsche Mitarbeiter meist >40 Jahre und sogar knapp 60 Prozent mit >50 Jahre in europäischen Vorständen. Insgesamt fehlen so wesentliche Arbeitskräfte und wichtige Impulse von außen.
Die Entwicklung hin zu einer diversen Bank führt zudem zu einer besseren Reputation und Arbeitgeberattraktivität: laut einer Umfrage von Glassdoor priorisieren mehr als 76 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitssuchenden Diversity bei ihrem Arbeitgeber. Zudem würden 45 Prozent der „Wechselwilligen” bei mehr Diversity und Inklusion eher bei ihrem Arbeitgeber bleiben.
Ist Diversity im Unternehmen verankert, wirkt sich dies auch auf die Performance aus. Beispielsweise zeigt eine Untersuchung europäischer Banken durch die EBA, dass Banken mit einem geschlechter-diversen Management um 2,6 Prozentpunkte profitabler sind (gemessen am RoE) als ein homogen zusammengesetzter Vorstand. Gemischte Nationalitäten, Hintergründe und Geschlechter verbessern zudem die Innovationskraft – durchschnittlich 19 Prozentpunkte mehr Umsatz sind durch Innnovationen möglich. Des Weiteren erzielen diverse Managementteams mit einer 25 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit bessere finanzielle Ergebnisse. Unterschiedliche Ethnien steigern das Kundenverständnis um bis zu 152 Prozent oder reduzieren das Risiko bei Aktienentscheidungen um ein knappes Drittel (30 Prozent.
Regulatorik: Diversity für Banken als Teil ihres Reportings
Nicht nur gesellschaftliche und wirtschaftliche Erwartungen erhöhen den Druck zur Steigerung von Diversity, auch gesetzliche Anpassungen fordern Banken zum Handeln auf. Prominent steht die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU im Blickfeld der Banken. Mit der Erstellung ihres Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2024 sind viele Banken zukünftig gezwungen, Informationen in Bezug auf Diversity offenzulegen. Darunter Angaben zu Geschlecht, Alter und der Umsetzung zugehöriger Konzepte. Spezifisch für Banken definiert zudem das Europäische Parlament Richtlinien mit Fokus auf Diversity-Aspekte und Gender Pay Gap. In ihrem Statusbericht gibt die EBA alle drei Jahre einen Überblick über europäische Geldhäuser und deren Kennzahlen.
Banken und Diversity – mit kleinen Schritten nach vorn
Der letzte Bericht der EBA aus dem Jahr 2023 zeichnet ein gemischtes Bild: Mehr als ein Viertel der Banken haben immer noch keine Diversity-Richtlinie. Seit 2015 sind in manchen Bereichen jedoch Fortschritte erzielt worden – beispielsweise hat sich der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder stetig erhöht und betrug auf europäischer Ebene zuletzt 18 Prozent. In Deutschland ist man mit nur 8 Prozent allerdings weit entfernt von einer ausgewogenen Besetzung. Und selbst wenn sich europäische Banken Ziele gesetzt haben, dann verfehlen ca. die Hälfte diese immer noch – etwa 44 Prozent beim Faktor Geschlecht oder 52 Prozent beim Faktor Alter. Andere Faktoren zeigen ähnliche Ergebnisse und auch beim Thema Bildung herrscht Nachholbedarf – bei Bankvorständen sind es 65 Prozent mit wirtschaftlichem Studium vs. nur 3 Prozent mit Informatik, während doch ein großer Druck hinsichtlich mehr Innovation und Digitalisierung herrscht.
Quo vadis Diversity in Banken – Was ist zu tun?
Das bloße Hissen einer Regenbogenflagge vor der Konzernzentrale oder das stolze Präsentieren eines einzigen weiblichen Vorstandsmitglieds (meist für HR) sind dafür nicht ausreichend. Auch flexible Arbeitszeitmodelle, (Frauen-)Netzwerke oder auch Quoten haben zwar zu leichten Verbesserungen geführt, sind jedoch als Einzelmaßnahmen nicht genug – Diversity ist vielmehr ein langfristiges Vorhaben. Was also tun?
Diversity muss deutlich breiter angegangen und strategisch im Unternehmen verankert werden. Die Einführung eines „Diversity Managers“ kann dabei helfen, wenn das Thema weit oben auf der Agenda der Bank steht und vom Top-Management vorgelebt und unterstützt wird. Mindestens genauso erfolgsentscheidend ist jedoch auch, dass Initiativen nicht von oben übergestülpt, sondern aus der Organisation heraus gelebt und vorangetrieben werden. Das gilt auch für (Reverse) Mentoring und Allyship Programme. Zudem darf keiner benachteiligt werden oder sich nicht zugehörig fühlen, weswegen der sogenannte DEI-Dreiklang aus Diversity, Equity und Inclusion entscheidend ist. Dafür kann man in der Unternehmenskultur ein für alle inklusives Umfeld schaffen, z.B. auch für Mitarbeiter mit verschiedener Herkunft, kognitiven und physischen Fähigkeiten. Die Einführung z.B. von Führungstandems, mehr Flexibilität beim Arbeitsort oder auch Englisch als vollwertige zweite Unternehmenssprache kann nicht nur gegen den eigenen Fachkräftemangel helfen, sondern bringt auch mehr Diversity in Führungspositionen und die gesamte Bank.
Letztendlich ist die Transparenz entscheidend, z.B. wo man steht (KPI), welche Anreize man zur Motivation setzt oder auch welche Erfolge man erzielt hat. Schafft man dies mit Ehrlichkeit und Authentizität, nimmt man auch seine „Kritiker“ mit. So steigert man gleichzeitig die Attraktivität als Arbeitgeber, als auch die eigene Performance.