Deutschland schöpft sein wirtschaftliches Potenzial nicht aus. Eine Studie stellt eine Doppelstrategie für mehr Wachstum und Wohlstand vor. Allerdings gibt es eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg.

Doppelstrategie für die deutsche Volkswirtschaft

Eine Doppelstrategie soll Deutschland zu mehr Investitionen, Wachstum und Wohlstand verhelfen.

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Wirtschaftswachstum ist kein Selbstzweck, sondern stiftet Nutzen für alle. Es schafft die Basis für individuelle Aufstiegschancen und ein stabiles Gemeinwesen mit leistungsfähigen Strukturen – von zuverlässiger Infrastruktur und hochwertigen Bildungsangeboten bis hin zu Sicherheit, nachhaltigen Investitionen und einer erstklassigen Gesundheitsversorgung für alle.

Aktuell jedoch befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer Schwächephase. In den vergangenen vier Jahren lag das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nahezu bei null (kumulierte jährliche Wachstumsrate: 0,1 Prozent), während die realen Löhne leicht zurückgingen (-1,3 Prozent kumulierte jährliche Wachstumsrate). Auch für 2024 wird nur ein geringes Wirtschaftswachstum erwartet. Damit zählen die letzten fünf Jahre zu den wachstumsschwächsten Perioden in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Potential wird nicht ausgeschöpft

Würde das vorhandene Potential ausgeschöpft, wären deutlich mehr Wachstum und Wohlstand zu erreichen, so eine Studie von McKinsey. Mit einem durch höhere Attraktivität für Investitionen getriebenen massiven Investitionsschub und einer Doppelstrategie aus stärkerem Fokus auf Zukunftsfelder und höherer Produktivität kann Deutschland deutlich schneller wachsen.

Der Wert der Wirtschaft ließe sich bis 2035 von heute 12 Bio. Euro auf 24 Bio. Euro verdoppeln, das durchschnittliche Haushaltseinkommen von derzeit 72.000 EUR um rund 31.000 EUR auf über 100.000 EUR steigern und auch der Staat hätte jedes Jahr über 410 Milliarden EUR mehr zur Verfügung.

Für eine erfolgreiche Wachstumswende ist allerdings das Engagement sämtlicher Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich: Politik, Unternehmen, Wissenschaft, Forschung, Investoren, Banken und Bürger müssen ihren jeweiligen Beitrag leisten.

Mehr Investitionen für mehr Wachstum

Derzeit fließt jedes Jahr Kapital aus Deutschland ab – allein 2023 waren es netto fast 250 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Grund dafür ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Renditen: In den USA erzielen Investoren beispielsweise rund 30 Prozent höhere Erträge als in Deutschland. Um diesen Trend umzukehren, muss Deutschland für Investitionen wieder attraktiver werden und höhere Renditen ermöglichen.

Für eine umfassende Wachstumswende wären zusätzliche Investitionen von 330 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich, was 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Diese Summe käme zu den bereits jährlich investierten 950 Milliarden Euro hinzu. Die Schwerpunkte dieser Investitionen liegen bei der Energiewende, Forschung und Entwicklung sowie Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Rund 70 Prozent der Mittel müssten aus der Privatwirtschaft stammen.

Unternehmenslenker sehen Handlungsbedarf

Eine Umfrage unter mehr als 130 Vorstandsmitgliedern von in Deutschland tätigen Unternehmen, die McKinsey für die Studie durchgeführt hat, verdeutlicht die Herausforderungen: Zwar erwarten 33 Prozent der Befragten, dass ihre Präsenz in Deutschland in den nächsten fünf Jahren wachsen wird, doch zwei Drittel gehen von Stagnation (35 Prozent) oder einem Rückgang (32 Prozent) aus. Besonders im produzierenden Gewerbe planen 47 Prozent der Unternehmen, ihre Aktivitäten in Deutschland zu reduzieren.

Eine deutliche Mehrheit von 84 Prozent ist der Ansicht, dass die Herausforderungen zwar erkannt wurden, bislang jedoch zu wenige Maßnahmen ergriffen wurden oder deren Umsetzung nicht mit der notwendigen Dringlichkeit erfolgt. Weitere 15 Prozent sind der Meinung, dass die bisher umgesetzten Lösungen nicht ausreichend wirken. Lediglich 2 Prozent der Befragten glauben, dass die Erneuerung der deutschen Wirtschaft auf einem guten Weg ist und innerhalb der nächsten zwei Jahre Ergebnisse zeigen wird.

Handlungsfelder für wirtschaftliches Wachstum

Die größten Handlungsfelder sehen die befragten Vorstände im Arbeitsmarkt, bei der Entwicklung der Nachfrage und den Energiekosten. Darüber hinaus betonen sie die Bedeutung europaweit einheitlicher, wirtschaftsfreundlicher Regulierungen und Gesetze sowie staatlicher Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Innovation.

Als wichtigste Hebel für eine schnellere Erneuerung der deutschen Wirtschaft nennen die Befragten vor allem effizientere Prozesse in der öffentlichen Verwaltung (77 Prozent), ein überzeugendes Zielbild, ein klares Narrativ sowie eine veränderte Mentalität (64 Prozent) und regulatorische sowie wirtschaftliche Stabilität (63 Prozent).

Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Investitionsverhalten wider: Aktuell investieren 65 Prozent der befragten Unternehmen mehr im Ausland als in Deutschland.

Doppelstrategie für mehr Wachstum

Voraussetzung für mehr Wirtschaftswachstum ist eine Doppelstrategie mit einem Fokus auf dynamische Zukunftsfelder der Wirtschaft („Shift“) und eine höhere Produktivität in allen Bereichen („Lift“). Im Zusammenspiel mit den richtigen Rahmenbedingungen kann diese Doppelstrategie dazu beitragen, höhere Umsätze und Erträge zu erzielen und die Renditeaussichten für einheimische und internationale Investoren zu verbessern und so deutlich mehr Kapital für notwendige Investitionen in Deutschland zu mobilisieren.

Fokus auf dynamische Zukunftsfelder

Die Auswahl dynamischer Zukunftsfelder sollte sich an der globalen Wachstumsdynamik und der Kompatibilität mit den Stärken und der Nachfrage in Deutschland orientieren. Ein Beispiel für ein besonders wachstumsstarkes Feld ist „Deep Tech“, zu dem unter anderem Künstliche Intelligenz (KI), Nanotechnologie und Robotik gehören. Auch Bereiche wie die Gesundheitswirtschaft (inklusive Anwendungen von KI und Biotechnologie), Feststoff-Batterietechnologie und neue Materialien wie Hochleistungslegierungen bieten vielversprechende Perspektiven und passen gut zu den Gegebenheiten in Deutschland. Zudem gibt es in nahezu allen Industrien Segmente mit starker Wachstumsdynamik.

Um den Fokus auf solche Zukunftsfelder – sowohl in etablierten Unternehmen als auch durch Neugründungen – zu stärken, sind vier zentrale Maßnahmen entscheidend:

  1. Gezielte Förderung technologischer Innovationen: Deutschland sollte bei zukunftsweisenden Technologien wie „Deep Tech“ durch gezielte Förderprogramme und ein innovationsfreundliches Regulierungsumfeld seine Wettbewerbsposition stärken.
  2. Flexibilisierung des Arbeitsmarktes: Eine neue Balance zwischen Sicherheit für Beschäftigte und Flexibilität für Unternehmen kann dazu beitragen, mehr Arbeitskräfte für Berufe in wachstumsstarken Branchen zu gewinnen.
  3. Mobilisierung von Kapital für wachstumsrelevante Investitionen: Obwohl Deutschland über ausreichend Kapital verfügt, wird ein großer Teil nicht für wachstumsorientierte Investitionen genutzt. Maßnahmen wie die Konsolidierung von Pensionsrückstellungen könnten helfen, größere Investitionen mit besseren Risiko-Rendite-Profilen zu ermöglichen.
  4. Beschleunigung und Vereinfachung der Verwaltung: Effiziente Verwaltungsprozesse können entscheidend dazu beitragen, wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Viele Unternehmensvorstände fordern daher eine spürbare Beschleunigung und Vereinfachung der Abläufe in der öffentlichen Verwaltung.

Erhöhung der Produktivität

Der zweite Teil der Doppelstrategie („Lift“) zielt darauf ab, die Produktivität in allen Sektoren und Wertschöpfungsketten zu steigern. Hier besteht erheblicher Verbesserungsbedarf, da Deutschland in den vergangenen 20 Jahren bei der Produktivität hinter den USA zurückgeblieben ist. Um die angestrebte Produktivitätssteigerung zu erreichen, sind vier zentrale Maßnahmen entscheidend:

  1. Breite Implementierung von KI: Die Digitalisierung, insbesondere durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, birgt enormes Potenzial, die Produktivität zu erhöhen und Deutschland als Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Laut einer weiteren McKinsey-Studie könnte KI die Arbeitsproduktivität in Deutschland bis 2040 jährlich um zusätzliche 0,6 Prozentpunkte steigern.
  2. Kosteneffiziente und zukunftssichere Energieversorgung: Durch die Optimierung des Energiewendepfads kann Deutschland eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Energieversorgung sicherstellen. Verbesserungen könnten die Systemkosten des deutschen Stromumbaus um bis zu 20 Prozent senken.
  3. Vertiefung des EU-Binnenmarkts: Statt langwieriger Verhandlungen zur Harmonisierung von Standards in den 27 Mitgliedsstaaten könnte ein einheitlicher EU-Rechtsrahmen geschaffen werden, der insbesondere jungen Technologieunternehmen ermöglicht, schneller grenzüberschreitend zu wachsen.
  4. Nachfragestabilisierung und steuerliche Entlastung: Maßnahmen zur Schaffung stabiler Nachfragebedingungen könnten Unternehmen verlässliche Entscheidungsgrundlagen bieten. Dazu zählt auch die Prüfung einer Senkung der steuerlichen Belastung von Arbeitseinkommen: Während in Deutschland die durchschnittliche Steuer- und Abgabenlast 48 Prozent beträgt, liegt sie im OECD-Durchschnitt bei lediglich 35 Prozent.

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