Guter Kundenservice ist selten und hervorragender Kundenservice, der zu echten WOW-Effekten führt, noch seltener. Doch sowohl im Onlinehandel als auch im Dienstleistungsbereich lassen sich Beispiele finden, von denen auch Finanzdienstleister lernen könnten.
Guter Service ist für Kunden wichtig, oftmals sogar entscheidend. Neben Preis und Nutzen eines Produktes ist Service oft das entscheidende Kriterium für eine Kaufentscheidung. Das gilt auch und besonders für Bankdienstleistungen. Immerhin 60 Prozent der Kunden geben an, dass sie bereit sind, für guten Service auch mehr zu bezahlen.
Immer wieder mal berichte ich daher hier im Bank Blog über eigene Serviceerlebnisse, besonders gute, wie besonders schlechte. Vor allem freue ich mich über solche, bei denen ich als Kunden einen echten WOW-Effekt verspürt habe. Drei solcher Erlebnisse stelle ich Ihnen im Folgenden vor.
Amazon vertraut seinen Kunden
Vor einigen Wochen hatte ich für meine Frau ein neues Tablet bei Amazon bestellt. Es sollte eine Geburtstagsüberraschung werden und ich war mal wieder spät dran. Da ich Prime-Kunde bin, funktioniert der Versand normalerweise innerhalb von 24 Stunden. Diesmal nicht. Und es kam noch dicker: In der Online-Sendungsverfolgung erschien der Hinweis „Paket wurde zugestellt“. Doch es gab weder eine Zustellung noch lag ein Zustell-Zettel im Briefkasten, dass das Paket beim Nachbarn abzuholen sei.
Mein Anruf beim Amazon-Kundenservice ergab dann noch kurioseres: Das Paket sollte meiner Frau übergeben worden sein, doch die war am fraglichen Tag gar nicht zuhause. Spätestens jetzt hätte manch anderer Händler von einer weiteren Bearbeitung abgewinkt und mich aufgefordert, einen (aufwändigen) Postnachforschungsauftrag zu stellen. Zumal das Ganze noch gar nicht bezahlt war, da ich per Bankabbuchung bezahlte, die meist einige Zeit später erfolgt.
Nicht so der Amazon-Servicemitarbeiter. Er schien mit solchen Situationen vertraut zu sein: „Ihre Unannehmlichkeiten tun uns sehr leid. Wir schicken Ihnen noch heute ein neues Gerät per Expressversand zu, das sollte dann spätestens morgen bei Ihnen sein. Für den Fall, dass das ursprüngliche Paket doch irgendwann noch ankommt, schicke ich Ihnen noch einen Retouren-Aufkleber per E-Mai, damit Sie es uns kostenfrei und bequem zurücksenden können.“
Warum ich dies als WOW-Effekt zähle?
Weil das Gerät nicht am nächsten sondern noch am selben Tag bei mir eintraf und die Geburtstagsüberraschung damit in buchstäblich letzter Sekunde gerettet war. Und weil Amazon meiner Aussage mehr vertraute als dem offiziellen Sendungsstatus der Deutschen Post. Und weil mein Wunsch schneller und unbürokratischer erfüllt wurde, als von mir erwartet.
Überraschung beim T-Shirt Kauf
Vor einiger Zeit hatte ich im Ausverkauf eines Onlinehändlers ein Sonderangebot für ein Funktions-T-Shirt entdeckt, wie ich es schon länger gesucht hatte. Zusammen mit ein paar anderen Sachen habe ich es gleich bestellt und zwei Tage später kam das Paket an. Doch leider wurde das T-Shirt in Größe L statt M ausgeliefert. Um sicherzugehen, dass ich die richtige Größe doch noch bekommen würde, habe ich vor der Rücksendung beim Händler angerufen, schließlich war es ein wirklich günstiges Sonderangebot. Dann der Frust: Nein, leider ist M ausverkauft. Meine Laune war ziemlich säuerlich.
Dann kam der erste WOW-Effekt: „Bitte schick uns das Shirt nicht zurück. Du kannst es behalten, vielleicht findest Du ja jemanden, der es in der Größe möchte und dem Du damit eine Freude machen kannst. Den Kaufpreis erstatten wir Dir natürlich zurück.“
Verwunderung bei mir: Behalten dürfen und nicht bezahlen müssen? Gibt es dafür eine betriebswirtschaftliche Erklärung? Aus professioneller Neugier fragte ich nach, wie das denn möglich wäre. Die Erklärung war einleuchtend. Bei einem bestimmten Verkaufspreis ist die Bearbeitung einer Retoure schlicht und ergreifend mit zu hohen Bearbeitungskosten verbunden.
Soweit, so gut. Ich hatte also ein T-Shirt, das mir zwar zu groß war, das ich aber auch nicht bezahlen musste. Zumindest der erste Ärger war verraucht, auch wenn ich das T-Shirt natürlich gerne in meiner Größe gehabt hätte.
Zwei Tage später kam dann der zweite WOW-Effekt: Im Briefkasten lag eine Postkarte des Bergsportgeschäfts. Auf der Vorderseite stand groß „DANKE“ mit einem Bild vom Serviceteam und auf der Rückseite der handschriftliche Text „Lieber Hansjörg, auf diesem Wege nochmal Danke für Dein Verständnis bei dem Versandfehler“ mit persönlicher Grußformel und Unterschrift des Mitarbeiters, mir dem ich telefonierte. Auch die Adresse war kein Standard-Adressaufkleber sondern von Hand eingetragen.
Mit dieser netten Geste war ich endgültig als Stammkunde zurückerobert.
Wie ein Hotel seine Kunden begeistert
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es selten die teuren Hotels sind, die mit hervorragendem Kundenservice glänzen. Schon mehrfach habe ich mich bei Zimmerpreisen jenseits der 150 oder 200 Euro für eine Übernachtung über schlechtes (und zusätzlich teures) Frühstück oder WLAN als teure kostenpflichtige Sonderleistung geärgert.
Doch es gibt auch noch gute, meist inhabergeführte, Hotels, die mit echten Zusatzleistungen ihre Kunden verwöhnen und dies zu durchaus vernünftigen Preisen bieten.
Ein solches Hotel steht zentral in der Nähe des Kurhauses in meiner alten Heimatstadt Wiesbaden. Die Zimmer sind nicht groß, aber sehr funktionell und gut ausgestattet und die Betten sind bequem. Ein Doppelzimmer gibt es ab 120 Euro, was für Wiesbaden nicht teuer ist. Doch Preise sind bekanntlich relativ, es kommt auf die Leistung an, die dafür geboten wird.
In meinem Lieblingshotel ist nicht nur das reichhaltige und frische Frühstücksbüffet mit Bio-Produkten inklusive. Es gibt kostenloses WLAN, kostenloses Telefonieren in 20 Länder und kostenlose Tageszeitungen. Das alleine wäre gut aber würde für einen WOW-Effekt vielleicht noch nicht ausreichen. Selbst die bei Regen (kostenlos) zur Verfügung gestellten Regenschirme findet man auch woanders. Eine besondere Erwähnung wert sind schon eher die für jeden Gast zum Mitnehmen bereitstehenden Badeschlappen, aber das ist noch nicht alles.
WOW-Effekt 1: Beim Frühstück wird man explizit aufgefordert, sich doch gerne ein zweites Frühstück zu machen und mitzunehmen. Geeignete Papiertüten liegen dafür schon bereit.
WOW-Effekt 2: Die Minibar steht zentral im Foyer. Zwei große Kühlschränke bieten eine breite Auswahl. Da das Foyer nachts nicht besetzt ist, kann man sich selbständig bedienen. Der Hotelbesitzer vertraut seinen Gästen offensichtlich. Als ich am nächsten Morgen die Getränke (ca. 10 Euro) bezahlen wollte erlebte ich eine Überraschung. „Vielen Dank, dazu laden wir Sie ein. Hoffentlich hat es Ihnen bei uns gefallen…“.
Haben Sie Zweifel daran, dass ich dem Hotel die Treue halten werde?
Fünf Lerneffekte zur Verbesserung des Kundenservice in Banken
Was können nun Banken und Sparkassen aus den Beispielen lernen? Die folgenden fünf Hinweise lassen sich identifizieren:
Vertrauen Sie Ihren Kunden
„Nichts finde ich schlimmer am Bankschalter als angebundene Kugelschreiber“ sagte mir erst neulich ein Bekannter, „Da merkt man sofort, dass einem als Kunden nicht vertraut wird“. Ich dachte, sowas gibt es gar nicht mehr. Scheinbar doch. Und wie viel schlimmer sind dann erst umfangreiche Formulare und Selbstauskünfte, die von jemand verlangt werden, der schon seit Jahren Kunde ist. Vieles davon ist sicherlich gesetzlich erforderlich. Es kommt aber auch hier auf das „Wie“ an.
Die Basisleistung muss stimmen
WOW-Effekte können nicht entstehen, wenn der Kern einer Leistung nicht stimmt. Ich würde nicht bei Amazon einkaufen, wenn ich mit Produkten und Preisen nicht prinzipiell zufrieden wäre. Und ich würde auch kein Hotel buchen, in dem die Zimmer z.B. nicht sauber sind. Wenn aber die Grundelemente einer Leistung stimmen, dann kann guter Service zum Sahnehäubchen für echte Kundenbindung werden.
Mehrleistungen müssen spürbar sein
Der Kunde muss das Sahnehäubchen auch erkennen und spüren. Eine Duschhaube oder ein Stück Schokolade auf dem Kopfkissen sind mittlerweile Standard. Badeschlappen, noch dazu solche die qualitativ hochwertig wirken und nicht sofort als Werbemittel erkennbar sind, bieten einen echten Mehrwert. Wenn dann noch überraschende Leistungen dazu kommen, stellt sich schnell Begeisterung ein.
Eigene Vorteile für die Kundenzufriedenheit nutzen
Wenn die Rücksendung einer Ware im Endeffekt teurer ist als der Verbleib beim Kunden, dann ist der damit verbundene Vorteil eine echte Win-Win-Situation. Solche Gelegenheiten gilt es zu suchen und zu finden, auch in der Finanzdienstleistung. Beispiel gefällig? Die Empfehlung und Vermittlung eines günstigen Stromanbieters durch eine Bank kann sowohl für den Kunden zu Einsparungen führen als auch für die Bank zu Erträgen durch die Vermittlung führen, also eine echte Win-Win-Situation mit Mehrwert für den Kunden sein.
Reklamationen als Chance begreifen
In zwei der geschilderten Fälle handelte es sich um Reklamationen. Doch viele der inzwischen fast überall etablierten Abteilungen für Beschwerdemanagement in Banken und Sparkassen arbeiten noch immer mit Vordrucken und Formularen statt mit der Schaffung echter Handlungsspielräume für die Mitarbeiter.
Gerade bei Beschwerden besteht jedoch eine echte Chance, Kunden mit unbürokratischer und schneller Hilfe zu begeistern und so aus einem verärgerten Kunden einen Stammkunden zu machen.
Schildern Sie Ihre persönlichen WOW-Erlebnisse beim Kundenservice
Hatten Sie auch schon WOW-Erlebnisse durch guten Kundenservice? Ich freue mich, wenn Sie mir über Ihre Beispiele berichten. Die interessantesten veröffentliche ich gerne hier im Bank Blog. Nutzen Sie einfach das Kontaktformular oder senden Sie mir eine E-Mail.