Im Zuge der steigenden Bedeutung von Nachhaltigkeit kommt institutionellen Investoren die wichtige Aufgabe zu, Unternehmen bei der Durchsetzung von ESG-Kriterien kritisch zu begleiten. Worauf es dabei ankommt, zeigt das Beispiel der Union Investment.
An kritischen Stimmen gegenüber deutschen Aktiengesellschaften hat es in den vergangenen Wochen nicht gemangelt:
- Siemens ist in Ungnade gefallen durch seine Geschäfte im Umfeld einer australischen Mine.
- ThyssenKrupp wird vorgehalten, sein Geschäftsmodell nicht den Realitäten des Klimawandels anzupassen.
- Daimler sieht sich damit konfrontiert, in der Elektromobilität die Zeichen der Zeit verschlafen zu haben.
Was diese Vorwürfe gemein haben? Erstens drehen sie sich im Kern um Fragen aus dem Themenkomplex der Nachhaltigkeit. Zweitens werden sie durch die Medien verstärkt und in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Und, last but not least, drittens: Die Investoren nehmen die Vorwürfe ernst und verlangen von den Unternehmen eine entsprechende Reaktion.
Die Zeit, in der Anteilseigner die Geschäftspolitik der großen Konzerne mehr oder minder abnicken, sind lange vorbei. Im Mittelpunkt steht vielmehr das so genannte Engagement, also die kritische Begleitung der Unternehmen über Jahre hinweg. Ziel ist es, auf das jeweilige Management so einzuwirken, dass Risiken minimiert werden und gleichzeitig die Geschäftsmodelle fit für die Zukunft gemacht werden.
Management im Dialog
Essenziell dafür ist aber weniger der öffentlichkeitswirksame Auftritt bei einer Hauptversammlung. Dessen Bedeutung wächst erst, wenn das Management seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Wichtiger ist die alltägliche Arbeit mit den Unternehmen, der rege Austausch.
Rund 4.000 Dialoge führt das Portfoliomanagement von Union Investment pro Jahr mit Unternehmensvertretern, davon rund 500 zu spezifischen Nachhaltigkeitsthemen. Dabei kann es um etwaige Probleme in Lieferketten gehen, etwa beim Thema Konfliktmineralien in Batterien für Elektroautos. Oft stehen aber auch die Vergütungssysteme des Managements oder die notwendige Reduzierung von CO2-Emissionen im Mittelpunkt. Getrieben werden diese Dialoge auf Seiten von Union Investment stets durch den Wunsch, das Unternehmen weiterzuentwickeln und nachhaltig auf einen Wachstumspfad zu führen.
Erfolg wie Misserfolg haben Konsequenzen
Nicht immer klappt das im ersten Anlauf. Sollten sich die Dialoge allerdings als erfolglos erweisen, dann kann sich die Kritik auch im Abstimmungsverhalten widerspiegeln. So verweigerte im vergangenen Jahr Union Investment dem Bayer-Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund des Umgangs mit der Übernahme von Monsanto die Entlastung.
Fälle wie dieser kommen vor, sollten aber eher die Ausnahme als die Regel bleiben. Denn häufig bringt das Engagement über die Unternehmensdialoge sichtbare Erfolge: Es ist eine große Errungenschaft, dass RWE und BASF – nach entsprechenden Dialogen – künftig prüfen werden, ob und inwiefern ihre Lobbyarbeit im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzvertrag steht. Die beiden Dax-Konzerne gehören immerhin zu den größten CO2-Produzenten Deutschlands. Und auch der Erdölgigant Shell hat auf Drängen der Investoreninitiative Climate Action 100+ (CA100+), zu der auch Union Investment gehört, verbindliche Klimaziele an die Vergütung des Vorstands gekoppelt.
Divestment im Extremfall
Im Extremfall aber, wenn Dialoge, Forderungen und Abstimmungen nicht zum erhofften Ziel führen, dann gibt es nur noch eine Konsequenz: Divestment. Dann wird der jeweilige Emittent für die Sondervermögen gesperrt und eventuell verwaltete Bestände werden aufgelöst.
Nicht selten hängt der Ausschluss mit dem jeweiligen Produktportfolio zusammen. Grundsätzlich tätigt Union Investment keine Investitionen in Unternehmen, die an der Herstellung geächteter Waffen wie etwa ABC-Waffen, Landminen und Streubomben oder der Förderung von Kohle beteiligt sind. Das geschieht beispielsweise auch bei gravierenden Verstößen gegen die Prinzipien des UN Global Compact, wenn durch Engagement-Dialoge mit Emittenten kein positives Ergebnis erreicht werden kann.
Ein prominentes Beispiel ist der brasilianische Minenbetreiber Vale. Nach zwei verheerenden Minenunglücken mit zahlreichen Toten sind Portfoliomanager von Union Investment wiederholt mit dem Management des Konzerns in den Dialog getreten: Zentral war die Frage, wie das Unternehmen künftige Unglücke dieser Art vermeiden will und welche Sicherheitsvorkehrung getroffen würden. Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend – in der Folge wurden die Bestände in Vale veräußert. Das Unternehmen ist für Publikumsfonds von Union Investment vorerst nicht mehr investierbar.
Vom Sorgenkind zum Musterknaben
Vorerst, denn Urteile dieser Art sind nicht ewig gültig. Wenn der Grund für die Sperre wegfällt, ist eine Adresse grundsätzlich auch wieder investierbar. Das gilt im Fall der Abspaltung problematischer Unternehmensteile ebenso wie im Fall verbesserter Unfallprophylaxe.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sich ein Unternehmen auf dem richtigen Weg befindet, bleibt der Kontakt deshalb oft auch dann erhalten, wenn der Emittent nicht investierbar ist. Eine Abkehr von der problematischen Unternehmenspolitik hätte dann möglicherweise neue Investitionen zur Folge, wenn das Portfoliomanagement von der Qualität und den Perspektiven des Konzerns überzeugt ist.
Denn dann könnte im Idealfall auch eine Transformationsstory folgen: vom Sorgenkind in Sachen Nachhaltigkeit hin zum Musterknaben – mit entsprechender Kursperformance, wenn die ESG-Risikofaktoren an den Kapitalmärkten sukzessive wieder ausgepreist werden.