Embedded Finance im Firmenkundengeschäft

Wie Banken Chancen und Potentiale nutzen könnten

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Im Geschäft mit Firmenkunden sind noch enorme Potenziale verborgen. Wie es aber häufig mit verdeckten Chancen ist, bleiben sie im hektischen Tagesgeschäft oftmals unentdeckt. Doch das lässt sich ändern, wie ein fiktives Beispiel zeigt.

Wie Banken Potenziale im Firmenkundengeschäft heben können

Wie Banken Potenziale im Firmenkundengeschäft heben können.

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Im Folgenden möchte ich Ihnen einige inspirierende Ideen liefern, die einerseits auf den bekannten Stärken klassischer Firmenkundenbanken aufbauen und andererseits disruptive Impulse benennen, die für einen großen Entwicklungs- und Wachstumssprung notwendig sind.

Sie dürfen überrascht sein, denn oftmals sind eben diese disruptiven Ideen in anderen Teilen der Bank schon längst Realität. Damit Sie etwas mehr Spaß beim Lesen haben, erlaube ich mir, diesen Artikel im Storytelling-Stil zu schreiben.

Richtige Zielstellungen für die Digitalisierungsstrategie?

Eigentlich könnte sich Dr. Huber, Vorstand für das Firmenkundengeschäft in einer Universalbank, zurücklehnen und zufrieden sein. Die Geschäfte laufen gut. Marktanalysten erwarten bis 2027 ein jährliches Wachstum bis zu 7,7 Prozent. Trotzdem war Dr. Huber unzufrieden. Er stellte sich selbst zwei kritische Fragen:

  • Ist denn mit der heutigen Strategie die höchstmögliche Wertschöpfung in Hinblick auf Marktdurchdringung, Umsatz und Gewinn erreicht?
  • Wurde das bereitgestellte Budget für Digitalisierungsprojekte sinnvoll und wachstumsorientiert genutzt?

Zunächst hinterfragte Dr. Huber die Digitalisierungsstrategie seines Bereichs. Hier flossen in einem ersten Schritt hohe Beträge in die Modernisierung der IT-Systeme und in die Optimierung der Geschäftsprozesse. Diese Investitionen haben zwar nachweislich dazu beigetragen, dass viele Prozesse schneller und in einer verbesserten Qualität ausgeführt werden konnten. Allerdings, so stellte Dr. Huber auch fest, nahmen beispielsweise Kunden keine spürbaren Verbesserungen wahr. Mit Blick auf die laufenden Kosten wurde auch schnell klar, dass die erzielten Effizienzgewinne die Kostenseite nur in einem geringen Umfang entlasten. Das Fazit von Dr. Huber: Hohe Kosten, aber nur marginale Verbesserungen. Verbesserungen für Kunden? Fehlanzeige!

Digitalisierung als Treiber für Produktinnovationen

Diese Ergebnisse waren Auslöser einer kritischen Diskussion. Dr. Huber fühlte sich immer mehr darin bestärkt, seine Strategie neu auszurichten und die Digitalisierung als Treiber für Produktinnovationen zu nutzen.

So weit, so gut. Ernüchternd stellte er aber auch fest, dass in den letzten 25 Jahren keine echten Produktinnovationen mehr eingeführt wurden und sich das Portfolio des Firmenkundengeschäfts kaum von Mitbewerberbanken unterschied. Daraus leitete er auch die Frage ab, ob die Bank wirklich in der Lage sei, innovative Ideen zu entwickeln.

Eher zufällig las Dr. Huber zu dieser Zeit einen Beitrag in einem Onlineportal. Darin wird über ein bekanntes Big Tech-Unternehmen berichtet, dass den Einstieg in den Markt mit Finanzdienstleistungen im Firmenkundengeschäft plant. Stark verkürzt wiedergegeben, positioniert sich dieses Big Tech als eine Art „PayPal für das B2B-Geschäft“ inkl. eines Ökosystems mit verschiedenen Kategorien an Finanzdienstleistungen für KMU.

Eine Art PayPal für das B2B-Geschäft? Nein, hier könnte seine Bank nichts entgegensetzen. Dieses Beispiel macht klar, will die Bank zukünftig ihre Marktstellung behaupten, muss sie die Fähigkeit erlernen, Produktinnovationen zu entwickeln. Auch wenn heute der Marktanteil von Fin- und Big Tech-Unternehmen im Firmenkundenbereich noch niedrig ist, zukünftig wird sich die Bank aber mit diesen neuen Mitbewerbern auseinandersetzen müssen, so Dr. Huber.

Lösungsansatz nimmt Gestalt an

Die Aufmerksamkeit von Dr. Huber richtete sich schnell auf den Geschäftsbereich Privatkunden der Bank und insbesondere da auf das Konsumentenkreditgeschäft. Zu Beginn der 2010er setzte eine massive Marktbewegung ein, d.h., Konsumenten kauften ihre Kredite dort, wo sie auch ihre Produkte online kauften. Infolgedessen waren die Vertriebskanäle Filiale und Onlinekredit nicht mehr wettbewerbsfähig.

In Rahmen eines ambitionierten Transformationsprozesses gelang es dem Bereich, marktführende Online-Plattformen als Kunden zu gewinnen. Moderne Technologie half, den Kreditantragsprozess schnell und einfach in die Websites der Online-Händler direkt am Produkt einzubetten. Zudem lieferte die Bank den Onlinehändlern (in ihrer Rolle als Kreditvermittler) viele Möglichkeiten, ihre Finanzierungsangebote flexibel auszugestalten. Ebenfalls mit Hilfe moderner Technologie war es gelungen, eine vollautomatisierte Kreditentscheidung zu implementieren. Nun zählt der Konsumentenkreditbereich der Bank zu den Marktführen im DACH-Raum. Seit nunmehr 10 Jahren in Folge wächst der Bereich stärker als der Markt. Experten stufen die Bank gar als Technologieführer im Embedded Finance-Geschäft ein.

Embedded Finance auch für das Firmenkundengeschäft?

Eine entscheidende Frage war, ob sich diese Erfahrungen aus dem Konsumentenkreditbereich der Bank auf das Firmengeschäft übertragen lassen. Oder anders ausgedrückt: Profitieren die Geschäftsmodelle von Firmenkunden durch eingebettete Finanzdienstleistungen in deren Geschäftsprozessen? Hier zunächst ein Blick auf das Marktgeschehen. Ja, vor allem große Industrieunternehmen haben dieses Absatzinstrument schon lange für sich entdeckt. Beispielsweise sind die Banken der großen Automobilhersteller einerseits wichtige Ertragssäulen in den Konzernen und anderseits sind die angebotenen Finanzdienstleistungen ein unverzichtbares Instrument für den Absatz ihrer Fahrzeuge.

Nun der Blick auf die typischen Firmenkunden im Verantwortungsbereich von Dr. Huber. Hier sind es überwiegend mittelständische Industrieunternehmen zwischen 500 und 3.000 Mitarbeitern mit einem Jahresumsatz zwischen 50 und 500 Mio. EUR. Der überwiegende Teil dieser Firmenkunden verkauft ihre Produkte wiederum an Unternehmen, sind also im B2B-Geschäft tätig.

Dr. Huber ist fest davon überzeugt, dass kleinere und mittelständische Industrieunternehmen, genau wie große Unternehmen, ebenfalls davon profitieren, wenn sie ihren Kunden direkt Finanzdienstleistungen anbieten. Kurzum: Dr. Huber möchte ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit mit seinen Firmenkunden aufschlagen. Ein wesentlicher Treiber seiner Expansionsstrategie basiert auf neuartigen, innovativen Produkten durch konsequente Nutzung smarter Digitalisierungstechnologien.

Abstimmung mit ausgewählten Firmenkunden

Ein entscheidendes Lessons Learned in der Digitalisierungsdebatte war die Erkenntnis, dass nicht unbedingt die technischen Fähigkeiten für den Erfolg entscheidend sind, sondern die Fähigkeit, die Geschäftsmodelle und die Märkte der Firmenkunden genau zu verstehen. Daher entschied Dr. Huber, seine Kunden eng in diesen Entwicklungsprozess zu involvieren.

Schritt 1: Ansprache an Kunden

Nach einer ersten Ansprache an langjährige und interessierte Firmenkunden, besuchte ein Team aus Firmenkundenberatern, Prozess-, Vertriebs- und Finanzierungsspezialisten die betreffenden Firmenkunden und analysierten alle relevanten Prozesse, in denen Finanzdienstleistungen sinnvoll platziert werden können.

Schritt 2: Konkreter Anwendungsfall

Nun der konkrete Fall eines Herstellers für Heiztechnikprodukte. Dessen Kunden sind überwiegend Handwerksbetriebe. Die typische finanzielle Abwicklung eines Geschäftsvorganges läuft wie folgt ab: Der Handwerker beauftragt den Heiztechnik-Hersteller mit der Lieferung von Produkten und erhält nach Lieferung der Produkte eine Rechnung mit dem vereinbarten Zahlungsziel.

Häufig kommt es aus Sicht des Handwerkers zu teils langen Verzögerungen, bis sein Kunde ihm wiederum seine Rechnungen bezahlt. In diesen Fällen unterstützen in der Regel die Hausbanken der Handwerker z.B. mit einer Zwischenfinanzierung. Nach Befragungen der Handwerker durch den Heiztechnik-Hersteller betrifft dies erfahrungsgemäß ca. 70 Prozent der Fälle. Durchschnittlich beträgt die Dauer der Zwischenfinanzierung knapp 4 Monate.

Die Vertreter der Firmenkundenbank und das Heiztechnik-Unternehmen vereinbarten, diesen Fall weiter zu konkretisieren.

Schritt 3: Geschäftspotenzial identifizieren

Die Experten der Bank und die Vertreter des Heiztechnik-Herstellers schätzten, konkret auf den geschilderten Fall bezogen, ein Finanzierungsvolumen von jährlich ca. 30 Mio. EUR, dass die Handwerker bislang mit ihren Hausbanken abwickelten. Eine neue, tolle geschäftliche Gelegenheit für das Heiztechnik-Unternehmen, hier Finanzierungen an Handwerker zu vermitteln?

Schritt 4: Kritische Fragen stellen

So weit, so gut. Nun die ersten kritischen Fragen: Warum sollen Handwerker zukünftig ihre etablierte Geschäftsbeziehung zu ihrer Hausbank einschränken und sich für die Finanzierungsangebote des Heiztechnik-Unternehmens entscheiden?

Hierzu mehrere Antworten: Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Vertriebs- und Servicemitarbeiter des Heiztechnik-Herstellers näher am Kunden sind. Des Weiteren sind diese Mitarbeiter früher in die Geschäftsplanungen der Handwerker involviert (z.B. durch die Angebotserstellung), als die Hausbanken. D.h. der Heiztechnik-Hersteller hat somit die Gelegenheit, sich früher als die Hausbank um den Zuschlag über die Zwischenfinanzierung zu bemühen.

Aber es sprechen noch weitere gute Gründe für den Heiztechnik-Hersteller und gegen die Hausbank. Erinnern Sie sich an das Big Tech-Unternehmen zu Beginn dieses Artikels, das den Firmenkundenmarkt mit einer Art B2B-PayPal erobern will? Warum fürchtet Dr. Huber hier diesen Mitbewerber, zumal die Firmenkunden ausgesprochen zufrieden mit seiner Bank sind? Die Antwort ist einfach. Dieser B2B-PayPal Service wird mit Sicherheit einfacher, schneller und bequemer zu nutzen sein als die entsprechenden Produkte der Bank. Und damit ist das Dilemma vieler Firmenkundenbanken genau beschrieben: Umständliche Prozesse, Medienbrüche, lange Entscheidungswege, komplizierte Reports bzw. Unterlagen und sicher noch viele weitere Punkte.

Schritt 5: Die Nutzererfahrung als Erfolgsfaktor

Ergo ist es hier die Aufgabe der Experten der Bank, sicherzustellen, dass den Handwerksbetrieben über den Heiztechnik-Hersteller, in seiner Rolle als Vermittler, eine exzellente Nutzererfahrung im gesamten Finanzierungsprozess geboten wird. Genau an dieser Stelle kann der Firmenkundenbereich von den Erfahrungen des Retailbereichs der Bank lernen. Hier wurde der Prozess, beginnend von der Kreditantragsstrecke bis zur Kreditentscheidung, komplett digitalisiert.

Sicher, das Firmenkundengeschäft ist komplexer. Aber dennoch lassen sich mit Sicherheit viele Prozesse schneller, anwenderfreundlicher und aus Sicht der Kunden bequemer gestalten. Die Retail-Experten haben zudem exzellentes Wissen zu den Themen UX und der Gestaltung von Banking-Apps aufgebaut. Viel Wissen kann hier mit den Kollegen geteilt werden.

Ein weiterer Erfolgsfaktor: Der KMU-Sofort-Kredit

Eine sofortige Kreditentscheidung ist im Konsumentenkredit-Bereich schon lange selbstverständlich, nicht aber bei der Vergabe von KMU-Krediten. Innovative Technologien machen aber genau dies möglich.

Die Erfahrungen zeigen, dass KMU-Kreditanträge in vielen Fällen sehr wohl sofort entschieden werden können. Diese Fähigkeit, bzw. diese Innovation, bildet zusammen mit einer bequemen sowie einer einfachen und übersichtlichen Nutzung exzellente Produktmerkmale.

Mehr Kundenbindung, mehr Erträge, höhere Gewinne

In dem geschilderten Fall hat das Heiztechnik-Unternehmen die Chance, durch die Vermittlung von Finanzdienstleistungen, Kunden stärker zu binden. Eine stärkere Kundenbindung zieht höheren Umsatz und höheren Gewinn nach sich. Finanzdienstleistungen sind für Unternehmen ein exzellentes Instrument, um ihren Absatz zu steuern.

Darüber hinaus wird es dem Unternehmen ermöglicht, zusätzliche Erträge durch Vermittlungsgebühren zu generieren.

Neben der klassischen Zwischenfinanzierung lassen sich noch viele weitere sinnvolle Produkte in einem „Embedded-Finance-Konzept“ platzieren, abhängig vom Geschäftsmodell des Kunden.

Erfahrungen zeigen, dass das Volumen für Finanzierungen bei Industrieunternehmen bis zu ca. 70 Prozent des Umsatzes liegen kann. Industrieunternehmen haben daher eine exzellente Chance, ihre Wertschöpfung deutlich zu erhöhen.

Aus Sicht der Bank ergeben sich ebenfalls zahlreiche Vorteile. Die Bank hat nun durch Anwendung der neuen Strategie Zugriff auf die Kunden ihrer Firmenkunden und damit eine neue Quelle für Umsatz und Ertrag.

Wie oben geschildert, ergibt sich nur bei dem Heiztechnik-Unternehmen ein Finanzierungsvolumen nur durch Zwischenfinanzierungen in Höhe von 30 Mio. EUR p.a. Würde ein Großteil der Industriekunden aus dem Bereich von Dr. Huber das Konzept des „Embedded Finance“ nutzen, würde das ein Finanzierungsvolumen im Mrd. EUR-Bereich bedeuten.

Innovative und zukunftsweisende Produkte sind kein Alleinstellungsmerkmal von Challenger Banken, Fin- oder Big Tech-Unternehmen. Auch etablierte Banken können sich in diesem Wettbewerb durchsetzen. Wie dieses Beispiel zeigt, sind viele Dinge in der Bank schon verfügbar und mit Modifikationen nutzbar.

Gegenentwurf zu BigTechs

Das vorgestellte Konzept kann auch als Gegenentwurf zu Planungen von BigTech-Unternehmen und anderen kapitalkräftigen Marktakteuren verstanden werden. Diese Unternehmen werden Ökosysteme im Firmenkundengeschäft entwickeln und Banken einen harten und intensiven Wettbewerb liefern, insbesondere bei standardisierten Finanzdienstleistungen. Haben Banken in diesem Wettbewerb keine Antworten und werden Teil des Geschäftsmodells dieser Ökosysteme, wird dies unweigerlich zu einem Verfall der Erträge führen.

Mein Tipp: Betrachten und analysieren Sie die Geschäftsmodelle ihrer Firmenkunden ganz genau. Noch wichtiger ist es, die Märkte der Kunden Ihrer Firmenkunden zu verstehen. Dann gelingt es Ihnen, Finanzdienstleistungen zu entwickeln, die ganz genau den Bedarf treffen.

Beschäftigen Sie sich mit dem Konzept des „Embedded Finance“ und liefern Sie ihren Firmenkunden die Möglichkeit, Finanzdienstleistungen anzubieten, ohne selbst eine Bank zu sein.

 

Über den Autor

Klaus Röhr

Klaus Röhr ist Autor bei Springer Science sowie freiberuflicher Experte für Digitalisierungsthemen in Banken und Experte zum Thema Banking Business Development. Er war zuvor für verschiedene Technologieunternehmen im Bankenvertrieb tätig.

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