Kennen Sie das Betriebssystem Ihrer Kunden?

Wie emotional ist Ihre Customer Journey?

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Wir sprechen nach dem Corona-bedingten Lock-down von einem notwendigen Strukturwandel in der Gesellschaft und bei unseren Werten. Doch wie kann der Wandel in den Unternehmen gelingen? Ein selbstkritischer Blick auf die Customer Journey zeigt Ansätze.

Banken und Sparkassen müssen positive Kundenerlebnisse schaffen

Kreditinstitute müssen positive Kundenerlebnisse schaffen.

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Vor 30 Jahren war in der europäischen Top Hotellerie was Wort Customer Journey noch nicht gebräuchlich. Wir haben damals (ich komme ursprünglich aus der Welt der Premium Hotels) den Begriff: Service-Inszenierung verwendet. Dieses Wort hat einen tiefergehenden Charme, denn es macht deutlich, dass exzellenter Service wie bei einer Theaterinszenierung kein Zufallsprodukt, sondern immer das Ergebnis eines guten Regisseurs und seiner Truppe auf der Bühne ist.

Bei der Customer Journey liegt der Fokus der „Kundenreise“ mehr auf der Perspektive des Betrachters. Somit symbolisiert dieser Begriffs-Wechsel auch eine Veränderung der Wahrnehmungsposition – und dies ist durchaus sehr hilfreich für Sie und Ihr Unternehmen beim Change-Prozess.

Wie sieht Ihre Customer Journey aus?

Schon vor der Corona-Pandemie haben wir die Herausforderung der digitalen Revolution und des disruptiven Wandels gehabt. Die Art wie gerade Ihre Branche darauf reagiert, macht mich sprachlos und ärgerlich. Unisono reagiert die Finanzbranche mit Cost Cutting Programmen und einer Fusionswelle. Meine ganz persönliche Erfahrung dabei: Bei meinen Kreditinstituten haben in letzten Jahren meine Berater durchgewechselt. Eine persönliche telefonische Übergabe bzw. Vorstellung des Nachfolgers hat nie stattgefunden. So kann ein Beziehungsaufbau aber nicht funktionieren.

In Zeiten der Corona-Krise werden Ihnen die Statistiken des RKI und die täglichen Präsentationen der aktuellen Fallzahlen sehr vertraut sein. Auf den Punkt gebraucht bedeutet dies aber auch, dass eine einzelne Zahl oder ein Messwert noch keine Erkenntnis bringt. Bringen Sie mehrere Ergebnisse zusammen auf ein Koordinatenkreuz und verbinden dann diese Punkte – erhalten Sie einen Trend.

Bei Ihrer Customer Journey wollen wir uns nun den folgenden Fragen zuwenden:

  • Wann und wie haben Sie zum letzten Mal gemessen?
  • Wie sieht Ihre Trendkurve aus?
  • Haben Sie eine Verbesserung erzielt und damit die Situation für Ihre Kunden nachhaltig beeinflusst?
  • Oder geht es mit dem Service-Erlebnis Ihrer Kunden in den Keller der Enttäuschung?

Von anderen Branchen lernen

Schauen wir mal kurz über unseren Tellerrand hinaus auf andere Branchen. Man suchte das Heil in einer ständigen Verbesserung der Prozesse (z.B. die ISO – Zertifizierungswelle) und leitete daraus auch eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität ab. Allerdings immer durch die Brille für Kosteneinsparungen und den sogenannten Quick Fix. Dazu fällt mir sofort folgende Metapher ein. „Wir können den Zaun nicht reparieren, weil wir die Hühner fangen müssen“

Quick Fix oder grundlegende Investitionen?

Kundenbindung (Hühner fangen) ist kein Quick Fix. Es erfordert grundlegende Investitionen in Ihr Team und Ihre Prozesse. Lassen Sie uns den Zaun reparieren um unsere Kunden langfristig zu behalten.

Auch die Automobilbranche ist sehr gebeutelt und das Vertrauen der Kunden durch die Dieselskandale und E-Auto Debatte sehr erschüttert – und dennoch hat die Firma Mercedes Benz einen neuen Begriff geprägt: Begegnungsqualität. In Stuttgart hat man wohl erkannt, dass wir trotz digitaler Prozesse und Algorithmen auf menschliche Beziehungen setzen müssen. Auch in der Corona-Krisenzeit erkennen wir ganz deutlich, wie wichtig die Begegnung mit Menschen ist. Meine wichtige Botschaft möchte ich Ihnen gleich am Anfang mitgeben: Bindung entsteht nur durch Begegnung!

Messpunkte der Customer Journey

Nun zu meinen Messpunkten. Anfang dieser Woche bat mich mein bester Freund um einen Gefallen. Er steht vor einem Erwerb einer Immobilie die er seit Jahren gemietet hat und ich sollte ihn bei den Finanzierungsgesprächen zur Seite stehen. Dazu hatte er zwei Gespräche vereinbart:

  • Zunächst ein Termin bei seiner Hausbank (blaue Fraktion) und
  • anschließend ein Hausbesuch eines Vertreters (selbständig) einer Bausparkasse.

Das  erste Gespräch war ein Desaster. Völlig unvorbereitet empfing uns der Berater. Obwohl im Vorfeld schon die Eckdaten bekannt waren, signalisierte der Mitarbeiter kein Interesse. (Trotz hoher Eigenkapitalquote und sehr gutem Einkommen) und verwies mehrfach darauf, sich gleich an die hausinterne Bausparkasse zu wenden, deren Konditionen unschlagbar seien.

Dann der Hausbesuch und die Besichtigung der Bausparkasse. Sehr freundlicher und extrovertierter Vertreter. Risikoanalyse und Bedarfsanalyse wurden durchgeführt. Unterschiedliche Modelle zur Wahl gestellt. Ganz am Ende der 1½ stündigen Beratung, schon bei den letzten Punkten wie Schufa-Auskunft, Passkopie und Bilanzen der letzten drei Jahre. Dann die entscheidende Frage: wie viele Mitarbeiter beschäftigen sie? Bei der Feststellung, dass es sich bei meinem Freund um einen Solo-Unternehmer ohne Mitarbeiter handelt verfinsterte sich der Blick. Wir haben da eine neue Regelung seit dem 20. April 2020. Solo-Selbständige sind von einer Finanzierung ausgeschlossen. Bäng! Case closed!

Wie fühlt sich eine Kunde nach zwei solchen Erfahrungen an einem Nachmittag? Enttäuscht, frustriert und Zeit verplempert. Und hier soll Vertrauen generiert werden.

Nur zwei Messpunkte – aber wenn Sie die Punkte verbinden erhalten Sie trotzdem schon einen Trend….

Ein Ausflug an die Servicefront

Nun ein Ausflug an die Servicefront der Branche. Setzen Sie für folgende Bespiele Ihre Kundenbrille auf und spitzen Sie Ihre Kunden-Ohren.

Bleiben Sie bitte ein paar Minuten in der Beobachterposition. Wir drehen das Rad nochmal ganz zurück an den Anfang einer Kundenreise und greifen interessiert zum Telefon weil Sie einen echten Bedarf für eine Finanzierung haben.

Hörbeispiel 1: Der misslungene Elevator Pitch

Der Kunde hat Interesse und überprüft den sogenannten Elevator Pitch des Beraters. Für den ersten Eindruck gibt es allerdings keine zweite Chance. Gewinner erkennt man am Start – Verlierer auch… Trotz idealer Ausgangssituation für den Berater – es erfolgte kein Warm-up, nicht die Frage: was ist Ihnen denn wichtig? (Topkaufmotiv). Auch die Kontaktsicherung unterbleibt.

Hörbeispiel 2: Kunde scheitert an internen Prozessen

Im zweiten Beispiel scheitert der Kunde an den internen Prozessen der Bank, weil er 20 Kilometer vom Firmensitz entfernt wohnt. Jede Kundenreise muss glatt und spielerisch verlaufen. Welcher Kunde will schon zweimal anrufen, um am Ende grandios mit seinem Anliegen zu scheitern.

Hörbeispiel 3: Der Kunde fällt durchs Raster

Auch im dritten Beispiel steht der interne Prozess im Vordergrund. Der Kunde fällt durchs Raster. Ein wenig Freude über einen Neukunden könnte helfen – einen Flirt mit dem Kunden zu starten. „Schön, dass Sie anrufen – vielen Dank für Ihr Interesse + Verwendung des Kundennamen sind wichtige Trainingsbausteine – die hier leider nicht zur Anwendung kommen.

Ladung und Entladung

Wie geht es nun dem Kunden nach diesen Kontaktversuchen? Versetzen Sie sich in seinen Ladezustand.

Diese Beispiele und viele weitere habe ich gesammelt. Leider habe ich nicht ein einzig gutes Beispiel das ich Ihnen präsentieren könnte…Warum?? Das ist momentan der traurige Branchenstandard!! Nun sind Sie gefragt und starten eine Testserie in Ihrem Unternehmen. Sie werden überrascht sein und bitte reparieren Sie Ihren Zaun.

Dazu noch eine kleine Ergänzung: Betrachten Sie kurz die Darstellung dieser kleinen Batterie – es ist das Modell unseres menschlichen Betriebssystem (SWG-Selbstwertgefühl).

Eine einfache Formel für Vertrauen im Banking

Grundlage ist immer Zeit, Aufmerksamkeit und Leistung. Nun muss Fürsorge noch hinzukommen. Nur wenn ein Mensch diese Komponente spürt und erkennt kann sich Vertrauen bilden.

Wir erfahren Ladung wenn der Pluspol des Menschen angesprochen wird: Aufmerksamkeit, Interesse und Wertschätzung.

Wir erleben Entladung, wenn wir auf Missachtung, Ignoranz und fehlende Hilfsbereitschaft treffen. Urteilen Sie selbst:

  • Was haben die Hörbeispiele mit dem Selbstwertgefühl des Anrufers gemacht?
  • Wie viele Ladestationen für den Kunden konnten Sie entdecken?

Das emotionale Erlebnis muss in den Vordergrund

Für mich als Dienstleistungsexperte gibt es daraus nur einen Schluss zu ziehen. Wir müssen bei unserer Kundenreise das emotionale Erlebnis und die Begegnung in den Vordergrund rücken.

Das ist für mich die Reparatur des Zaunes um in dem vorherigen Bild zu bleiben. Mit einem intakten Service-Zaun wird das Einfangen von neuen Kunden ein Kinderspiel.

Auch in 30 Jahren wird es keine App für Vertrauen geben. Setzen Sie auf sämtliche Elemente für Bindung.  Aufmerksamkeit, Interesse und Fürsorge sind die lebensnotwendigen Zutaten bei Ihrer Customer Journey. Damit schaffen Sie Ihren „Point of Difference“ bei der Erlebnisreise der Kunden.

Setzen Sie die Kundenbrille aus!

  • Wann haben Sie zum letzten Mal einen Testanruf in Ihrem Unternehmen gemacht?
  • Wie viel Interesse und Aufmerksamkeit haben Sie gespürt?
  • Haben Sie eine Kerze im Herzen bei den Mitarbeitern gespürt? Nur wer selbst brennt, kann andere entzünden!
  • Wurden alle Zusagen an den Kunden verlässlich eingehalten?
  • Würden Sie selbst nach der Test-Erfahrung Ihr Unternehmen weiterempfehlen?

Starten Sie sofort einen Quality Circle in Ihrem Unternehmen und setzen Sie die Kundenbrille auf. Trainieren Sie das Modell SWG regelmäßig mit dem gesamten Kunden-Kontakt-Personal. Werten Sie persönlich die Calls und Testergebnisse aus.

Verstecken Sie sich bitte nicht hinter Datenschutzverordnungen. Analysieren und bewerten Sie die Ergebnisse in Ihrem Arbeitskreis. Den entscheidenden Unterschied zu machen ist bei dem branchenüblichen Standard wahrlich nicht schwer!!

Über den Autor

Michael Bauer

Michael Bauer ist Experte für komplexe Dienstleistungen und Servicekonzepte. Der studierte Hotelmanager ist Berater, Trainer, Buchautor und Speaker zu Krisenmanagement und disruptivem Kulturwandel in Unternehmen.

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