Einer Studie zufolge stehen Bezahldienstleister besonders in Europa und Nordamerika unter zunehmendem Druck. Das Sinken des Ertragswachstums erfordert strategisches Handeln. Chancen sind da, werden aber noch nicht ausreichend genutzt.
Der Zahlungsverkehr galt viele Jahre als Huhn, das goldene Eier legt: Die Erträge sprudelten. Im Jahr 2023 erzielten Finanzunternehmen weltweit Einnahmen von insgesamt 1,8 Billionen US-Dollar aus Zahlungsverkehrstransaktionen, Gebühren und Zinserträgen auf Girokonten und Kreditkarten – ein Anstieg gegenüber 1,6 Billionen US-Dollar im Vorjahr. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 9 Prozent in den letzten fünf Jahren.
Das ändert sich laut einer aktuellen Studie der Boston Consulting Group (BCG), in der jährlich die weltweiten Zahlungsströme und Erträge der Zahlungsdienstleister analysiert werden. Für die Zahlungsverkehrsbranche wird es daher zunehmend herausfordernder, profitables Wachstum zu erzielen. Führungskräfte im Zahlungsverkehr müssen jetzt entschlossen agieren und strategische Entscheidungen für die Zukunft treffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Weniger Ertragswachstum in der Zahlungsverkehrsbranche
Für die kommenden Jahre erwartet BCG eine Abkühlung des Wachstums in der Zahlungsverkehrsbranche. Bis 2028 soll das weltweite Ertragspotenzial voraussichtlich nur noch um 5 Prozent jährlich auf 2,3 Billionen Dollar steigen.
Besonders betroffen sind dabei Zahlungsdienstleister in Europa und Nordamerika, wo das jährliche Wachstum auf 3 Prozent begrenzt bleiben dürfte. In der asiatisch-pazifischen Region wird hingegen ein überdurchschnittliches Wachstum von 6 Prozent pro Jahr erwartet. Das stärkste Wachstum prognostiziert BCG für Lateinamerika sowie den Nahen Osten und Afrika mit jährlichen Zuwachsraten von 9 beziehungsweise 7 Prozent.
Ursachen des Wachstumsrückgangs
Die Verlangsamung des Wachstums hat verschiedene Ursachen: In etablierten Märkten wie den USA, Großbritannien und den skandinavischen Ländern ist der Übergang von Bargeld zu digitalen Zahlungen nahezu vollständig vollzogen. Dort werden inzwischen weniger als zehn Prozent des Werts aller Verbrauchertransaktionen mit Bargeld abgewickelt. Selbst in traditionell bargeldaffinen Ländern wie Deutschland hat sich der Bargeldanteil am Transaktionswert im stationären Handel in den letzten 15 Jahren halbiert.
Diese Marktreife dämpft die Wachstumsraten im digitalen Zahlungsverkehr. Hinzu kommt, dass die hohen Margen der Jahre 2022 und 2023, die vor allem auf steigende Zinsen infolge der hohen Inflation zurückzuführen waren, angesichts sinkender Inflationsraten und einer Normalisierung der Zinsen in den kommenden Jahren deutlich zurückgehen dürften.
Zudem wird die Anzahl regulatorischer Vorschriften weiter steigen. Zahlungsverkehrsdienstleister müssen zunehmend größere Ressourcen für deren Einhaltung aufwenden.
Zahlungsinfrastrukturdienstleister als Gewinner des Wandels
Die verschiedenen Sektoren der Zahlungsverkehrsbranche zeigen in diesem herausfordernden Marktumfeld unterschiedliche Widerstandsfähigkeiten. Zahlungsinfrastrukturdienstleister, wie die großen Kreditkartenanbieter, gehören seit 2014 mit einem durchschnittlichen Total Shareholder Return (TSR) von jährlich 15 Prozent zu den stabilsten Akteuren. BCG sieht auch in Zukunft gute Chancen, dass dieser Trend anhält. Allerdings könnte die Gefahr für die globalen Kreditkartennetzwerke steigen, wenn Echtzeit-Konto-Zahlungslösungen wie UPI oder Pix an Bedeutung gewinnen.
Im Bereich Acquiring, das Händlerakzeptanzgeschäft, wurden über Jahre hinweg TSR-Zuwächse von rund 30 Prozent pro Jahr erzielt. Seit 2021 leidet dieses Segment jedoch unter zunehmendem Wettbewerb durch Softwareunternehmen, die integrierte Zahlungsakzeptanz anbieten. Der TSR ist seitdem um durchschnittlich 16 Prozent jährlich gesunken.
Die Studie erwartet für dieses Segment moderates Wachstum und prognostiziert bis 2028 eine Steigerung des Ertragspools von 6 Prozent pro Jahr. Im Bereich der Kartenemittenten bleibt das TSR mit einem durchschnittlichen Wachstum von 5 Prozent pro Jahr in den letzten zehn Jahren hinter dem Rest der Zahlungsverkehrsbranche zurück. Für die Zukunft rechnen die Studienautoren in diesem Karten-Issuing-Bereich mit einem moderaten Wachstum des Ertragspools von 6 Prozent jährlich.
Instant Payments auf dem Vormarsch
Echtzeitzahlungen haben sich nach jahrelangem Nischendasein zu einem zentralen Thema für die gesamte Zahlungsverkehrsbranche entwickelt. In über 60 Ländern weltweit sind mittlerweile Transaktionen in Echtzeit möglich, und erste Initiativen zur Vereinfachung grenzüberschreitender Instant Payments gewinnen zunehmend an Bedeutung.
In einigen Märkten, wie Brasilien oder Indien, ist die Akzeptanz sowohl bei Privatkunden als auch bei Unternehmen bereits sehr hoch. Finanzdienstleister haben die Möglichkeit, sich mit geeigneten Angeboten einen deutlichen Vorteil zu verschaffen. Dazu gehört beispielsweise die Schaffung von Services und Zusatzleistungen für ihre Kunden, ähnlich wie bei Kartenzahlungen. Zudem können sie sich in Bereichen wie Risikomanagement, Betrugsprävention und der Bearbeitung von Kundenreklamationen positionieren. Diese Aspekte gewinnen aufgrund der Unwiderruflichkeit von Echtzeittransaktionen zunehmend an Bedeutung.
Auch die Backoffice-Strukturen der Banken und Zahlungsdienstleister müssen an die Anforderungen des Instant-Zeitalters angepasst werden. Echtzeitzahlungen werden Auswirkungen auf das Liquiditätsmanagement sowie die Betrugs- und Sanktionsprüfung haben. Die Zahlungsverkehrsunternehmen müssen sicherstellen, dass ihr Backoffice und die damit verbundenen Prozesse auf die 24/7-Anforderungen von Instant Payments vorbereitet sind.
Künstliche Intelligenz bietet Potentiale
Kaum eine technologische Innovation verspricht dem Zahlungsverkehrssektor so enorme Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten wie generative künstliche Intelligenz (GenKI). Dennoch zögern viele Unternehmen in der Payments-Branche, GenKI konsequent zu nutzen. Nur 18 Prozent verfügen über eine klar definierte GenKI-Strategie, und lediglich 7 Prozent haben spezifische Entwicklungsteams eingerichtet.
Ein Grund für diese Zurückhaltung ist die Unsicherheit über den erwarteten Return on Investment (RoI) sowie die Befürchtung, dass das kurzfristige Wachstum und damit die Zufriedenheit der Investoren beeinträchtigt wird. Zudem sind viele Unternehmen der Ansicht, dass ihre aktuelle IT-Infrastruktur und insbesondere die Qualität ihrer Daten noch nicht ausreichend sind, um GenKI wirklich effektiv einzusetzen.
GenKI ist jedoch mehr als nur ein technologisches Upgrade. Um die Vorteile dieser Technologie zu nutzen, sollten sich Zahlungsverkehrsunternehmen auf GenKI-Anwendungen in Bereichen mit hohem Wertschöpfungspotenzial konzentrieren, wie beispielsweise im Kundenservice oder in der Softwareentwicklung.
Skalierbare Zahlungsverkehrsarchitektur als Schlüssel zum Erfolg
Zahlungsanbieter, die heute mutige Produktinnovationen und technologische Modernisierungen vorantreiben, werden nicht nur die Zukunft der Branche prägen, sondern auch langfristigen Mehrwert für ihre Kunden und Aktionäre schaffen.
Die Modernisierung der Technologie ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit: Die Branchenführer von morgen benötigen eine modulare, cloudbasierte und skalierbare Zahlungsverkehrsarchitektur, um widerstandsfähig und kosteneffizient zu bleiben. Der Wechsel zu modernen Systemen innerhalb einer sich ständig weiterentwickelnden Marktinfrastruktur ermöglicht es Unternehmen, technische Altlasten abzubauen, Betriebskosten zu senken und Produkte schneller auf den Markt zu bringen.
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