Die größten US-amerikanischen Banken und Vermögensverwalter ziehen sich aus ESG-Themen zurück: BlackRock, Vanguard, JPMorgan Chase, Citibank, State Street. Auch private Investoren scheinen diesem Trend zu folgen. Geht eine Ära zu Ende?

Nachlassende Begeisterung für Nachhaltigkeit und ESG

Die Begeisterung für Nachhaltigkeit und ESG scheint nachzulassen.

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Im Jahr 2022 hat Vanguard die Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM) bzw. Net-Zero Banking Alliance (NZBA) verlassen. JPMorgan Chase, Morgan Stanley und die Bank of America planten damals, dem Austritt zu folgen, weil verbindliche, restriktive Beschränkungen für die Finanzierung fossiler Brennstoffe eingeführt werden sollen. Die strikteren Regeln werden dadurch verhindert.

Im gleichen Jahr wenden sich immer mehr Privatinvestoren in den USA von ESG-Investments ab. Es schließen mehr ESG-Fonds, als neue an den Markt gehen. In Deutschland und Europa stagnieren die ESG-Investments ab Ende 2023. Die Bedeutung von ESG für die Anlageentscheidungen der Investoren nimmt ab.

2024 verlassen JPMorgan Chase und State Street die Climate Action 100+ Group (CA100+), BlackRock reduziert sein entsprechendes Engagement auf seinen internationalen Zweig außerhalb der USA. Allein durch diese drei Entscheidungen werden ca. 14 Billionen (!) US-Dollar direkt aus der finanziellen ESG-Selbstverpflichtung genommen. Vanguard war der Gruppe CA100+ nie beigetreten. Schließlich verlassen JPMorgan Chase, Citibank, Bank of America und Wells Fargo die ESG Project Finance Group mit ihren Equator Principles. Diese gelten als Branchenbenchmark für die Bewertung von ESG-Risiken bei Projektfinanzierungen durch Investoren.

Die Begriffe ESG und Nachhaltigkeit werden in den USA mittlerweile in Finanzkreisen aktiv gemieden, zum Beispiel in Kunden- und Eigentümerinformationen. BlackRock redet  stattdessen von „Transition Investing“. Auch ESG-Gremien werden aktiv umbenannt.

Gründe für die Kehrtwende bei ESG – eine Spurensuche

Diese Entwicklungen sind zunächst zur Kenntnis zu nehmen. Sie können nicht ignoriert werden. Bezeichnender Weise steht der Trend im Gegensatz zu den geäußerten privaten Überzeugungen bekannter CEOs wie etwa Larry Fink (BlackRock) und Jamie Dimon (JPMorgan Chase). Deshalb scheinen die Ursachen woanders zu liegen.

Politische Verwerfungen in den USA

Einige Ursachenanalysen enden mit dem Verweis auf politische Verwerfungen in den USA und der starken Politisierung und öffentlichen Polarisierung von ESG zwischen Republikanern (ESG-Gegner) und Demokraten (ESG-Befürworter). Viele republikanische Staaten verbieten inzwischen ihren Pensionsfonds, Anlageentscheidungen nach ESG-Kriterien zu treffen, da sie auf den Renditeertrag für die Pensionszahlungen angewiesen sind und Anlageentscheidungen im Sinne von „ESG auf Kosten der Rendite“ daher nicht tragen wollen.

Gerichtsverfahren im ESG-Umfeld

Politischen Ursprung könnten auch viele Gerichtsverfahren im ESG-Umfeld haben, mit Vorwürfen zu ESG-Kartellen und ESG-Absprachen bei freiwilligen ESG-Selbstverpflichtungen nach bestimmten ESG-Standards. Asset Manager werden an ihre Treuhänderpflichten gegenüber ihren Kunden erinnert, wenn ESG-Ziele nicht in den Produktverträgen stehen, Rendite aber schon. Auch anti-ESG-aktivistische Shareholder wie etwa Bluebell fordern Rücktritte von Bank-Vorständen und eine Entpolitisierung der Anlageentscheidungen zugunsten von mehr Rendite.

Transparenz und Vermeidung von Greenwashing

Jenseits der Politik geht es jedoch auch um Transparenz und die Vermeidung von Greenwashing. Striktere ESG-Vorgaben von freiwilligen Selbstverpflichtungen schrecken Finanzinstitute ab, wie etwa der Austritt von Vanguard 2022 belegt oder der Druck anderer Asset Manager auf die NZAM/NZBA, würden strengere Regeln eingeführt. Auch die Scheu vor mehr Transparenzpflichten bei Investmententscheidungen mag dabei eine Rolle spielen.

Zurückgehende Nachfrage der Privatkunden

Und schließlich wiegt die zurückgehende Nachfrage der Privatkunden schwer, denn sie ist letztendlich die Existenzberechtigung jedes Unternehmens. Fehlen die Kunden, wird das Unternehmen in einer Marktwirtschaft nicht mehr benötigt. Marktwirtschaft ist in diesem Sinne die Demokratie der Kunden. Jeder Kunde stimmt mit seiner Nachfrage für oder gegen Unternehmen und eben auch für und gegen Finanzinstitute und ihre ESG-Produkte.

Die zurückgehende Nachfrage wirkt sich damit zwangsläufig auf die Euphorie von Banken aus, entsprechende Produkte bereitzustellen. Inflation und höhere Zinsbelastungen und damit der größere Renditedruck für Investitionen mag das Kundenverhalten beeinflusst haben. Ebenso wie das am Finanzmarkt aufziehende Thema Künstliche Intelligenz, was hohe Renditen verspricht.

Bewertung aus Sicht der europäischen Finanzszene

Deutsche und europäische Banken und Asset Manager erleben einerseits den intensiven regulatorischen Druck „von oben“ (EU-Green Deal, CSRD, EU-Taxonomie etc.), müssen aber andererseits im Wettbewerb um Kunden und deren Druck „von unten“ bestehen. ESG ist in Europa deshalb von der Finanzwelt grundsätzlich nicht „abwählbar“. (Ab-)Wählbar sind allerdings freiwillige Selbstverpflichtungen, die eigene Positionierung im Markt bezüglich ESG (USP) und die entsprechende Marktkommunikation (mit und ohne Greenwashing). Aber richtig verstandene Nachhaltigkeit kann auch zum Wettbewerbsvorteil werden.

Dreh- und Angelpunkt fast aller Argumente ist die Gegenüberstellung von ESG und (bzw. statt) Rendite. Das war der grundlegende Fehler bei den Entwicklungen der letzten Jahre, der jetzt zu Enttäuschungen führt und damit zu ablehnenden Reaktionen. Bereits die UN haben in der Entwicklung der Nachhaltigkeitsziele festgestellt, dass vorgebliche Nachhaltigkeit ohne ökonomische Nachhaltigkeit nicht nachhaltig sein kann. Der Dreiklang heißt „Planet, People, Profit“ (PPP).

„ESG“ alleine ist nicht nachhaltig, „ESG plus Profit“ aber schon. Das sagen selbst die UN in ihrer Definition von Nachhaltigkeit. Wer ESG retten will, muss auch Profitabilität wollen.

„ESG+P“

Wer den Profit vernachlässigt, kann in einer realen Welt nicht überleben. Die Schwerkraft ökonomischer Gesetze gilt auch für ESG. Schon der Begriff ESG führt zu Verwirrung, da er die PPP-Nachhaltigkeitsdefinition der UN nicht vollständig abbildet, sondern den Profit ausspart. Die korrekte Bezeichnung wäre demnach „ESG+P“. ESG repräsentiert „Environmental, Social and Governance“ ohne Economy (also Profit) zu nennen. ESG beschreibt damit das Wesen von „Nachhaltigkeit“ nicht vollständig, ESG+P dagegen schon.

Grundsätzlich ist Folgendes bekannt: Sehr erfolgreiche Unternehmen sind häufig auch bei ESG stark, aber nicht alle ESG-orientierten Unternehmen sind auch profitabel. Hier liegt also der grundlegende Fehler, das heißt in der einseitigen Betrachtung von ESG ohne Bezug zu Profit. Erfolgreiche Investitionsentscheidungen der Banken und Asset Manager sollten deshalb immer auf ESG+P setzen, damit keine Enttäuschungen vorprogrammiert sind. Echte, vollständige Nachhaltigkeit ist damit der Erfolgstreiber im Streben nach einer besseren Welt und gleichzeitig zum Wohle jedes einzelnen Investors. So kann sich die Stimmung zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung von ESG+P, also einschließlich des Profits, zu neuen Höhen entwickeln.

Ökonomische Gesetze müssen Teil jeder Nachhaltigkeit sein

Basierend auf den Entwicklungen am Finanzmarkt in den USA wird ESG derzeit als renditeschwach angesehen, sodass die größten US-Finanzinstitute aktiv Abstand nehmen. Die wesentliche, von der UN selbst geprägte Erkenntnis ist jedoch, dass ökonomische Gesetze Teil jeder Nachhaltigkeit sein müssen und die Kombination ESG+P zu Finanzerfolg führt. An dieser Stelle wurden zum Beispiel bereits Vorschläge gemacht, wie mit ESG Wachstum erzielt werden kann – über reine Compliance hinaus.


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