Die Veröffentlichung der ersten Taxonomiequoten seitens der deutschen Banken zeigt: Die EU-Richtlinie lässt noch viele Fragen offen. Um die Zahlen aussagekräftiger zu machen, braucht es jetzt belastbare Daten und einheitliche Herangehensweisen.

Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie in Banken und Sparkassen

Anlaufschwierigkeiten bei der Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie in Banken und Sparkassen.

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Die europäische Wirtschaft muss nachhaltiger werden – darüber ist man sich auf EU-politischer Ebene spätestens seit der Verabschiedung des Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum im Jahr 2020 einig. Ein Konsens, der in Form der Taxonomieverordnung vor allem die Wirtschaft in die Pflicht nimmt, die Dimensionen ihrer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit nachvollziehbarer darzustellen. Die Idee: Wenn Unternehmen über den Anteil ihrer nachhaltigen Geschäftsaktivitäten berichten müssen, fällt es auch Investoren leichter, sich für „grüne“ Anlageoptionen zu entscheiden.

Grün heißt in diesem Fall, dass die Geschäftsaktivitäten einen Beitrag zu mindestens einem der Klima- und Umweltziele der EU leisten: Verhinderung des Klimawandels, Anpassung an den Klimawandel, Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Für die Banken hat die EU-Verordnung zur Folge, dass sie über die Green Asset Ratio den Portfolioanteil von Krediten und Anleihen für klimafreundliche Unternehmen oder Projekte in angeben müssen. Deshalb müssen die Finanzhäuser seit Anfang des Jahres zunächst die Taxonomiefähigkeit bezüglich der EU-Klimaziele ihrer Portfolios offenlegen.

Abweichende Erhebungsmethoden

Die bisher veröffentlichten Taxonomiequoten der deutschen Banken zeigen vor allem, dass es derzeit noch deutlich an einheitlichen Erhebungsmethoden fehlt. So bewegen sich die die Quoten aktuell noch zwischen null und 35 Prozent. Die großen Abweichungen sind einerseits auf rechnerische Widersprüche – zum Beispiel nicht bereinigte Dopplungen – zurückzuführen, größtenteils aber durch die derzeit noch sehr lückenhafte Datengrundlage begründet.

Weil die Unternehmen selbst zum ersten Mal ihre Quoten offengelegt haben, konnten die Banken noch nicht auf deren Taxonomieberichte zugreifen. Das hat unter anderem zur Folge, dass einige Banken ihre gesamten Aktiva in die Berichterstattung miteinbeziehen, während andere vorsichtshalber nur einen Teil ihres Portfolios in das Reporting einfließen lassen. Darüber hinaus erschwerend: Die EU-Kommission untersagt grundsätzlich, Schätzwerte für die Bewertung zu nutzen.

Großer Interpretationsspielraum

Dass sich die Verordnung stellenweise sehr frei auslegen lässt, sorgt ebenfalls für abweichende Herangehensweisen bei der Berechnung der Quoten. Ein Beispiel: die Abgrenzung von Unternehmen, die der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) unterliegen, gegenüber nicht betroffenen Unternehmen. Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sind bisher gänzlich von der Berichterstattung ausgeschlossen. Die allgemeine Unsicherheit führt dazu, dass in diesem Jahr vor allem taxonomiefähige Kredite gegenüber großen Unternehmen und Hypothekendarlehen an Privathaushalte Teil der Berichterstattung waren. Gerade deshalb ist davon auszugehen, dass die Taxonomiequoten der Banken im kommenden Jahr steigen werden, wenn auch Wertpapiere und Schuldverschreibungen berücksichtigt werden.

Mangelende Strategien für die Umsetzung

Eine aktuelle PwC-Studie zeigt, dass Unternehmen den Aufwand für die Umsetzung der Taxonomie immer noch unterschätzen. So gaben 39 Prozent der Befragten an, dass sie sich bisher noch nicht eingehender mit der Verordnung beschäftigt haben. Folglich sind auch die Zuständigkeiten für die Berichterstattung weit davon entfernt, einheitlichen Ansätzen zu folgen. Erst in einem Drittel der Unternehmen sind eigene Sustainability- oder Corporate-Responsibility-Abteilungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortlich. In allen anderen Unternehmen variiert die Zuständigkeit zwischen Rechnungswesen (14 Prozent), Controlling (13 Prozent), Investor Relations (12 Prozent), Kommunikation (9 Prozent) und Strategie und Entwicklung (5 Prozent). Standardisierte Prozesse für die Berichterstattung findet man ebenfalls nur in jedem dritten (36 Prozent) der Unternehmen. Budget, um neue Anforderungen zu realisieren, ist bei gerade mal 4 Prozent der Umfrageteilnehmer vorhanden.

Große Chance für nachhaltige Portfolios

Wie wirksam die Taxonomieverordnung in Zukunft Finanzströme in nachhaltige Investitionen und Wirtschaftstätigkeiten lenken wird, ist aktuell kaum zu beurteilen. Erste Erkenntnisse werden nach der Review-Phase der EU (2025 ff.) mit der Offenlegung der Taxonomiekonformitätsquoten im Finanzsektor zu diskutieren sein. Erst dann sind Investoren in der Lage, den Nachhaltigkeitsgrad ihrer Anlagen gezielt zu steuern. Bis dahin liegt es an der EU, bestehende Unklarheiten auszuräumen und die Verordnung an strittigen Stellen nachzuschärfen. Um die Aussagekraft der Daten aus den offengelegten Taxonomiekonformitätsquoten zu stärken, wäre zudem zielführend, die Taxonomie auf weitere Branchen wie zum Beispiel das Transportwesen auszuweiten. Feststeht: Für die Banken ist die Verordnung schon jetzt eine große Chance, die Nachhaltigkeit ihres Portfolios zu erhöhen.


Kerim Bilican, PwC Deutschland.

Kerim Bilican ist Koautor des Beitrags. Er ist Director im Bereich Financial Services Consulting bei BwC und leitet große Umsetzungs- und Transformationsprojekte bei Banken, insbesondere zur Umsetzung der ESG Anforderungen.


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