ESG-Risiken: Banken müssen umdenken

Warum im Risikomanagement neue Ansätze gefragt sind

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Der Klimawandel zwingt Banken dazu, Risiken anders zu bewerten und neue Wirkungsmechanismen zu berücksichtigen. Es gilt, den Methodenbaukasten im Risikomanagement um ESG-Risiken zu erweitern, die im Kreditprozess bisher zumeist nicht strukturiert berücksichtigt werden.

Folgen des Klimawandels für das Risikomanagement der Banken

Wie wirken sich die unmittelbaren Folgen des Klimawandels auf die Kunden der Banken und Sparkassen aus?

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Es war ein Hochwasser, wie es Deutschland in dieser Form noch nicht gesehen hatte: Nach einem Starkregen im Juli 2021 werden die Menschen im Ahrtal von einer Flutwelle überrascht, Straßen und Häuser binnen kurzer Zeit vom Wasser weggerissen. Neben Sachschäden sind zahlreiche Tote zu beklagen. Die Katastrophe ist auch eine Folge des Klimawandels, da sind sich Experten einig. Und sie betrifft auch Kreditgeber, die in die betroffenen Regionen investiert sind. Somit kommen auch Risikoabteilungen von Banken nicht daran vorbei, sich mit den Folgen der Erderwärmung zu befassen.

Selbstverständlich ist der Umgang mit Risiken seit jeher Teil des Geschäftsmodells von Finanzdienstleistern, Risikomanagement zählt zu einer Kernkompetenz der Branche. Üblicherweise haben die dabei betrachteten Risiken – wie Liquiditäts-, Kredit-, Markt- oder operationelle Risiken – die Auswirkungen auf das Institut selbst zum Gegenstand. Bei ESG-Risiken (Environment, Social, Government) verhält sich dies anders: Diese wirken als so genannte Risikotreiber auf die anderen Risikoarten, insbesondere das Kreditrisiko. Aus diesem Grund ist es geboten, dass Banken ESG-Risiken in all ihren Facetten berücksichtigen und dabei einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Denn auch von Seiten der Aufsicht ist der Druck hoch: Die Aufseher der BaFin sowie die EZB und die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA erwarten, dass Geldinstitute Transparenz schaffen über ESG-Risiken. So geht es zum einen darum, entsprechende Risiken zu identifizieren, um so Steuerungsfähigkeit herzustellen. Gleichzeitig gibt es die Erwartung, dass sich das Topmanagement mit dem Thema ESG und daraus resultierenden Risiken befasst und u. a. die Auswirkungen auf die Geschäfts- und Risikostrategie bewertet. Was also bedeutet das für Banken konkret?

ESG-Risiken einkalkulieren

Bleiben wir beim Beispiel des Ahrtals und den damit verbundenen so genannten physischen ESG-Risiken: So sind Immobilien und Grundstücke in den betroffenen Regionen über Nacht plötzlich deutlich weniger wert. Das ist nur ein Exempel von vielen, das belegt: Der Umwelt-Aspekt wirkt sich entscheidend auf die Geschäftstätigkeit von Banken aus. Entsprechend müssen Geldinstitute reagieren und physische ESG-Risiken künftig bei der Kreditprüfung mit einkalkulieren – so wie es Versicherungen längst tun. Dabei geht es vor allem darum, zu verstehen, welchen physischen Risiken der Kreditnehmer ausgesetzt ist.

Um diese überblicken zu können, brauchen Banken Informationen darüber, wie groß die Risiken im Einzelnen sind und wie sich diese in die Assets übersetzen lassen. Und um erneut das Beispiel Ahrtal aufzugreifen – Banken sind dann angehalten zu prognostizieren, wie sich Überschwemmungen dort in Zukunft auswirken könnten: An welcher Adresse ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Flut das Haus zerstören würde? Welche Fabrikhallen sind wie gefährdet? Mithilfe von Geoinformationen lässt sich so eine konkrete Aussage treffen, wie hoch der Verlust in Zukunft ausfallen könnte. Auch hier verfügen Versicherungen bereits über fundiertes Wissen und Erfahrung.

Risiken im Geschäftsmodell

Doch das ist noch nicht alles: Banken werden künftig auch nicht umhin kommen darüber zu urteilen, ob das Geschäftsmodell eines Unternehmens in einer klimaneutralen Zukunft noch tragfähig sein wird. Ist ein Autobauer potenziell nicht nachhaltig? Inwiefern muss sich das in der Kreditwürdigkeit niederschlagen? An dieser Stelle geht es also darum, die sogenannten transitorischen Risiken zu managen.

Eine enorme Herausforderung: Denn dafür müssen Geldinstitute beurteilen können, wie anpassungsfähig ein Geschäftsmodell ist. Dazu gehört auch, dass Banken einschätzen können, wie sich verschiedene Klimaszenarien sowie politische Vorgaben auswirken werden: Wie tragfähig wird ein Geschäftsmodell bei einer Erderwärmung beispielsweise um zwei Grad sein? Wie wird sich die Erhöhung des CO2-Preises auswirken? Hier gilt es, Vorhersagen zu treffen und zu modellieren, um Aussagen zur Ausfallwahrscheinlichkeit unter diesem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Oder anders gesagt: Ein Klimaszenario muss in ein volkswirtschaftliches Szenario übersetzt werden, aus dem wiederum Ableitungen für die Kreditausfallwahrscheinlichkeit getroffen werden. Hier sind nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Bewertungen gefragt.

Neue Kategorien, neue Wirkungsmechanismen

Der Umgang mit ESG-Risiken erfordert von Finanzinstituten eine Erweiterung des Methodenbaukastens im Risikomanagement. Um neue Wirkungsmechanismen zu verstehen, muss in neuen Kategorien gedacht werden. Das bedeutet, dass Risiken auch qualitativ betrachtet werden müssen. Mathematiker allein reichen dafür nicht mehr aus. Die Institute sind gezwungen, deutlich langfristiger zu denken und neue Treiber zu berücksichtigen, die bisher nicht im Fokus standen.

Wie sind Banken für diese Herausforderungen aufgestellt? Auf der Agenda haben das Thema alle. Mitunter stehen ihre Bemühungen jedoch noch eher am Anfang. Gleichzeitig ist diese neue Art zu arbeiten für einige Institute relevanter als für andere. Neues Denken ist ad hoc vor allem bei den Banken gefragt, die in CO2-intensiven Sektoren wie Immobilien, Shipping, Automotive oder Energie aktiv sind.

 

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Über den Autor

Christoph Betz

Christoph Betz ist Partner Financial Services bei KPMG und dort mitverantwortlich für den Dienstleistungsbereich Transformation. Daneben leitet er die ESG und Sustainable Finance Aktivitäten von KPMG im deutschen Bankensektor. Zuvor war er für verschiedene internationale Banken im Kapitelmarktgeschäft tätig.

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