Europäische Bankenaufsicht und Künstliche Intelligenz

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

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In diesem Jahr wird der europäische Aufsichtsmechanismus SSM zehn Jahre alt. Die europäische Antwort auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise hat einiges bewirkt. Heute gilt es, den Bankensektor fit für die nächsten zehn Jahre zu machen.

Europäische Bankenaufsicht: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der europäischen Bankenaufsicht.

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Finanzaufsicht hat grundsätzliche Aufgaben, wie die Sicherung der Finanzstabilität, ist aber immer auch eingebettet in aktuelle Entwicklungen innerhalb und außerhalb der Finanzbranche. Dazu zählen insbesondere technologische Entwicklungen im Rahmen der Digitalisierung.

Was war, was ist und was wird prägend sein für den Finanzsektor und die Aufsicht? Im Folgenden sollten darauf einige Antworten umrissen werden.

Zehn Jahre SSM

Im Jahr 2014 entstand der SSM (Single Supervisory Mechanism). Zu dieser Zeit war die europäische Aufsicht alles andere als einheitlich. Ziel des SSM war es, europaweit an alle Banken den gleichen strengen Maßstab anzulegen. Institute sollten hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung und der Qualität ihrer Vermögenswerte vergleichbarer werden. Gleichzeitig sollten alle Institute im Euroraum nach einheitlich hohen Aufsichtsstandards und ohne den viel zitierten „National Bias“ beaufsichtigt werden.

Die neu geschaffene Institution stand vor der Herausforderung, heterogene Aufsichtsansätze und -kulturen zusammenzubringen sowie konsistente und transparente europäische Aufsichts- und Beurteilungskonzepte zu entwickeln.

Heute, im Jahr 2024, sind die Bankbilanzen deutlich solider. Neben allgemein höheren Kapital- und Liquiditätsquoten sind auch die NPL-Quoten in den Bankbilanzen im Euroraum stark gesunken, von 8 Prozent im Jahr 2014 auf unter 2 Prozent. Und das trotz einiger Herausforderungen auf diesem Weg, wie z.B. der Brexit, die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine oder die Bankenturbulenzen im letzten Jahr diesseits und jenseits des Atlantiks.

Vereinheitlichung von Methoden und Standards der Aufsicht

Auch an den Methoden und Standards der Aufsicht wurde gearbeitet und beispielsweise der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) vereinheitlicht. Auf dem Weg zur Vereinheitlichung mussten wir allerdings an der einen oder anderen Stelle realisieren, dass die Prozesse zu komplex werden.

Dagegen hat eine Expertengruppe, die Wise Persons Group, der europäischen Aufsicht im letzten Jahr eine stärkere Risikoorientierung und eine höhere Risikotoleranz verordnet. Sie hat der Aufsicht empfohlen, zu priorisieren und sich bei Häufigkeit und Umfang von Aufsichtsaktivitäten stärker an den Risiken und der Bedeutung der Institute zu orientieren.

Zusammenarbeit über Ländergrenzen

Die Aufsicht arbeitet im SSM effektiv zusammen und dies über Ländergrenzen hinweg. Durch diese Zusammenarbeit ist deutlich weniger National Bias wahrnehmbar; zum Beispiel werden Prüfungen auch länderübergreifend oder im Mixed Team durchgeführt. Der SSM zeigt, dass Europa funktioniert.

Die Zukunft der europäischen Bankenaufsicht

Wenn wir in die Zukunft schauen: Wie wird die europäische Aufsicht in zehn Jahren aussehen? Welche Arbeit liegt vor uns?

Was man schon deutlich erkennen kann, ist der Strukturwandel. Klimarisiken, geopolitische Risiken, demographischer Wandel und Digitalisierung erfordern umfangreiche Anpassungen unserer Volkswirtschaften, die sich auch in den Geschäftsmodellen der Institute niederschlagen werden und damit auch die Aufsicht fordern.

Digitalisierung, FinTechs und Kryptowerte

Ein Blick auf die Digitalisierung der Finanzbranche soll stellvertretend für all die unterschiedlichen Herausforderungen stehen.

„Ganz früher“, also zum Beispiel im Jahr 2014, galten FinTechs noch als Exoten im Finanzsektor – kleine Unternehmen, die „irgendwas mit Digitalisierung“ machten, was teilweise außerhalb der klassischen Finanzaufsicht lag. Kryptowerte waren damals ebenfalls noch neu und längst nicht im Mainstream angekommen.

Heute gibt es tausende unterschiedliche Kryptowerte, und nicht wenige haben sogar schon eigene Geldanlagen in Bitcoin getätigt – und etliche haben damit auch viel Geld verloren. Die Risiken von Kryptowerten sind offensichtlich und ein Fall für die Regulierung. Hier ist Europa tatsächlich der Welt voraus: Mit der „Markets in Crypto-Assets Regulation“, kurz MiCAR, wurde in der EU einen soliden regulatorischen Rahmen für Kryptowerte geschaffen.

Und auch FinTechs, haben sich weiterentwickelt. Dank Technologien wie API (Application Programming Interface) und Cloud haben sich FinTechs mittlerweile erfolgreich in die Wertschöpfungskette des Banken- und Finanzgeschäfts integriert. Entgegen ursprünglicher Befürchtungen haben sie die etablierten Institute damit aber nicht vom Markt verdrängt, sondern sind in vielen Fällen zu deren Kooperationspartnern geworden.

Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Aufsicht

Bleibt die Frage: Was kommt? Wie wird die Digitalisierung den Finanzsektor und die Aufsicht in den nächsten zehn Jahren verändern?

Künstliche Intelligenz zum Beispiel dürfte unser aller Leben gründlich verändern. Das Bankgeschäft wird hiervon keine Ausnahme bleiben. Noch ist die Relevanz der eingesetzten künstlichen Intelligenz für das Geschäft der Banken begrenzt. So wird KI beispielsweise für Chatbots im Kundenkontakt genutzt, noch aber nicht im Kern des Bankgeschäfts.

Aber wird es dabei bleiben? KI bietet aussichtsreiche Chancen und könnte künftig vermehrt im Finanzsektor eingesetzt werden, von der Bonitätsprüfung bis hin zu Risikomanagement-Modellen. Weit in die Zukunft gedacht, könnte Regulierung das einzige sein, was zwischen uns und einer Bank steht, die komplett von einer künstlichen Intelligenz betrieben wird.

Aber würden wir das wollen? Ich persönlich hätte Bedenken, nicht zuletzt, weil KI spezifische Risiken mit sich bringt und etliche ethische Fragen aufwirft. So können mangelhafte Trainingsdaten zu verzerrten Ergebnissen führen. Eine Folge könnte z.B. die Diskriminierung bei der Kreditvergabe sein.

Hinzu kommt, dass KI häufig eine „Black Box“ ist. Wir kennen die Daten, die hineingehen, und wir kennen das Ergebnis, das herauskommt. Was dazwischen passiert, ist jedoch nicht immer nachzuvollziehen – eine Herausforderung gerade im Risikomanagement und in der Bankenaufsicht.

Klar ist also, dass KI einen regulatorischen Rahmen braucht. Und ebenso wie bei Kryptowerten ist Europa auch hier voraus.

Mit der KI-Verordnung, dem AI Act, gibt es nun auf europäischer Ebene einen sektorübergreifenden regulatorischen Rahmen für AI-Anwendungen. Banken die KI nutzen, müssen im Zweifel den AI Act anwenden – die Bundesbank ist hier übrigens keine Ausnahme.

Und ebenso wie bei KI wird es auch bei anderen – heute vielleicht noch gar nicht erkennbaren Themen – neue Herausforderungen geben, auf welche die Aufsicht reagieren muss – und reagieren wird.

Über den Autor

Burkhard Balz

Burkhard Balz ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Bereiche Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Hochschule und Internationaler Zentralbankdialog. Der gelernte Bankkaufmann und Jurist war lange Zeit im Firmenkundengeschäft der Commerzbank tätig und von 2009 bis 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments.

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