Wero bringt frischen Wind in die europäische Payment-Welt, aber der Weg zum Erfolg ist steinig. Während bewährte Systeme wie Swish oder Bizum ihren Platz verteidigen, startet Wero mit P2P-Zahlungen und zielt auf den E-Commerce. Wird Wero die Marktlücke nutzen können?
Es ist 2024, und alles spricht über Account-to-Account-Payments (A2A). Lange genug hat es gedauert, seit die Echtzeit-Überweisung SCT Inst 2016 eingeführt und in den Folgejahren nur zögerlich adaptiert wurde. Mit der verpflichtenden Einführung, die 2025 endlich erfolgt, gibt es keine Ausreden mehr: europaweit wird schnelles Bezahlen direkt vom Konto der neue Standard. Gute Voraussetzungen für wero, die neue europäische A2A-Zahlungsmethode.
Und doch wird das Wallet, das der Betreiber EPI (European Payment Initiative) aufsetzt, keineswegs ein Selbstläufer. Denn der Markt wartet nicht auf eine weitere Zahlart. Nicht in Schweden, wo mit Swish ein erfolgreiches kontobasiertes Wallet existiert, nicht in Spanien, wo Kundinnen und Kunden mit Bizum ganz selbstverständlich einkaufen, nicht in Polen mit Blik.
Nicht einmal in Deutschland wird wero sehnlichst erwartet, obwohl es hier außer der Kreditkarte keine durchgängige Zahlungsmöglichkeit über alle Kanäle gibt. Der Star am Point of Sale (POS), die girocard, ist im Onlinehandel immer noch unsichtbar, während PayPal, das online sogar den urdeutschen Rechnungskauf von der Spitze verdrängen konnte (lt. EHI 2023), im stationären Handel kaum Akzeptanz findet.
Start mit P2P-Payments
Wero tritt nun an, dies besser zu machen. Wie die andernorts erfolgreichen Wallets beginnt man mit Person-to-Person-Zahlungen (P2P), einer Disziplin, die relativ einfach bereitzustellen ist, aber schon die Ansprache eines breiten Publikums ermöglicht. Seit Anfang Juli 2024 finden Kontoinhaber der Sparkassen und Genossenschafts-Banken die wero-Option in ihren Online-Banking-Apps, weitere Banken in Deutschland, Frankreich und Belgien kommen sukzessive dazu. Im Herbst 2024 wird auch die wero-App an den Start gebracht, in der sich in Zukunft alle Services versammeln sollen.
Der nächste Schritt, für 2025 geplant, liegt in der Integration des E-Commerce. Dafür bedient sich die EPI Company eines Konstrukts, das sonst eher aus der Kartenwelt bekannt ist: die Händlerakzeptanz wird über Acquirer geregelt. Diese sind in der Gestaltung der Preise frei. Damit umgeht das neue Payment Scheme eventuelle Einwände der Kartellbehörden gegen von Banken gemeinschaftlich festgelegte Konditionen. Für Acquirer, die nicht aus dem Kreis der bislang 16 Shareholder der Gesellschaft stammen, ist eine Mitgliedschaft vorgesehen. Onlinehändler sind eingeladen, bereits im vierten Quartal 2024 an der Ausgestaltung als Pilotkunden mitzuwirken, beispielsweise über die Anbindung an Computop, den ersten Payment Service Provider, der die neue Zahlart an seine Zahlungsplattform anschließt.
Schnell genug auch für den POS
Der breite Rollout im E-Commerce soll nach den Plänen von EPI der Auftakt sein zur Gewinnung auch des stationären Handels im Jahr 2026. Hier liegt die größte Umsatzchance, doch auch die größte Herausforderung. Denn die Integration neuer Zahlarten in die vielfältigen Kassensysteme, die Erfolgsmeldung der Transaktion zurück an den Kassenplatz (bei der es auf jede Sekunde ankommt) und die geringe Flexibilität vieler Terminals verstellen den Weg an den POS regelmäßig. Wero wird sich hier des dynamischen QR-Codes bedienen, der an der Kasse angezeigt und vom Kunden abgescannt werden soll. Für kleinere Händler, aber auch mobile Kleinunternehmen wird es zudem eine Funktion „P2Pro“ geben, mit einem statischen QR-Code ohne Kassenanbindung und mit einer Sichtprüfung des Zahlungsabschlusses.
Doch allein die Präsenz auf den üblichen Vertriebskanälen macht noch kein erfolgreiches Payment Scheme aus. Über allem steht die Usability sowohl für Kunden als auch für Händler, die die Nutzerakzeptanz fördert. Die schnelle Near Field Communication (NFC), die dem kontaktlosen Bezahlen an der Ladenkasse zugrundliegt, ist zur Gewohnheit geworden und lässt den eher umständlichen QR-Code veraltet aussehen. Durch eine gute Nutzerführung in der App kann wero jedoch einiges aufholen, daher darf das Publikum auf die Ausgestaltung gespannt sein.
Garantien machen wero wertvoller
Nicht minder wichtig sind die Serviceleistungen rund um die Zahlung. PayPal ist mit Garantien in beide Richtungen erfolgreich geworden: Zahlungsgarantie für Händler und Käuferschutz für Kunden. Für wero ist die Zahlungsgarantie einfach zu lösen, denn die Überweisung lässt für nachträgliche Tricksereien durch den Kunden relativ wenig Spielraum. Um aber auch bei den Konsumenten Vertrauen zu gewinnen, ist ein Dispute Management erforderlich, das einen bestmöglichen Interessensausgleich im Streitfall gewährleistet. Hier will EPI nachziehen.
Um Dienstleistungsbranchen zu gewinnen, ist eine weitere Funktion unerlässlich: die Reservierung von Beträgen für Kautionen. Aus gutem Grund stehen bei Autovermietungen und in Hotels bislang Kreditkarten am höchsten im Kurs. Reservierungen gegen das Girokonto hingegen verlangen auch den kontoführenden Banken Innovationen ab, denn im Idealfall soll für Kautionen mit dem wero-Wallet weder Guthaben abfließen noch der Dispositionsrahmen belastet werden.
Sicherheit mit Token und FIDO
In puncto Sicherheit hingegen liegt die neue Zahlart schon seit Beginn auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb: der Zahlungsprozess ist durchgehend tokenisiert, so dass keine echten IBANs durch die Netze fließen und die Klarangaben nur auf den Kontoauszügen der Beteiligten zu finden sind. Außerdem werden bei der Entwicklung der App auch biometrische Funktionen der Smartphones nach dem FIDO-Standard zum Einsatz kommen, um einen sicheren Login und eine zuverlässige Authentifizierung zu gewährleisten.
Die möglicherweise stärksten Argumente sind jedoch eher abstrakter Natur – und werden dadurch bei der Nutzergewinnung nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Denn das neue Angebot basiert vollständig auf EU-Recht, vom Datenschutz bis zum Serverstandort steht Europa nicht nur auf dem Umschlag, sondern es steckt auch drin. Die Zahlungsmöglichkeiten sollen dabei ausdrücklich nicht nur auf den Euro beschränkt sein, und alle Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sind eingeladen, sich zu beteiligen.
Möglicherweise werden nicht alle nationalen Lösungen bereitwillig im wero aufgehen wollen, wie es bei iDEAL und Bancontact der Fall sein wird, die von der EPI Company übernommen wurden. Darum sind die Hüter der neuen Zahlart auf Harmonie bedacht: damit sich girocard oder Carte Bancaire als lokale Champions in das neue Angebot eingliedern können, ohne ihre nationale Identität aufgeben zu müssen. Jedenfalls zu Beginn.