Europas Banken müssen auf BigTechs reagieren

GameChanger für Finanzindustrie und Zahlungsverkehr

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Große Technologiekonzerne drängen in den Zahlungsverkehr und längerfristig wohl auch in den gesamten Finanzmarkt. Die Banken müssen auf die Veränderungen reagieren. Eine europäische Lösung als Antwort auf die BigTechs sollte drei Elemente enthalten.

BigTechs: GameChanger für Finanzindustrie und Zahlungsverkehr

BigTechs wirken als GameChanger für Finanzindustrie und Zahlungsverkehr.

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Große internationale Technologiekonzerne und Plattformen drängen seit einiger Zeit mit unterschiedlichen Leistungsangeboten in den Bereich Zahlungsverkehr vor. So nimmt zum Beispiel das Thema „mobiles Bezahlen“ mit jedem Tag mehr Fahrt auf. Dabei sind die BigTechs – im Gegensatz zu den etablierten Akteuren aus dem Bankensektor – Treiber dieser Entwicklungen.

Apple, Amazon, Google oder Facebook aus den USA sowie Alibaba und Tencent aus China zeichnen sich durch hohe Kundennähe und Datenexpertise aus. Und die Diskussionen um Facebooks geplantes Kryptoprojekt Libra zeigen, wohin die Reise gehen könnte.

Plattformen nutzen Netzwerkeffekte

Das wesentliche Kennzeichen dieser Plattformen ist das Ausnutzen von Netzwerkeffekten. Außerdem können Plattformen rasch Marktanteile in immer neuen, angrenzenden Geschäftsfeldern gewinnen. Sie können so Skalen- und Verbundeffekte realisieren.

Für Kunden ist dies meistens komfortabel: Wenn sie beispielsweise bereits über Apple bzw. ihr iPhone ihre Daten verwalten, Musik hören, Filme streamen – warum dann nicht auch mit einer Anwendung von Apple bezahlen?

So erweitern die großen Technologiekonzerne sukzessive ihr Angebot, also ihr „Ökosystem“ – mit dem Ziel, weitere Nutzer auf die Plattform zu ziehen und sie immer länger dort zu halten. Werden zusätzlich die anfallenden Daten durchgängig analysiert und den Kunden passende Produkte und Services angeboten, dann verschwinden Alternativen zunehmend aus dem Blickfeld.

Geschlossenen Ökosysteme bergen Monopolgefahr

Welchen Umfang diese Plattformen im alltäglichen Leben einnehmen können, sieht man bereits besonders eindrücklich in China, wo man über WeChat oder Alipay Essen bestellen, Taxis rufen und Terminabsprachen treffen kann.

Angesichts des Expansionsdrangs dieser BigTechs besteht die Gefahr, dass die Kunden sich nur noch innerhalb ihrer geschlossenen Ökosysteme bewegen, also zum Beispiel in der Apple-, Android- oder Amazon-Welt. Innerhalb dieser Ökosysteme kann das dahinterstehende Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen und so unter anderem technische Standards, Preise und Vorgaben für die Datennutzung einseitig festlegen.

Zudem rücken in solchen Systemen die eigentlichen Anbieter „in die zweite Reihe“ – sie werden austauschbar und ihre bislang etablierten Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr.

Zusammen genommen begünstigen diese Netzwerk-, Skalen- und Verbundeffekte, dass sich Monopole bilden können.

BigTechs besetzen die Kundenschnittstelle

Der Zahlungsverkehr spielt eine besondere Rolle, weil er im aktuellen Niedrigzinsumfeld ein durchaus lukratives Geschäftsfeld sein kann. Außerdem ist er für die Banken und Sparkassen das traditionelle Ankerprodukt in der Kundenbeziehung.

Die großen Technologiekonzerne sind dabei, auch die Kundenschnittstelle im Zahlungsverkehr zu besetzen und dafür zu sorgen, dass die eigentlichen Zahlungsanbieter und  ‑instrumente in den Hintergrund rücken. Google Pay und Apple Pay sind im deutschen Markt seit ungefähr einem Jahr aktiv und – wie es scheint – auch durchaus erfolgreich.

Aus Kundensicht verschwimmen die Grenzen und das zugrundeliegende Zahlungsinstrument verschwindet hinter der starken Markenpräsenz der BigTechs:

  • Hat der Kunde beispielsweise bei Amazon Pay erstmal eine präferierte Zahlungsart – meist Lastschrift oder Kreditkarte – ausgewählt, so sind weitere Zahlungen nahtlos in den Kaufvorgang integriert.
  • Auch wenn der Kunde im E-Commerce mit Paypal bezahlt, werden die Verrechnungen im Hintergrund mit Kreditkarte oder Lastschrift abgewickelt.

Doch nicht nur Privatkunden sind im Fokus – auch im Unternehmenskundengeschäft verstärken die BigTechs die Bindung an ihre Kunden: Zum Beispiel vergeben PayPal und Amazon inzwischen kleine Geschäftskredite an „ihre“ Händler. Aufgrund der Transaktionshistorie können diese Kreditgeber die Bonität ihrer Kunden gut einschätzen.

BigTechs als Gatekeeper im Zahlungsverkehr

In der Folge könnten die BigTechs immer mehr Gatekeeper zum Zahlungsverkehr werden. Wer zahlt, hätte den Eindruck, nur noch mit den BigTechs in Kontakt zu treten. Dabei könnte der Zahlungsverkehr nur als Mittel zum Zweck dienen, um den Rohstoff für ihr datengetriebenes Geschäftsmodell zu gewinnen. Folglich sind viele der Dienste für den Kunden nur vermeintlich kostenfrei.

Zurzeit verlassen sich die von den BigTechs angebotenen Dienste für die Abwicklung der Zahlungen zumeist noch auf die etablierten Zahlungsinstrumente und hierbei vor allem auf (Kredit-)Karten.

Ein nächster Schritt wäre zum Beispiel die Ausgabe eigener Karten oder die Schaffung geschlossener Zahlungssysteme, die für die Durchführung der Zahlungen gar nicht mehr auf die etablierten Instrumente angewiesen sind.

Eine europäische Antwort auf die BigTechs

Die deutschen Banken und Sparkassen haben schon viel getan, um sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Sie haben neue moderne und mobile Bezahlverfahren vorgestellt, frische Ideen aus den Innovationslaboren in ihr Angebot integriert und die Umsetzung von Instant Payments vorangetrieben.  Zudem hat der deutsche Markt mit der Girocard ein sehr gutes, konkurrenzfähiges und auch technisch gut aufgestelltes Zahlungsverkehrsprodukt. Aber dieses endet an unseren Landesgrenzen und inzwischen werden mehr als 8 Prozent der Kartenzahlungen grenzüberschreitend getätigt.

Die bisherigen Anstrengungen können daher nur ein Zwischenschritt sein. In einer Netzwerkindustrie wie dem Zahlungsverkehr wird es künftig noch viel mehr darauf ankommen, grenzüberschreitend zusammen zu arbeiten und die Stärken Europas auszuspielen. Das Ergebnis muss eine europäische Lösung sein. Das würde den Wettbewerb beleben, sowie europäische Zahlungsmittel und deren Anbieter stärken. Zudem ist allen Marktteilnehmern – Unternehmen, Händlern, Behörden wie auch Verbrauchern – gedient, wenn sie ihre geschäftlichen und privaten Belange mit modernen, sicheren, effizienten Bezahlverfahren regeln können, die europäischer Governance, Kontrolle, Datenschutz und Aufsicht unterliegen.

Drei Bestandteile eines europäischen Zahlungsverkehrssystems

Doch wie könnte eine solche europäische Alternative aussehen? Sie sollte drei Bestandteilen umfassen:

  1. Instant Payments als Fundament,
  2. PSD2-Schnittstellen als weitere Grundlagen und
  3. Eine europäische Marke.

1. Instant Payments als Fundament

Durch Instant Payments haben wir heute schon eine gute Grundlage geschaffen, um ein europäisches Zahlungsverkehrssystem zu entwickeln. Zur Abwicklung in Euro stehen bereits seit Ende 2017 einige nationale und ein europäisches Clearingsystem bereit. Am 30. November 2018 startete außerdem das TARGET Instant Payment Settlement System des Eurosystems, abgekürzt TIPS.

Es kann die pan-europäische Erreichbarkeit aller Institute sicherstellen und trägt dazu bei, dass Instant Payments der neue Normalfall im europäischen Zahlungsverkehr werden können. Wir als Bundesbank unterstützen die deutschen Banken in allen Aspekten der Anbindung an TIPS.

Unser Ziel ist es, möglichst schnell möglichst viele Teilnehmer dafür zu gewinnen und so Instant Payment als europaweites Basisverfahren für die Digitalisierung im Zahlungsverkehr zu etablieren.

Mit Instant Payments ist das Fundament gelegt. Und es gibt erfolgreiche Systeme und Lösungen in einzelnen Ländern. Diese müssen kompatibel gemacht werden.

2. PSD2-Schnittstellen als weitere Grundlagen

Auch die neuen PSD2-Schnittstellen, die alle Banken für lizensierte Drittanbieter wie zum Beispiel Kontoinformationsdienste bereitstellen müssen, können die Grundlage für eine europaweite Interaktion der Banken im Zahlungsverkehr bilden.

Von großer Bedeutung ist mittelfristig auch die Nutzbarkeit in möglichst vielen verschiedenen Bezahlsituationen – von der Ladenkasse bis zum E-Commerce. Karten sind mit einem Transaktionsanteil von mehr als 50 Prozent heute das wichtigste elektronische Zahlungsmittel.

Doch sie können nicht mehr isoliert von anderen Zugangswegen zum oder vom Konto betrachtet werden, sondern müssen sich der zunehmenden Konkurrenz durch mobile und Internetbezahlverfahren stellen.

3. Eine europäische Marke

Diese Anstrengungen der Kreditinstitute sollten in einer europäischen Marke münden. Ansonsten kommt die europäische Dimension im Zahlungsverkehr bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht an. Ein europäisches Logo könnte sowohl an der Ladenkasse als auch im E-Commerce genutzt werden.

Mittelfristig sehe ich eine europäische Alternative auch strategisch von höchster Bedeutung, denn wir sollten nicht in eine Situation kommen, in der die europäischen Verbraucher nur noch zwischen den Zahlungsdiensten amerikanischer und chinesischer BigTechs auswählen können.

Fazit: Europäische Banken müssen handeln

Die BigTechs haben bereits begonnen, die Finanzindustrie im Allgemeinen und den Zahlungsverkehr im Speziellen tiefgreifend zu verändern. Es ist davon auszugehen, dass die BigTechs, aufgrund ihres klaren Blicks auf den Kundennutzen und ihrer Erfahrung einer möglichst reibungslosen Nutzung an der Kundenschnittstelle zu schaffen, im Bereich der Finanzdienstleistungen weiter an Bedeutung gewinnen werden.

Aus Sicht der etablierten Marktakteure verdeutlichen insbesondere die Pläne von Facebook die Bedeutung und Dringlichkeit einer europäischen Antwort nach einer echten europäischen Alternative im Zahlungsverkehr.

Das Fundament ist gelegt, Banken und Sparkassen sollten jetzt die Weichen stellen, um im internationalen Wettbewerb nicht zurückzufallen.

Über den Autor

Burkhard Balz

Burkhard Balz ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für die Bereiche Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme sowie Ökonomische Bildung, Hochschule und Internationaler Zentralbankdialog. Der gelernte Bankkaufmann und Jurist war lange Zeit im Firmenkundengeschäft der Commerzbank tätig und von 2009 bis 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments.

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