Privatbanken in Europa stehen vor tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Durch die Digitalisierung und die bevorstehenden Vermögensübergänge auf die nächste Generation kann eine Phase der Konsolidierung entstehen, wie eine aktuelle Studie zeigt.
In einer aktuellen Studie von J.P. Morgan Asset Management und Oliver Wyman werden aktuelle Veränderungen und Herausforderungen für Privatbanken beleuchtet. Dazu wurden Erkenntnisse von 163 Banken aus 13 Ländern verarbeitet.
Wealth Management bleibt attraktives Geschäftsfeld
Der Markt der europäischen Privatbanken ist mit 18 Billionen US-Dollar verwaltetem Vermögen (Assets under Management) immer noch einer der attraktivsten Geschäftsfelder im Wealth Management. Das Wachstum fällt seit 2010 mit einer jährlichen Rate von 4,3 % deutlich stärker aus als das nominale BIP-Wachstum in Europa und die Eigenkapitalrendite ist mit 13 bis 15 % höher als in anderen Finanzdienstleistungssegmenten.
Die folgende Grafik zeigt die Einschätzung durch die Marktteilnehmer:
Demnach ist die Attraktivität von Private Banking und Wealth Management ungebrochen.
Fundamentale Umwälzungen im Wealth Management
Dennoch ist das Wealth Management mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert, darunter ein sich verschärfender Wettbewerb und veränderte Ansprüche der Kunden. Gleichzeitig ist die Profitabilität im Vergleich zur Zeit vor der Finanzkrise um rund 20 Prozent gesunken. Treiber dieser Entwicklung sind u.a. das veränderte Kapitalmarktumfeld mit historisch niedrigen Zinsen sowie gestiegene Kosten aufgrund von Anforderungen durch die Regulierung.
In diesem Kontext identifiziert die Studie bedeutende Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen, für die sich Wealth Manager wappnen müssen, um auch zukünftig erfolgreich bestehen zu können.
Konsolidierung erwartet
Über neunzig Prozent der befragten Führungskräfte erwarten eine Konsolidierung und fundamentale Umwälzung der Branche. Rund 85 % gehen davon aus, dass kleinere Anbieter von größeren übernommen werden, 73 % erwarten, dass größere Anbieter sich stärker auf die Kernkompetenzen des Private Banking sowie die fokussierte Betreuung einzelner Kundensegmente konzentrieren.
Dies impliziert, dass man sich von Teilen des Geschäfts wie der Abwicklung oder auch von Asset Management-Aktivitäten trennt, und stattdessen verstärkt in das Kernsegment „Kundenberatung“ investiert.
Veränderung der Kundenstruktur
Einerseits entsteht durch innovative Industrien – insbesondere aus der digitalen Welt – ein neuer Typ von Vermögenden mit veränderter Investmentkultur und Betreuungsbedürfnissen sowie höherer Kostensensibilität.
Andererseits stehen in den nächsten 20 bis 30 Jahren umfangreiche Vermögensübergaben durch Erbschaft an die nächste Generation an.
Diese jüngere Kundengeneration hat signifikant unterschiedlich veränderte Ansprüche an Beratung, wobei das verbindende Element die größere Offenheit für digitale Lösungen ist.
Digitale (R)Evolution hält Einzug in das Wealth Management
Digitale Technologien vereinfachen den administrativen Kundenkontakt und ermöglichen durch eine Reallokation der Ressourcen eine bessere Kundenbetreuung und ein aktiveres Service-Niveau sowohl in der digitalen Welt als auch im persönlichen Austausch.
Innovative Anbieter, die häufig nicht aus der Finanzindustrie stammen, werden zunehmend in der Lage sein, die Verhältnisse am Markt umzuwälzen, wie beispielsweise der inzwischen weltweit viertgrößte Geldmarktfonds der chinesischen Handelsplattform Alibaba eindrucksvoll belegt.
Risiken und Chancen der zunehmenden Regulierung
Die Konzentration der Aufsichtsbehörden auf den Schutz der Kunden und die Stabilität des Finanzsystems schaffen zahlreiche neue und aufwändige Aufgabenbereiche für die Anbieter. Sie tragen damit einerseits zur sinkenden Rentabilität bei. Andererseits eröffnen sie jedoch auch neue Chancen zur Differenzierung.
Strategische Eckpfeiler für zukünftigen Erfolg im Wealth Management
Die Veränderungen in der Branche stellen für die traditionellen Privatbanken eine große Herausforderung dar. Wer zukünftig Erfolg haben will, muss genau verstehen, welche Kräfte derzeit am Werk sind und mit einer gezielten Strategie und deren effektiven Umsetzung reagieren.
Eine besondere Herausforderung ist und bleibt es, das in der Finanzkrise verspielte Vertrauen der Anleger wieder zurückzugewinnen. Derzeit werden 80 Prozent der Investmentprodukte in Kontinentaleuropa von Banken eingesetzt. Zunehmend vertrauen vermögende Kunden jedoch auf unabhängige Anbieter ohne Bezug zu einem Finanzinstitut wie Multi Family Offices, unabhängige Vermögensverwalter oder neu entstehende Anbieter außerhalb der traditionellen Finanzindustrie.
Für die Privatbanken, die in diesem Spannungsfeld auch zukünftig erfolgreich sein wollen, werden vier strategische Eckpfeiler identifiziert:
- Technologische Neuerungen nutzen.
- Produktivität der Kundenberater steigern.
- Effizienz der Administration erhöhen.
- Fokus auf Beratungskompetenz und Portfoliomanagement legen.
Erfolg werden am Ende diejenigen haben, denen es gelingt, den digitalen Fortschritt erfolgreich mit den Attributen des traditionellen Private Banking zu verbinden: Stabilität, ein breites Angebot und – an erster Stelle – eine fundierte persönliche Beratung.
Dabei bietet eine engere Beziehung zwischen den Privatbanken und Asset Managern viel Kooperationspotenzial von der Bereitstellung maßgeschneiderter Investmentlösungen für spezielle Kundenanforderungen bis hin zu strukturellen Innovationen, die Veränderungen in den Branchengepflogenheiten abbilden.
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