Faktencheck: Die Lage der Neobanken in Deutschland

Was Digitalbanken von der internationalen Konkurrenz lernen können

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Weltweit gibt es über 400 Neobanken. Einige von ihnen haben bereits den Breakeven erreicht. Doch gerade in Deutschland – vormals noch eine der Neobanking-Hochburgen – straucheln die FinTech-Institute.

Eine Analyse der deutschen Neobanken

Was deutsche Neobanken von der internationalen Konkurrenz lernen können.

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Noch in der Mitte der 2010er Jahre galt Deutschland als einer der Pioniermärkte für digitale Banken, nicht zuletzt dank Banken wie Fidor oder N26 und weiterer zahlreicher Neugründungen. Spätestens seit der Corona-Pandemie verläuft die Entwicklung dagegen äußerst ernüchternd. Während Neobanken international zwischen Ende 2021 und Mitte 2023 um fast 40 Prozent gewachsen sind, kamen sie innerhalb der gesamten DACH-Region gerade einmal auf 4 Prozent.  

Die Zahlen sind gerade im Falle von Deutschland verwunderlich. Denn aus den Ergebnissen unseres Neobanking Reports geht auch hervor, dass gerade Länder mit einem großen Heimatmarkt wie Brasilien, Großbritannien und eben Deutschland eigentlich optimale Bedingungen für die rasche Skalierung von Neobanken bieten. Allein in Brasilien gibt es mittlerweile mehr als zehn Neobanken mit mehr als fünf Millionen Kunden, in Großbritannien sind über 40 Neobanken aktiv.

Der Schlüsselfaktor für Profitabilität

Denn je größer der Heimatmarkt, desto schneller können die Banken eine für Profitabilität notwendige Größe erreichen, ohne das Risiko einer internationalen Expansion eingehen zu müssen.

Ganze neun Neobanken haben demnach bereits den Breakeven erreicht und weitere werden bald folgen. Doch warum läuft die Entwicklung gerade in Deutschland so schleppend, obwohl Neobanken hier tendenziell schon länger am Markt sind?

4 Faktoren warum Neobanken in Deutschland nicht wachsen

Warum Neugründungen und Nutzerwachstum in Deutschland dennoch so zögerlich vorankommen, liegt nach unseren Erfahrungen insbesondere an vier Gründen:

  1. Fehlendes Investment der Großbanken, Volksbanken und Sparkassen,
  2. (Vorübergehender) Rückzug der privaten Investoren,
  3. Wenig Kundenabwanderung von den Direktbanken,
  4. Mangelhafte Innovationskraft am deutschen Markt.

1. Fehlendes Investment der Großbanken, Volksbanken und Sparkassen

Viele internationale Universalbanken haben bereits eigene Neobanking-Marken etabliert und investieren entsprechend in rein digitale Geschäftsbereiche. Darunter fallen UniCredit mit Buddy oder Crédit Agricole mit Blank. Auch die BBVA in Italien und JPMorgan Chase in Großbritannien sind mit Greenfield-Neobanken am Start, weitere Märkte sollen folgen.

In Deutschland hat mit Ausnahme der auf Geschäftskunden fokussierten „Fyrst“ der Deutschen Bank keine der etablierten Banken relevante eigenständige Digitalangebote lanciert.

2. (Vorübergehender) Rückzug der privaten Investoren

Deutsche Neobanken sind daher zu großen Teilen durch Venture Capital finanziert – was gerade in den letzten Jahren aufgrund des stark eingeschränkten Zugangs zu Kapital mit signifikanten Funding-Risiken verbunden war.

Von einst 17 Neobanken im deutschen Markt sind mittlerweile nur noch die Hälfte übrig. Auch bekanntere Namen wie Nuri, Insha oder Pockid haben ihr Geschäft aufgegeben. Andere Neobanken wie Penta und Kontist wurden von ausländischen Banken bzw. Investorengruppen übernommen.

3. Wenig Kundenabwanderung von den Direktbanken

Schon seit Jahrzehnten sind Direktbanken wie die ING oder die DKB auf dem deutschen Markt etabliert – mittlerweile vereinen sie fast 20 Millionen Kunden. An ihrer Vorherrschaft im reinen Online-Geschäft hat sich auch ein Jahrzehnt nach Auftreten der Neobanken wenig geändert.

Offensichtlich sind die Angebote der Neobanken im Vergleich zu den Direktbank-Platzhirschen nicht disruptiv genug, um eine signifikante Kundenwanderung anzustoßen.

4. Mangelhafte Innovationskraft am deutschen Markt

Der Hauptgrund dafür mag auch an der in Deutschland zumindest teilweise fehlenden Innovationskultur liegen. So bieten deutsche Neobanken im Durchschnitt deutlich weniger Produkte – und objektiv gesehen auch weniger innovative Produkte – an als ihre internationalen Peers, wo bereits seit einiger Zeit ein klarer Trend zu Beyond-Banking-Produkten zu beobachten ist (siehe zum Beispiel die kürzlich gelaunchten MVNO-Angebote von Revolut oder Nubank)

Was international deutlich besser läuft

Große Unterschiede zwischen Neobanken in der DACH Region und internationalen Vertretern bestehen aber nicht nur in der Innovationskraft und dem daraus resultierendem Produktangebot. Auch bei der Monetarisierung der Kunden sind diese Institute offensichtlich einen Schritt voraus.

So nutzen viele von ihnen mittlerweile eine geschickte Packaging und Bundling-Strategie und das Einsetzen von Gamification-Elementen, die Nutzer für ein erweitertes und auch teureres Produktangebot begeistern.

Darüber hinaus behalten diese Banken ihre Kundensegmente klar im Blick, identifizieren Angebotslücken bei der Konkurrenz und schauen, wie sich dort Wachstumspotenziale erschließen lassen. Oftmals sind diese Angebote länderspezifisch, um die speziellen Pain Points adäquat zu adressieren.

Auch in Sachen Pricing-Strategie sind immer mehr Neobanken „innovativ“ und nutzen Subscription-Modelle für Konten oder dynamisches Pricing für Einlagen- und Kreditgeschäft.

Im Ergebnis haben sich sechs internationale Player einen klaren Vorsprung im Feld der Neobanken erarbeiten können und kombinieren mittlerweile nachhaltige Profitabilität mit überdurchschnittlich hohen Wachstumsraten. Diese von uns als „Better Growth Neobanks“ bezeichneten Banken haben wir in unserem Neobanking Report herausgestellt.

Neobanking Profitabilitäts-Matrix 2023

Trotz steigender Kundenzahlen und Erträge sind viele Neobanken noch nicht profitabel. Aber es gibt große Unterschiede zwischen den Akteuren.

Die Trends verstehen – der Umbruch steht auch dem deutschen Markt bevor

Die meisten der weltweit führenden Großbanken und die internationalen Neobanken sind sich der obengenannten Trends und Mechanismen schon lange bewusst. Viele richten ihren Blick bereits auf den deutschen Markt und die bisher noch unerschlossenen Innovations- und Kundenpotenziale:

Bekanntlich bereitet der in Großbritannien bereits erfolgreiche JPMorgan Ableger Chase seinen Eintritt in den deutschen Markt vor. Andere Großbanken spielen mit ähnlichen Gedanken. Aber auch im Feld der internationalen Neobanken erscheint der deutsche Markt nicht nur aufgrund seiner Größe als äußerst attraktiv. Als Konsequenz werden bereits im Land präsente Neobanken wie Revolut das Geschäft weiter forcieren und neue Wettbewerber im Markt erwartet. So steht unter anderem auch der Markteintritt der britischen Neobank Tide laut eigenen Aussagen kurz bevor.

Doch auch einen weiteren Sektor sollte man nicht außer Acht lassen. Oft nur wenige Jahre alt, haben Neobroker in Europa ein erstaunliches Wachstum vorweisen können. Jetzt wittern sie ihre Chance, ihr Angebot um klassische Banking-Funktionen zu erweitern und ihre große Basis an Bestandskunden dadurch weiter zu monetarisieren.

Wir sind uns sicher, dass die Dynamik in diesem Marktsegment in den nächsten Jahren rapide zunehmen wird. Mehr Konkurrenz, innovativere Angebote und nicht zuletzt deutlich mehr Kunden bei den Neobanken sollte die logische Folge sein. Die zweite Welle an Neobanken könnte also durchaus höhere Wucht entfalten als dies bisher der Fall war.

Über den Autor

Christoph Stegmeier

Christoph Stegmeier ist Senior Partner bei Simon-Kucher im Bereich Global Banking. Der Mathematiker verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung mit den Financial Services, insbesondere im Retail Banking sowie im Versicherungswesen und Risikomanagement.

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