Die lang erhoffte Zinswende gibt Banken und Sparkassen Rückenwind. Zusätzliche Erträge ermöglichen jetzt Veränderungen die von der Kundschaft längst erwartet werden sowie den konsequenten Fokus auf Kundenbedürfnisse als Erfolgsfaktor.
In vielen Banken wird die Digitalisierung als technokratische Übung interpretiert und gelebt. Jedoch ist Digitalisierung die Evolution des Bankgeschäfts, als Reaktion auf die stille Revolution der Kunden.
Hervoragende Erfahrungen aus anderen Branchen erwarten Kunden auch von ihrer Bank. Hingegen werden Bankgeschäfte vielfach als Verwaltungsakt wahrgenommen.
Gestärkt in den Sturm zur konsequenten Ausrichtung für die Zukunft
Die lange Periode der niedrigen Zinsen und der daraus abgeleitete Fokus auf höhere Provisionserträge mit parallelem Effizienzgewinn ist Geschichte. Die nun steigenden Zinsen lassen den Banken die lang ersehnte Luft zum Atmen nach dem langwierigen Sparkurs. Zeitgleich hat sich die Welt politisch und makroökonomisch weiterentwickelt und erzeugt in der Marktwirtschaft einen hohen Grad an Unsicherheit. Das macht die Horváth-Studie CxO Priorities 2022 deutlich, für die insgesamt 280 Topführungskräfte befragt wurden, darunter über 60 Vorstandsmitglieder aus Finanzinstituten. Nicht zuletzt ist die Digitale Transformation im zweiten Jahr in Folge als Top-Priorität im Banking als auch branchenübergreifend durch die Topführungskräfte eingestuft worden.
Die logische Konsequenz ist, die nun freiwerdenden Mittel konsequent in die Digitale Transformation zu investieren, um für zukünftige Szenarien gewappnet zu sein und Resilienz gegenüber weiteren Krisen zu schaffen.
Evolution oder Revolution?
Doch was bedeutet das Schlagwort Digitale Transformation tatsächlich? Digitalisierung ist eine Evolution, die Revolution geht jedoch vom Kunden aus. Es ist eine stille Revolution, da Kunden Eindrücke aus dem Alltag und Interaktionen aus anderen Branchen verinnerlichen und eine Erwartungshaltung gegenüber den Banken entwickeln. Noch immer wird Banking größtenteils als Verwaltungsakt wahrgenommen. Dieser Entwicklung gilt es als Bank entgegenzutreten, um nicht Kunden zu verlieren.
Die Entwicklung ist nicht mehr weg zu argumentieren. Was als Funke kleiner innovativer Kundensegmente angefangen hat, ist mittlerweile breiter Konsens und wird sich mittelfristig in allen Alterssegmenten manifestieren.
Kundenorientierung ist das Gebot der Stunde
Ein Beleg für die Veränderung der Kundenerwartung zeichnet sich im Erfolg der Direktbanken ab. Was Direktbanken jedoch fehlt, ist die Kundenbindung und das individuelle Erlebnis. Retailbanken können hier die Stärken aus der Vergangenheit mit den Prozessen der Zukunft vereinen. So lassen sich intern Effizienzen steigern und in der Kundenschnittstelle die Customer Experience verbessern.
Um Kundenbegeisterung auszulösen, sind die Erlebnisse und Erfahrungen an den Kontaktpunkten Kunden/Bank strukturell zu verbessern. So genügt es nicht ausschließlich die Wünsche der Kunden zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein ganzheitlicher Ansatz zu wählen, bei dem Kundenreisen modelliert werden, die unterschiedlichste Bedürfnisse der Kunden ansprechen – wobei diese originär keine Bedürfnisse im Kontext von Bankdienstleistungen sind.
Entlang dieser Kundenreise sind Anknüpfungspunkte der Kunden zu identifizieren, und entsprechend die Wertschöpfungskette am Kunden auszurichten. Je aufregender, flexibler und passender diese Reise und die Touchpoints mit der Bank für jeden Kunden sind, desto länger wird er dieses Erlebnis suchen und bereitwilliger einen Preis dafür zahlen.
Von A wie App bis Z wie Generation Z
Im Zuge der Analyse der Kundenreise wird es unweigerlich passieren, dass auf Prozessebene das Geschäftsmodell analysiert wird. Hierbei sollte man den Anspruch haben, Prozesse neu zu interpretieren. Für zukunftsgerechte Lösungen muss auch auf Prozessebene ganzheitlich in End-to-End-Prozessen gedacht werden. Konsequent transformierte E2E-Prozesse im Retailbanking starten mit einer App-basierten Antragsstrecke des Neukunden und enden mit der elektronischen Vorgangs- bzw. Aktenarchivierung.
Jedoch geht eine vollumfängliche Digitale Transformation weit über die prozessuale Ebene einer Bank hinaus. Die digitale Ausgestaltung der initialen und fortlaufenden Kundenprozesse ermöglicht ein Erlebnis, das sich stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen von digitalaffinen Nutzergruppen wie der Generation Z orientiert. Bei einer ganzheitlichen Digitalen Transformation sind die Dimensionen Prozess, Aufbau- und Ablauforganisation und die Technologie strukturiert mit einzubeziehen.
Prozesse sind ganzheitlich zu denken sowie stringent zu automatisieren und digitalisieren
Die Prozesse sind entlang der Kundenreise auszurichten, mit der Ambition einer vollständigen Digitalisierung und Automatisierung aller bisher verwaltenden Tätigkeiten. Noch sind Berater viel zu sehr im Kundengespräch damit beschäftigt, Prozesse zu befolgen, statt kundenorientiert zu beraten und den Prozess als Unterstützung zu erfahren. Ebenso haben Kunden bei weitem noch keine Möglichkeit, vollumfänglich alle Prozesse im Self Service zu durchlaufen. Die älter werdende Generation Z wird auch dies für alle Bankprodukte in den nächsten Jahren nachfragen.
Um eine stringente Automatisierung und Digitalisierung zu erreichen, ist es notwendig, alle Beteiligten in die Erstellung der neuen Prozesse mit einzubeziehen. So kann die bestmögliche Lösung für die Bank erreicht werden.
Transformation braucht Leadership
Das organisatorische Setup ist eine initiale Schlüsselaufgabe der Digitalen Transformation. Dass multidisziplinäre Teams ein Katalysator für erfolgreichere und kreativere Zusammenarbeit sind, gilt als bewiesen. Es braucht verschiedene Perspektiven aus allen Bereichen der Bank, insbesondere aufgrund des ganzheitlichen Anspruchs und der Tiefe der Veränderung. An dieser Stelle ist kein Platz für Silodenken – vielmehr braucht die Transformation eine Vereinigung aller Kompetenzen und Perspektiven.
Hierbei kann es sinnvoll sein, Verantwortlichkeit zur Durchsetzung der Transformation zu schaffen. In vielen Banken wird eine solche Rolle durch den Chief Digital Officer wahrgenommen. Eine solche Person sollte als Enabler der gesamten Organisation tätig sein – jedoch ist die Transformation selbst durch jeden Mitarbeiter durchzuführen. Hier bedarf es eines entsprechenden Change, daher sollte das gesamte Managementteam mit gutem Beispiel voran gehen. Die Digitale Transformation ist Aufgabe aller!
Wetterfeste Technologie auf die Zukunft ausgerichtet
Abschließend ist eine flexibel skalierbare Technologie eine Grundvoraussetzung für die Digitale Transformation. Eine technologische Basis schafft die notwendige zukünftige Anpassungsfähigkeit gefolgt von kurzer Reaktionszeit am Markt und letztlich skalierbaren Kosten. Somit kann man auf Trends, Portfoliorestrukturierungen und Veränderungen des Marktumfelds flexibel reagieren. Bei weiterer Entwicklung der Technologie sind zukünftige Veränderungen eng zu verfolgen und Möglichkeiten zu schaffen, diese jederzeit einzubinden bzw. auch wieder abzuschalten. Ebenfalls sollte berücksichtigt werden, dass sich Distributionskanäle durch neue Kundenbedürfnisse weiter verändern.
Aktuell fragmentierte Systemlandschaften bremsen eine solche Entwicklung und sind entsprechend flexibel zu halten, um von den Vorteilen zu profitieren. Letztlich sollten Schnittstellen aus dem Kernbanksystem auch den flexiblen Austausch mit Drittsystemen ermöglichen, um jederzeit den Kundenbedarf technologisch abbilden zu können.
Digitale Transformation ist Marathon statt Sprint
Die aktuelle Situation ist nicht übersichtlich – die Digitale Transformation verlangt viel Weitsicht und Ruhe. Diese ist ein Marathon und kein Sprint und muss konsequent und mit langem Atem angegangen werden. Dabei ist die aktuelle Lage der florierenden Zinsen zu nutzen und zusätzliche Erträge sollten zukunftsorientiert investiert werden: in das Geschäftsmodell sowie Flexibilität zur Übererreichung der Kundenbedürfnisse. Somit kann man aus vergangenen Zeiten der eingeschränkten strategischen Sichtweite mit mehr Anpassungsfähigkeit und Nähe seinen Kunden gegenüber gestärkt auftreten.