Öffentlichkeitswirksam ist Matthias Kröner schon immer gewesen. Mit dem vor kurzem angekündigten Verkauf seiner Fidor Bank an die französische Großbank BPCE hat er es erneut in die Schlagzeilen geschafft. Dem Bank Blog stand er Rede und Antwort zu Hintergründen, möglichen Alternativen sowie der weiteren Strategie.
Die französische Großbank BPCE hat angekündigt, die Fidor Bank zu übernehmen. BPCE ist ein Zusammenschluss französischer Sparkassen und Volksbanken, und mit 35 Millionen Kunden und einem Marktanteil von 20 Prozent die Nummer zwei in Frankreich.
Das Ganze hat großes Echo weit über die FinTech-Szene hinaus gefunden. Der Spiegel spricht vom großen Angriff der FinTech-Branche auf die Kundenbasis klassischer Banken. Andere sprechen vom Untergang der Bank-Piraten oder von der dritten Welle der Digitalisierung der Finanzdienstleistung.
Erst vor wenigen Wochen hatte die Fidor Bank einen spektakulären Schritt nach vorn gemacht: In Kooperation mit dem Mobilfunkriesen O2 (Telefonica) brachte das Unternehmen eine Banking App namens „O2 Banking“ an den Start, nach eigenen Angaben „das erste komplett mobile Bankkonto“ eines Mobilfunkanbieters. O2 hat in Deutschland Kontakt zu mehr als 40 Millionen Kunden. Vergangene Woche hat das neue O2 Banking von Handelsblatt und Euroforum mit dem Diamond Star in der Kategorie „Digital Retail Banking“ als „herausragende digitale Innovation“ ausgezeichnet. Da scheint sich einiges bewegen…
Interview mit Matthias Kröner, Gründer und CEO der Fidor Bank
Matthias Kröner und Der Bank Blog verbindet eine lange und gute Beziehung, u.a. war er einer der ersten Gastautoren hier. So hat er auch nicht gezögert, als ich ihn bat, zu den Hintergründen des Deals Stellung zu nehmen. Das Interview haben wir dann genutzt, um auch über Digitalisierung, den FinTech-Trend und einiges mehr zu sprechen.
Der Bank Blog: Bonjour Ms. Kröner. Comment allez-vous aujourd’hui? Apprenez vous le français maintenant?
Matthias Kröner: (lacht) Ja, das macht sicherlich Sinn, denn die wenigen Französisch-Kenntnisse die ich mal hatte sind massiv eingerostet.
Der Bank Blog: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dazu gratulieren soll, dass Fidor jetzt Teil einer Großbank (zumal einer französischen) wird. Allerdings vermute ich, dass Sie (wie immer) wohlüberlegt gehandelt haben und von daher ein Glückwunsch doch angebracht ist?
Matthias Kröner: Nun, ich weiß nun nicht genau was der Hinweis auf eine französische Großbank genau bedeutet soll. Gegenwärtig sähe ich wenig Anlass für ein übersteigertes Selbstbewusstsein was deutsche Großbanken angeht. Unabhängig davon kann man sagen, dass wir uns das natürlich sehr gut überlegt hatten. Eine derartige Konstellation fällt ja nicht vom Himmel und ist deswegen sehr wohl überlegt und durchdacht. Insofern ist das Fidor Team sehr glücklich über diesen Ausgang.
Der Bank Blog: Was können Sie uns über die Hintergründe des Deals verraten?
Matthias Kröner: Wie so oft im Leben sind die Hintergründe etwas komplexer. Für eine Bank ist das Eigenkapital die zentrale Stellgröße. Generell kann man sagen, dass dieses Eigenkapital das Wachstum behindert oder fördert. Als Fidor Bank sind wir hier regelmäßig an die Wachstumsgrenzen gestoßen. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die Zukunft nicht weniger volatil wird als es die Gegenwart ist. Von Seiten der Regulatorik sehen wir aus diesem Grund eher steigende als sinkende Eigenkapitalanfordernisse. Im Rahmen der bestehenden Aktionärsstruktur waren diese EK Anfordernisse für uns nicht mehr zu erbringen da wir die Strukturen unserer Aktionäre „überwachsen“ hatten. Damit meine ich, dass wir beispielsweise für manchen Venture-Fonds bereits ein Schwergewicht im Portfolio darstellten und deswegen keine weitere EK-Unterstützung erfahren konnten. Einen weiteren Minderheitsaktionär aufzunehmen wäre wenig hilfreich und auch faktisch unmöglich gewesen. Ein 50%+ Shareholder wiederum wird als Kontrollmehrheit und Übernahme angesehen. Dann kann man vereinfacht gesagt, als Aktionär auch gleich alles verkaufen. Die Überarbeitung unserer Aktionärsstruktur mit dem Ziel eines „Capital Replacements“ sowie einer signifikanten Stärkung des EK wurde damit überfällig. Genau das haben wir mit der BPCE Transaktion erreicht. Insofern: Punktlandung.
Dem Deal ging Kontakt zu 100 unterschiedlichen Investoren voraus
Der Bank Blog: Gab es Alternativen zur BPCE, möglicherweise aus anderen Ländern?
Matthias Kröner: Wir hatten in den letzten 18 Monaten Kontakt mit ungefähr 100 verschiedensten Investoren, eine sehr heterogene Mischung was Herkunft, Konzept und Hintergründe für die Gespräche mit uns ausmacht. Eines vorweg: Es waren kaum deutsche Parteien darunter. Und wenn, dann haben sie teilweise durch beeindruckende Unkenntnis der Materie brilliert. Ein besonderes Highlight: Der Vertreter eines deutschen Fonds fragte mich warum wir Eigenkapital suchen, wenn wo wir doch so viel an Einlagen hätten. Diese Art Investoren, die nicht einmal das Eigenkapital einer Bank von den Einlagen der Kunden unterscheiden können tummelt sich vermehrt im FinTech-Umfeld. Das lässt nichts Gutes ahnen.
Besonders aktiv war das europäische Ausland, USA und Asien. Vor allen Dingen in Asien erkennt man die Notwendigkeit und Chancen der Digitalisierung. Letztich haben wir uns aber doch für eine europäische Variante entscheiden, da uns trotz aller Digitalisierung eine gewisse räumliche Nähe und damit ein enges Verständnis unserer europäischen Regulatorik sehr wesentlich ist.
Fidor ergänzt sich hervorragend mit PBCE
Der Bank Blog: Das französische Retail Banking ist ja bislang weder durch einen ausgeprägten Hang zur Digitalisierung noch durch herausragende Innovationen hervorgetreten. Auch ist der französische Managementstil eher zentralistisch ausgerichtet. Was bedeutet dies für die Fidor Bank?
Matthias Kröner: Sollte die in Ihrer Frage befindliche These so stimmen würde es bedeuten, dass wir uns hervorragend ergänzen. Und es würde bedeuten, dass wir durchaus einen gewissen Wert in die Gruppe beisteuern können. Wer sich die Kommentare auf den LinkedIn Post von Francois Pérol(CEO PBCE) ansieht kann erkennen, wie die Transaktion von der Gruppe aufgenommen wird.
Der Bank Blog: Der Spiegel spricht davon, dass die Konstellation französische Großbank, deutscher FinTech-Pionier und riesige Telekomfirma einen „ersten großen Angriff der FinTech-Branche auf die Kundenbasis klassischer Banken“ bedeute. Wie sehen Sie das?
Matthias Kröner: Der Kollege Tenhagen, der das im Spiegel geschrieben hat, hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Als ich diesen Beitrag gelesen hatte hatte ich das Gefühl, dass der Kollege in unseren Sitzungen anwesend war und so unsere Diskussion mitverfolgen konnte. Diese Konstellation entstand ja nicht durch Zufall sondern war das Zielbild unseres Vorgehens. Auf der einen Seite haben wir den starken finanziellen Rückhalt einer stabilen Gruppe gesucht. Die BPCE hat 68 Mrd. EURO EK und eine Kapitalquote von über 13%. Das ist stabil.
Auf der anderen Seite freuen wir uns massiv der Partner einer starken Endkunden-Marke zu sein. Stark bedeutet da stark bei den Kundenzahlen sowie stark in der Kundenorientierung. Wir alle wissen, dass Telefonica rund 40 Mio. Endkunden-Kontakte alleine in Deutschland hat.
Beide Komponenten existierten bislang getrennt voneinander und der deutsche Bankenmarkt musste sich darüber auch keine Gedanken machen. Nun kommen dank Fidor diese Player zusammen und bearbeiten einen vollkommen neuen Markt. Zumindest für uns ein sehr spannender und aufregender Moment, denn was die Fidor Bank AG in den letzten Jahren geschaffen hat, hat sie mit einem durchschnittlichen EK von rd. 20 Mio. EUR und ohne jede Vertriebsunterstützung geschaffen. All das ändert sich nun nachhaltig.
Traditionelle Banker benutzen gerne Modewörter
Der Bank Blog: Fidor wurde ja bereits 2003 gegründet, 2009 kam dann die Vollbanklizenz dazu. Von der Digitalisierung des Bankgeschäfts oder von FinTechs hat da noch niemand gesprochen, nicht mal Sie selbst. Sehen Sie sich selbst eigentlich als FinTech-Pionier oder wie würden Sie sich bezeichnen?
Matthias Kröner: Nun, wir haben als DAB Bank, die ich 1993 ebenfalls mitgründen durfte, bereits 1995 Online Banking in Kooperation mit AOL eingeführt bevor es dann 1996 die erste browser-based Lösung gab. So blöd es klingen mag: Ich kenne nichts anderes als Internet-Banking und dies in seinen unterschiedlichsten Ausführungen. Genau deswegen bin ich davon überzeugt, dass man im digitalen Umfeld wesentlich mehr Kundennutzen stiften und Finanzdienstleistung erbringen kann, als beispielsweise in einer Filiale. Ob das nun alles schon die „Digitalisierung“ ist, von der manch Banker heute spricht, kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vor allen Dingen Banker gerne in Modewörtern sprechen ohne auch nur annähernd deren näheren Sinn und Hintergrund verstanden zu haben.
Der Bank Blog: Wenn Sie zurück blicken, was waren die größten Hurra-Momente und welches waren die größten Frust-Erlebnisse? Hatten Sie manchmal das Gefühl des „Propheten im eigenen Lande“?
Matthias Kröner: Hurra- und Frust-Erlebnisse gab es in den letzten Jahren jede Menge. Frustriert ist man vor allen Dingen dann, wenn man sich verdammt viel Mühe gegeben hat und dann doch auf ungünstige Umstände trifft, die eine Zielerreichung verhindern. Beispiel: Unser Kreditgeschäft musste immer wieder mal das ein oder andere Risiko realisieren, also Abschreibungen tätigen. Nun mag man meinen, dass dies im Kreditgeschäft gänzlich „normal“ ist, schließlich trifft man auch Vorsorge dafür. Dennoch ist es frustrierend und ärgert mich, denn mit dem Geld hätte man auch Sinnvolleres anstellen können. Frustrierend ist es aber auch, wenn man einen Kunden in unserem Technik-Geschäft gewinnt, das Projekt gut läuft und die Kollegen aus welchen Gründen auch immer dann doch nicht live gehen. Auch das hatten wir. Frustrierend weil dank unseres Ansatzes die für uns wesentlichen Umsätze erst nach einem going live kommen.
Umso schöner sind dann die Hurra-Momente wie beispielsweise das Lob unserer Kunden. Dafür macht man das Ganze dann auch. Besonders freut mich wenn Kunden uns mitteilen, dass sie erst Nutzer unserer Community waren, dort neue Erkenntnisse erhalten hatten und daraufhin ihr Finanzverhalten hinterfragt und geändert haben um letztlich auch Kunde zu werden. Das sind die ganz großen Momente, denn dann weiß man, dass man auch als Bank Nutzen und Sinn stiften kann.
Letztlich ist es entscheidend, trotz aller Hindernisse immer weiter voran zu kommen. Dies hat das Fidor Team über all die Jahre geschafft und das dürfte auch die größte Leistung des Teams in Summe sein: Wir haben durchgehalten.
Man muss nicht jedem Modetrend hinterher rennen
Der Bank Blog: Vor kurzem haben Sie in einem Gespräch mit Chris Skinner gesagt, „FinTech sei weder disruptiv, noch relevant (Der Bank Blog berichtete darüber). Die Äußerung hat ja für einigen Wirbel gesorgt. Wie sehen Sie das rückblickend?
Matthias Kröner: (lacht herzhaft) Nun, es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie leicht berechenbar so manch Reaktion ist. Man drückt auf einen Knopf und es geschieht die erwartete Reaktion. Unabhängig davon bleibe ich natürlich bei meiner Meinung und fordere zur differenzierten Betrachtung der Entwicklung auf. Nur weil eine paar Leute – inklusive Investoren – manch Entwicklung gegenwärtig positiv bewerten bedeutet dies für mich noch lange nicht, dass ich dieser Einschätzung folge.
Wir selbst werden in Zukunft ausschließlich auf die Partner achten, die eine tatsächliche Innovation bei Prozessen aufweisen oder einen neuen Marktplatz darstellen – um nur zwei Beispiele zu nennen.
Der Bank Blog: Ihren Hinweis, dass ein Geschäftsmodell ohne Banklizenz keine wirkliche Überlebenschance habe, hat sich Number26 ja wie es scheint als Vorbild genommen. Wie beurteilen Sie den Wettbewerb der Newcomer speziell im Retail Banking?
Matthias Kröner: Als Mitglied des „ITAP“ („International Technology Advisory Panel“ der singapurischen Finanzaufsicht MAS) haben wir erst kürzlich wieder darüber diskutiert, dass eine Lizenz ein wesentlicher Bestandteil eines Finanzunternehmens ist um auf der einen Seite berechtigt das Vertrauen der Kunden zu genießen sowie auf der anderen Seite den Kunden über die volle Wertschöpfungskette mit wirklich innovativen Prozessen zu betreuen. So sind nun mal in diesem Markt die Regeln, weswegen ich diese Diskussion nicht in jeder Nuance nachvollziehen kann.
Niemand würde darüber nachdenken, die Pharma-Industrie oder die Medizin mit Hilfe von nicht-regulierten Unternehmen bzw. nicht-zugelassenen Präparaten disruptiv verändern zu wollen. Auch dort sind die Spielregeln klar, werden aber bei weitem nicht so wehleidig diskutiert wie in der Finanzdienstleistung.
Digitalisierung erhöht die Relevanz der Finanzdienstleistung
Der Bank Blog: Was erwarten Sie von der weiteren Entwicklung der Themen „Digitalisierung der Finanzdienstleistung“ und „FinTech“ in den nächsten Jahren?
Matthias Kröner: Ich erwarte die Entstehung einer relevanten Finanzdienstleistung. Viel von dem was Banken und Versicherungen heute anbieten ist nicht relevant zum Zeitpunkt des Bedarfs da es in nahezu allen Fällen erst zur Befriedigung des Primärbedarfs kommt und dann, weit später, erst zur dazugehörenden Finanzdienstleistung. Banken spielen dementsprechend bei den Kunden keine wirklich entscheidende Rolle sondern sind zu Recht ein notwendiges Übel.
Der Bank Blog: In Ihrem persönlichen Blog schreiben Sie, dass der Lebenszyklus von Finanzdienstleistungen nicht mehr im 10-Jahres-Rhythmus, sondern eher im 10-Minuten-Takt abläuft. Können Sie das näher ausführen?
Matthias Kröner: Dies ist bzw. muss das Ergebnis der Digitalisierung sein. Wenn Banken heute über ihre Kunden nachdenken, dann denken sie nach wie vor in den Lebenszyklus-Rhythmen wie man sie Ende der Neunziger vermittelt hat: Studium, erster Beruf, frühe Familie, Immobilie, Studium des Kindes, Rente etc. Diese 10 Jahres-Etappen sind gefährlich, weil sie dem Kunden 10 Jahre Zeit geben, andere Finanzbeziehungen einzugehen. Wer aber seinen Kunden wirklich helfen will muss mit ihm – zugespitzt – alle 10 Minuten Finanzentscheidungen treffen können. Nur so kann ich erreichen, dass dem Kunden für seine 10 Jahresentscheidungen die Mittel annähernd zur Verfügung stehen. Und nur so kann man Loyalität beim Kunden erzeugen: Indem man auch bei den kleinen Themen begleitend dabei ist – nicht nur wenn es um das große Geld geht.
Wir wollen mehr als eine Millionen Kunden in Europa
Der Bank Blog: Mit der Übernahme durch BPCE sollen Kreditgeschäft, Innovationen und die Internationalisierung von Fidor vorangetrieben werden. Welche konkreten Ziele haben Sie für die kommenden fünf Jahre?
Matthias Kröner: Das ist ganz einfach: Die Bank wird sich über Europa ausbreiten und sollte eine 7-stellige Anzahl von Kunden haben. Unser Technologie-Unternehmen sollte Banken und Nicht-Banken weltweit als Kunden haben.
Der Bank Blog: Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Umsetzung?
Matthias Kröner: Für die Bank wird es notwendig sein, die wesentlichen Kostenarten trotz Wachstum unter Kontrolle zu halten: Kundengewinnung, Risiko und Operation bei gleichzeitiger Erreichung einer maximalen Kundenzufriedenheit. Für unser Technologie-Unternehmen wird die zeitgemäße Auslieferung ebenso relevant sein, wie der Erhalt der Innovationsführerschaft. Wie man sieht: Es wird auch in Zukunft nicht weniger aufregend und spannend.
Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch!