Bei der Gestaltung vieler Bankfilialen steht die Architektur im Vordergrund und nicht der Mensch. Das ist die Meinung des heutigen Gastautors, der anhand von Beispielen aufzeigt, wie Zweigstellen und Filialen wieder eine aktivere Rolle im Leben der Kunden einnehmen könnten.
Was haben Apple und der Elektronikhersteller Bang&Olufsen gemeinsam? Beide stellen hochpreisige Produkte her, die sich durch herausragendes Design sowie einfachste Bedienbarkeit auszeichnen. Auch verfolgen beide Unternehmen ein hochwertiges Shop-Konzept mit sehr aufwändig gestalteten Läden in 1A-Lagen.
Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied: Apple ist wirtschaftlich sehr erfolgreich und Bang&Olufsen schreibt immer wieder Verluste und erreicht die selbstgesteckten Umsatzziele nicht.
Dafür mag es bei den Dänen viele Gründe geben. Einer jedoch ist sicherlich im Shop-Konzept zu finden, welches sich vorrangig durch Design- und weniger durch sozio-emotionale Aspekte auszeichnet. In einem Satz: Wer primär auf das Ladendesign achtet, macht einen Fehler. Der Umbau eines Filialkonzepts setzt bei der Belegschaft an. Man muss den Kundennutzen sowie die Geschäftsabläufe analysieren und dann die dafür passende Rolle des Personals definieren. Erst danach geht es an die Innenarchitektur der Geschäftsstelle. Umsatz machen die Menschen und nicht das Mobiliar.
Wir kennen das aus vielen anderen „Einkaufserlebnissen“: Wunderbares Design, aber auch endlose Wartezeiten auf Mitarbeiter, deren Freundlichkeit und Kompetenz ausbaufähig sind. Auftritt der Belegschaft und der durch das Design vermittelte Anspruch passen nicht zusammen: Begeisterung stellt sich beim Kunden nicht ein.
Sind Bankfilialen ungeliebte Mühlsteine der Institute?
So sieht es häufig auch in den Bankfilialen aus. Man hat ohnehin den Eindruck, dass es sich hierbei eher um einen ungeliebten Vertriebskanal handelt. Die Berichterstattung ist geprägt von Beiträgen über defizitäre Zweigstellen und Filialschließungen. Immer wieder wird von den Mühlsteinen gesprochen, die um den Hals des Gewerbes hängen. Neulich sagte mir ein Vorstand einer Volksbank: „Wenn das Thema Bargeld in Deutschland endlich an Bedeutung verliert, dann können wir hoffentlich etliche Filialen schließen.“ In den ländlichen Regionen sind viele Geschäftsstellen nur an wenigen Tagen in der Woche geöffnet und das zum Teil auch nur stundenweise – „Ein Kompromiss an unsere Gewährträger“, so ein Vorstand einer Flächensparkasse. Rein betriebswirtschaftlich hätten diese schon längst geschlossen werden müssen, aber die Politik wolle keine Diskussion vor Ort. Wird die Filiale auf eine Ausgabestelle von Bargeld reduziert und nicht als interessanten Marktplatz für Bankdienstleistungen gesehen?
Es hat nicht den Eindruck, dass die Bankfiliale ein zukunftsträchtiges und geliebtes Kind der Branche ist. Es ist im Übrigen schon interessant, dass die Kreditwirtschaft den wesentlichen Kontaktpunkt zum Kunden systematisch schlechtredet, ohne dass es eine funktionierende Alternative gibt. Wie nun sollen sich unter diesen Rahmenbedingungen die Mitarbeiter fühlen? Eines ist klar, unzufriedene Mitarbeiter sind gefährlich. Nur wer motiviert ist und sich mit seinem Arbeitsplatz identifiziert, kann einen guten Beitrag zum Erfolg eines Unternehmens leisten und diesem auch als Markenbotschafter dienen.
Banken müssen das Leben ihrer Kunden bereichern
Es braucht damit endlich eine Vision für die Bankfiliale und die dort tätigen Mitarbeiter. Ansonsten bleibt die Branche gefangen im Modergrund der eigenen Langeweile ihrer Geschäftsstellen.
Filialen werden künftig nur noch eine Chance haben, wenn sie den Kunden attraktive Begegnungen und Erlebnisse ermöglichen, wenn sie dem Anspruch folgen, das Leben der Kunden zu bereichern. Nicht mehr und nicht weniger, darum geht es: Sich von anderen Wettbewerbern absetzen, indem man den Menschen ein unwiderstehliches Banking-Erlebnis beschert. Sicherlich eine ungewöhnliche Formulierung. Legt man die Messlatte tiefer, bleibt man im Einerlei der Anderen und differenziert sich hauptsächlich über den Preis.
Die Kreditwirtschaft hat aber vor Jahren die Weichen in eine andere Richtung gestellt: Mit ihrer Entscheidung, Bankkunden vieles selbst machen zu lassen, wurde der Kontaktpunkt Zweigstelle massiv geschwächt. Im Vorraum der Geschäftsstellen steht eine Automatenstraße, die einen Besuch der eigentlichen Filiale häufig überflüssig macht. Untersuchungen haben ergeben, dass 70% der Kunden die Geschäftsstelle nach dem Automatenbesuch wieder verlassen. Damit wird auf 70% an Gesprächsmöglichkeiten und Chancen zur Kundenbindung verzichtet.
Mercedes macht es vor: Schau doch einfach mal rein!
Seit Mitte Juni vergangenen Jahres hängt der gute Stern auf allen Straßen wieder am Ballindamm 17 in Hamburg. Jenem Gebäude, in dem 1920 das erste Mercedes-Autohaus öffnete. Im Sommer 2014 wurde dort der erste „Mercedes me Store“ eröffnet.
Unter dieser Multikanalmarke bündelt das Unternehmen alle seine Service- und Dienstleistungsangebote – im Web und den neuen Stores. Ergänzend sind mobile Verkaufsberater, hausintern „Mobile Stars“ genannt, im Einsatz, die den Kunden besuchen und beraten. Man will dem Kunden überall dort, wo er mit der Marke in Berührung kommt, ein überzeugendes Premiumerlebnis bieten. Schon deshalb wirken die neuen Stores nicht wie die bisherigen Verkaufshallen, in denen ein Auto neben dem anderen steht. Der Lounge-Charakter prägt das Design. Besucher sollen eintreten und sich wohlfühlen. Lediglich eine neue C-Klasse zierte den Raum. Auf 550 Quadratmetern kann man zu Mittag essen oder einen Cappuccino genießen. Der Store bietet den Raum für ungezwungene Gespräche, Lesungen, Kunstausstellungen, Modeschauen oder auch Konzerte. Das Angebot richte sich auch an Nichtkunden und sei die beste Art Mercedes zu erleben, ohne in einen Mercedes einzusteigen. Klar, dass ein Store dieser Art einen neuen Typ von Mitarbeiter erfordert. Der Mitarbeiter als Gastgeber – Der klassische Autoverkäufer hat da ausgedient.
Emotionale Erlebnisse und Service sind wichtiger als der Preis
Immer mehr Einzelhändler stellen fest, dass Kunden die Geschäfte betreten, um Produkte anzufassen und anzusehen und um sie dann später im Netz zu kaufen – bei einem anderen Händler, weil dieser preiswerter ist.
Doch haben Untersuchungen im Einzelhandel gezeigt, dass der Preiskrieg im Internet längst nicht zum Aussterben der Einzelhandelsgeschäfte führen muss. Für viele Segmente gilt, dass den Käufern Kundendienst und Komfort weit wichtiger als der Preis sind. Schafft man es, Menschen vom Bildschirm ins Ladenlokal zu locken, hat man eine große Chance sie an sich zu binden und wiederkehrende Geschäfte zu generieren. Man muss ihnen lediglich ein Erlebnis verschaffen, das bleibende Erinnerungen hinterlässt.
Der Vater der Apple Stores, Ron Johnson, ist davon überzeugt, dass das machbar ist: „Man muss einen Laden kreieren, der mehr ist als nur ein Laden. Er muss Ihr Leben bereichern.“
Was das im Detail heißt, dass ist branchenabhängig und es gilt, das herauszufinden. In der Kreditwirtschaft wird es sicherlich zu differenzierten Antworten kommen müssen – davon abhängig, ob die Geschäftsstelle auf dem Land oder in der Stadt liegt. In Großstädten mit einkommensstarkem Publikum können unter Umständen Konzepte wie das von „Mercedes me“ funktionieren. Im ländlichen Bereich, und dort befinden sich die meisten Geschäftsstellen der Kreditinstitute, wird es andere Lösungen geben müssen.
Der „Dorfbrunnen“ als Ort der Begegnung
Holte man sich früher eine Kanne Wasser am Dorfbrunnen, blieb man gleich noch auf ein Schwätzchen. Die Sehnsucht nach sozialen Kontakten und einem zwischenmenschlichen Austausch von Informationen hat auch in Zeiten von Facebook & Co nicht abgenommen und findet auf lokaler Ebene immer noch häufig nicht virtuell statt. Ähnlich der modernen „Mercedes me Lounge“ in den Großstädten könnten auch in den ländlichen Regionen Modelle entstehen, die sich zu einem sozialen oder gesellschaftlichen Treffpunkt entwickeln. Banken könnten hier Vorreiter werden und ihre lokale oder regionale Verbundenheit unter Beweis stellen.
Man muss einer Bank nicht ansehen, dass es eine Bank ist
Bei der Ausgestaltung der Räumlichkeiten muss der reine Bankbetrieb nicht im Vordergrund stehen. Interessant ist, was sich die Bevölkerung vor Ort wünscht und welche anderen Institutionen der Gemeinde sich an dem Raumkonzept beteiligen. Ob nun kommunale Institutionen wie Bürgerbüro oder Leihbücherei oder auch gewerbliche Unternehmen. Vieles lässt sich unter einem Dach mit einer Bank vereinigen und damit ein außergewöhnliches Besuchserlebnis schaffen. So, wie es auch die „Bankery“ in Gütersloh unter dem Motto „Bank und Genuss“ bietet, einer Kombination aus Bistro und Geldgeschäften.
Das Modell scheint aufzugehen, denn die Bankery ist immer voll. In den letzten drei Jahren hat sich das Konzept zum In-Lokal entwickelt. Nicht nur die Bankberater gehen gerne mit ihren Kunden dorthin zur Besprechung. Auch die Kunden selber nutzen den Ort für Gespräche oder auch einfach nur als Restaurant. Einmal im Monat gibt es Mitgliederabende zu Themen wie Bauen, Geldanlage oder Erben. Auch der Philosoph Richard David Precht war schon zu Gast und bereicherte eine Reihe von Themenabenden jenseits der reinen Finanzgeschäfte.
Man muss einem Banker nicht anmerken, dass er ein Banker ist
Bemerkenswert bei der Bankery ist, dass die beiden Bankmitarbeiterinnen dort Erfahrungen aus Gastronomie und Automobilverkauf mitbrachten. Branchen, in denen die Belegschaft keine Scheu hat, andere Menschen aktiv anzusprechen. Der Banker als Gastgeber – als Concierge. Sicherlich für viele der Mitarbeiter vom alten Schlag eine deutliche Umgewöhnung. War man es doch gewohnt, dass die Kunden zu einem kommen und Kredite gewährt werden.
Werden Filialen zu Orten umgebaut, an denen sich Menschen gerne treffen und übernehmen Banken, zusammen mit anderen Institutionen vor Ort, den Charakter eines gesellschaftlichen oder sozialen Treffpunktes, dann ändert das auch das Rollenbild des Filialmitarbeiters. Dann stellt sich die Frage nach den gewünschten Eigenschaften, Kompetenzen und Fähigkeiten von Filialmitarbeitern. Es bedarf der Schaffung einer neuen Servicekultur und neuer Wege, den Kunden an sich zu binden. Nun sprechen wir aber über weitaus mehr, als nur über klassische Personalentwicklung. Wir sprechen über umfangreiche und komplexe Veränderungsvorhaben, die in den Instituten eine hohe Change-Management Kompetenz erfordern.
APPLE – approach, probe, present, listen, end
Auf Kunden zugehen, herausfinden was sie möchten, eine Lösung präsentieren, das Feedback des Kunden dazu aufnehmen und das Gespräch mit einem Geschäft oder mindestens mit einer freundlichen Einladung beenden, wiederzukommen. So sieht das Konzept von Apple für ein Einkaufserlebnis aus. Wer in einem Geschäft schnell gesehen und auch freundlich angesprochen wird, freut sich, fühlt sich ernstgenommen und kommt gerne wieder. Das aber geht nur, wenn man der Geschäftsstelle nach dem Besuch der Automatenstraße nicht wieder den Rücken zukehrt, sondern auf Menschen trifft, die sich freuen einem zu helfen und den Anspruch haben, einem das Leben zu bereichern.
Für Apple wurde vor Jahren einmal formuliert:
- Nicht die technisch Versierten stellt Apple ein. Sie suchen Leute, die lächeln können und eine Persönlichkeit haben. Technisches Wissen lässt sich schnell erlernen.
- Jeder Angestellte in einem Apple-Shop ist gefordert, den Kunden so lange zu betreuen, bis sein Problem gelöst ist. Ein „Da kenne ich mich nicht aus, ich hole mal den Chef.“ gibt es nicht.
Vergleichen wir das mit dem, was wir heutzutage in vielen Geschäftsstellen der Banken erleben, zeigt sich der Handlungsbedarf.
Für die Banken in Deutschland wünsche ich mir weniger Verkäufer, sondern Damen und Herren, die auf die Kunden zugehen, diese konsequent freundlich begrüßen und sofort einen persönlichen Kontakt in einem Gespräch aufbauen. Ich wünsche mir Gesprächspartner in Geschäftsstellen, die nicht nur ihren Job machen, sondern deren Berufung darin besteht, mein Leben zu bereichern – rund um alle Fragen der finanziellen Vorsorge und Absicherung. Ich wünsche mir mehr universell qualifizierte Mitarbeiter, die sich vor Ort für die Bedürfnisse des Kunden interessieren und diese auch befriedigen können. Nur bei komplexen oder schwierigen Fragestellungen werden Spezialisten via Videokonferenzsystem zugeschaltet – der Berater vor Ort bleibt bei diesem Gespräch selbstverständlich dabei.
By the way: Ließen sich Wünsche dieser Art realisieren, würden wir immer weniger über das Thema „Vertrauen in Banken“ sprechen, und ich bin davon überzeugt, dass viele der heutigen Bankmitarbeiter diesen Weg mit Freude mitgehen würden.