Neobanken haben in den vergangenen Jahren die Bankenlandschaft nachhaltig verändert. Sie fallen durch günstige Gebühren, innovative Ideen für Zusatzleistungen und sehr benutzerfreundlichen Apps auf. Haben traditionelle Banken mit Filialen da überhaupt eine Chance?
Das Wichtigste vorweg: Banking wird immer digitaler und ist für Kunden aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Beschleunigt durch die Corona-Pandemie hat sich der Anteil an digitalem Banking allein in 2020 verdoppelt. Immer weniger Menschen nutzen Bargeld, stattdessen genießen sie die Flexibilität, die eine App für die Bankgeschäfte bietet.
Neobanken haben ihren Teil zu diesem Trend beigetragen, doch durch die stark gewachsene Anzahl an Apps wird es mittlerweile schnell unübersichtlich für neue Kunden. Herunterladen und loslegen ist zwar einfacher als je zuvor, aber reicht das auch langfristig? Und gibt es vielleicht Wege wie man Kunden für neue Finanzthemen begeistern kann?
Wie würde ich dies als Kunde sehen?
Um solche komplexen Fragen zu beantworten, legen digitale Produktdesigner sehr viel Wert darauf Empathie mit dem Nutzer aufzubauen, beispielsweise durch Gespräche, Beobachtungen oder Tests. Ziel ist es, den Nutzer ganzheitlich als Mensch kennenzulernen, um Nutzen („gains”), Probleme („pains”) und die Aufgaben, die der Kunde erledigen möchte („customer jobs”), herauszuarbeiten.
Basierend auf diesen Einblicken ist es möglich, ein klares Wertversprechen zu entwickeln. Durch iteratives Testen und Prototyping stellt man dann sicher, dass die Lösung das Problem des Nutzers auch behebt. Dies nennt man den „Problem-Lösungs-Fit”, die Grundlage für ein starkes Produkt oder starken Service.
Vor allem junge Nutzer entdecken gerade Finanzthemen für sich. Allerdings ist es oft schwierig zu wissen, wo man anfangen soll, welche Möglichkeiten es gibt und wie man eine langfristige Strategie aufbaut. Mit der Designerbrille betrachtet ist diese Eintrittshürde also ein großer „pain point“ und damit zugleich eine Riesenchance.
Communities werden die Zukunft des Bankings
Um komplexe Probleme zu lösen, gibt es viele Möglichkeiten sich inspirieren zu lassen. Beispielsweise kann man die Behelfslösungen der Nutzer beobachten: Wie versuchen sich Nutzer zu helfen, wenn sie nur schwer weiterkommen?
Um bei Finanzen einzusteigen, informieren sich viele junge Nutzer über Blogs, Podcasts oder YouTube-Kanäle. Oft geht es erst einmal darum, sich einen Überblick zu schaffen, um zu sehen, was möglich ist. Dadurch entwickelt sich schnell Vertrauen und es bilden sich Online Communities zu verschiedenen Finanzthemen. Die Zukunft von Finanzen wird sich zunehmend um Communities drehen – Leuten, denen ich vertraue, dass diese mir die richtigen Tipps geben.
Vertrauen baue ich idealerweise durch Gespräche und Zeit auf und damit haben Banken mit Filialen einen entscheidenden Vorteil gegenüber Neobanken – allerdings müssen sie über einen Geldautomaten und zwei Finanzberater hinausdenken.
Bankfilialen als lokale Erweiterung der online Community
Bankfilialen besitzen die Möglichkeit, Menschen direkt und vor Ort zu erreichen. Wie wäre es, wenn Bankfilialen die Online Communities lokal verankern? Wie würde ein direkter Austausch potenziellen Kunden beim Informieren und Entscheiden helfen? Wie würden sich die Qualität der Community und die Beziehung der Mitglieder untereinander verändern? Und welche Möglichkeiten ergeben sich dabei auch für die Bank und ihr digitales Angebot?
Es ist gar nicht schwer sich zu überlegen, wie man mit kleinen Experimenten diesen Ansatz validieren kann.
Filialen könnten bereits bestehende Online Communities durch gemeinsame Events integrieren. Beispielsweise kann man Influencer zu öffentlichen Interviews oder Diskussionsrunden vor Ort einladen. Die Themen reichen hier von FIRE (Financial Independence, Retire Early) über ETFs bis hin zu Krypto oder nachhaltiges Investieren. Das weckt Interesse bei Kunden, denn es ist etwas ganz anderes einmal persönlich mit Influencern sprechen zu können oder sich durch eine Diskussion inspirieren zu lassen.
Wichtig dabei ist erst einmal verschiedene Themen und Formate auszuprobieren und die Beteiligung zu quantifizieren, denn dadurch lernt man, welche Themen der lokalen Community am wichtigsten sind. Zu den relevantesten Themen können Filialen den lokalen Austausch beispielsweise durch Themenwochen oder ungezwungene Netzwerkevents nach der Arbeit unterstützen. Auch hier kann man mit Themen und Formaten experimentieren.
Sobald die kleinen Experimente erfolgreich sind, kann man dann größer denken. Wie würde beispielsweise ein Virtual Reality Spiel aussehen, das die wichtigsten Finanzthemen erlebbar und spannend macht und damit Gespräche anregt? Wie würde eine „immersive Learning Academy” aussehen? Wie könnte man durch die Banking App mit der lokalen Community oder der Filiale am besten interagieren? Gibt es Formate, wie die Bank den Nutzer im Alltag unterstützen kann – und zwar ohne dass erst ein Termin erforderlich ist?
Auch hier kann man durch einen Designansatz mit Prototyping und Tests gezielt, schnell sowie günstig herausfinden, welche Angebote das größte Interesse erzeugen und für den Kunden besonders zugänglich sind. Dabei lernt man nicht nur sehr früh, was Kunden wichtig ist sondern kann verschiedene Personas mit ihren jeweiligen Vorlieben identifizieren, die man bei der Erstellung des finalen Produkts immer im Kopf haben kann.
Kundenerlebnis und Vertrauen als neue Währung
In Zukunft wird es Aufgabe jeder Bank sein, das Angebot zumindest in Teilen für den Kunden erlebbar zu machen. Filialen bieten hier große Chancen für Banken, denn durch lokale Angebote, direkte Gespräche und Events können sie deutlich schneller Vertrauen sowie eine Beziehung zu potenziellen Nutzern aufbauen. Empathie und Design helfen hier, auf die richtigen Formate zu setzen und diese Erlebnisse auch ins Digitale zu übersetzen.