Haben Familienunternehmen leichteren Zugang zu Bankkrediten als andere Unternehmen? Zumindest genießen sie gegenüber anderen Unternehmen einen Vertrauensvorschuss, wie eine aktuelle Untersuchung zeigt.
Haben Familienunternehmen Vorteile bei der Bankenfinanzierung gegenüber Nichtfamilienunternehmen? Eine erste Antwort liefert ein Promotionsvorhaben, das am IMF Institut für Mittelstand und Familienunternehmen der HSBA Hamburg School of Business Administration und der Leuphana-Universität Lüneburg zusammen mit Euler Hermes und Roland Berger durchgeführt wird.
Finanzierungsvorteil für Familienunternehmen?
Warum sollten Familienunternehmen einen Finanzierungsvorteil besitzen? Aus theoretischer Sicht ließe sich anführen, dass sie durch die vertrauensbildende Rolle der Familie einen Reputationsvorteil gegenüber Nichtfamilienunternehmen erlangen. Das Vertrauen entsteht dadurch, dass die Familie das Unternehmen schon länger prägt und das Unternehmen sehr wahrscheinlich auch an die nächste Generation übergeben möchte. Langfristorientierung und Übergabeabsicht verringern die Wahrscheinlichkeit, dass das Familienunternehmen zu einer besonders risikoreichen Strategie neigt.
Die Familie ist dauerhaft mit dem Unternehmen verbunden, während in Nichtfamilienunternehmen Gesellschafter oder Geschäftsführer schneller wechseln können. Ferner sind die Familiengesellschafter zumeist weniger diversifiziert als die Aktionäre einer Publikumsgesellschaft. Deshalb könnte man vermuten, dass eine Familie „pfleglicher“ mit ihrem Unternehmen umgeht, als das bei Nichtfamilienunternehmen der Fall ist. Hinzukommt, dass dubiose Geschäftspraktiken nicht nur die Reputation des Unternehmens, sondern auf zweiter Ebene auch die der Familie beschädigen würden. Und nicht zuletzt mag die personelle Stabilität im Familienunternehmen die Kreditverhandlungen auch auf der persönlichen Ebene erleichtern – vorausgesetzt, dass auch auf Bankseite personelle Stabilität gegeben ist.
Insgesamt lassen diese Argumente einen leichteren Zugang zur Bankfinanzierung für Familienunternehmen erwarten. In der Terminologie der Familienunternehmensforschung würde man hier von Vorteilen durch die sogenannte Familiness und geringere Agency-Probleme zwischen Schuldner und Kreditgeber sprechen.
Familienunternehmenseigenschaft als signifikante Variable
Um die Frage nach gegebenenfalls vorliegenden Finanzierungsvorteilen von Familienunternehmen zu klären, wurden Finanzierungsstrukturen von rund 700 großen, deutschen, nicht börsennotierten Unternehmen für den Zeitraum 2010 bis 2014 untersucht. Ungefähr zwei Drittel der Stichprobenunternehmen waren Familienunternehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Familienunternehmen prozentual eine höhere Bankverschuldung aufweisen als Nichtfamilienunternehmen. In der Panelanalyse erwies sich die Familienunternehmenseigenschaft als hoch signifikante erklärende Variable für den Umfang der Bankverschuldung.
Im Fokus: Materielles Anlagevermögen
Dieses Ergebnis lässt sich besonders gut in Verbindung mit einem anderen Resultat interpretieren: Materielles Anlagevermögen gilt gemeinhin im Krisenfall als werthaltiger als immaterielles Anlagevermögen. Je mehr materielles Anlagevermögen ein Kreditnehmer aufweist, desto besser abgesichert kann sich der Kreditgeber fühlen, weshalb er bereit ist, mehr Kredite zu geben. Für Nichtfamilienunternehmen hat die Analyse gezeigt, dass der Umfang des materiellen Anlagevermögens signifikant das Ausmaß der Bankverschuldung erhöht. Geringeres Vertrauen der Kreditgeber in kreditaufnehmende Nichtfamilienunternehmen wird also teilweise durch die bessere Verwertbarkeit von materiellem Anlagevermögen im Fall eines notleidenden Kredites ersetzt. Für Familienunternehmen ließ sich kein Zusammenhang zwischen materiellem Vermögen und Bankverschuldung feststellen.
Familienunternehmen genießen Vertrauen
Zusammengefasst lassen sich die Ergebnisse so interpretieren: Die Familienunternehmenseigenschaft hat bei der Kreditaufnahme einen vertrauensbildenden Effekt, den Nichtfamilienunternehmen nicht besitzen. Das erleichtert Familienunternehmen die Bankkreditaufnahme. Nichtfamilienunternehmen kompensieren das geringere Vertrauen seitens der Kreditgeber durch mehr materielles Anlagevermögen.
So erfreulich das Ergebnis für Familienunternehmen zunächst auch aussieht, ist es unwahrscheinlich, dass es für alle Familienunternehmen in Gänze gleichermaßen gilt. In den weiteren Teilprojekten des Dissertationsvorhabens von Herrn Wendt soll herausgefunden werden, durch welche Eigenschaften der Vertrauenseffekt bewirkt wird und für welche Familienunternehmen der Effekt also besonders groß ist.
Dr. Felix Thiele ist Ko-Autor des Beitrags. Er promovierte an der Leuphana-Universität Lüneburg und am IMF Institut für Mittelstand und Familienunternehmen der HSBA Hamburg School of Business Administration zum Thema Finanzierung von Familienunternehmen, insbesondere zu Fragestellungen der externen Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung. Heute berät er, als Partner des Company Builder NEUERER, Familienunternehmen zum Thema Digitalisierung und zur Zusammenarbeit mit Startups.
Matin Wendt ist Ko-Autor des Beitrags. Er promoviert an der Leuphana-Universität Lüneburg und am IMF Institut für Mittelstand und Familienunternehmen der HSBA Hamburg School of Business Administration. Schwerpunkt seiner Forschung sind Kapitalstrukturen in Familienunternehmen mit dem besonderen Fokus auf fremdkapitalbasierte Finanzierungsformen. Neben seiner Promotion absolvierte Martin Wendt diverse Stationen im Risk Management der Euler Hermes SA, wo er gegenwärtig als Spezialist für Projektabsicherungen und Avalkredite in der Großkundenakquise tätig ist.
Der Beitrag erschien ursprünglich als Teil des Jahrbuchs 2017/18 des Ver4einas Finanzplatz Hamburg, dessen Mitglied der Bank Blog ist. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.