Die Bereitschaft der deutschen Förderbanken, Künstliche Intelligenz (KI) einzusetzen, ist hoch. Von einem breiten Einsatz der neuen Technologie würden Kunden und Institute gleichermaßen profitieren, wie die folgenden Use Cases zeigen.
Fast neun von zehn Förderbankexperten sprechen sich für eine schnellere und umfassendere Integration neuer Zukunftstechnologien aus. Bei der Umsetzung stehen die Spezialbanken allerdings noch auf der Bremse: Nur gut ein Drittel aller befragten Förderbankexperten gibt an, dass ihr Institut Machine Learning (ML) bereits einsetzt oder damit arbeitet. Damit liegen die Förderbanken in der Umsetzung hinter Kapitalverwaltungsgesellschaften (83 Prozent), Privatbanken (66 Prozent), Genossenschaftsbanken (65 Prozent) und Sparkassen (47 Prozent).
Das ist das Ergebnis der Studie „Künstliche Intelligenz in Banken: ChatGPT, Machine Learning, Data Science“, die die Cofinpro AG gemeinsam mit der VÖB-Service GmbH im März 2023 durchgeführt hat. An der Befragung nahmen 382 Experten aus Förderbanken, Privatbanken, Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Kapitalverwaltungsgesellschaften teil.
Offensiver Technologieeinsatz lohnt sich
KI wird einen massiven Impact auf viele Teile der Gesellschaft haben. Im Förderbankensektor steckt ein hohes Potenzial, da KI-Unterstützung es ermöglichen wird, die individuelle Situation des Fördernehmers besser zu berücksichtigen. – Thomas Görge, Abteilungsleiter IT- und Organisation, Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen
Dabei könnte sich ein offensiverer Technologieeinsatz durchaus lohnen, schließlich schätzt die große Mehrheit – darunter 79 Prozent der befragten Förderbankexperten – das disruptive Potenzial von künstlichen Sprachmodellen wie ChatGPT als hoch ein. Nur bei den Mitarbeitenden von Kapitalverwaltungsgesellschaften (100 Prozent) und Genossenschaftsbanken (91 Prozent) ist die Zustimmung noch höher. Bei der Frage, ob ML bereits operativ, z. B. im Sinne der Generierung einer höheren Kundenzufriedenheit, eingesetzt wird, nehmen die Förderbanken mit rund einem Drittel aller Befragten wiederum den defensivsten Platz der fünf genannten Institutsgruppen ein. Gerade hier besteht jedoch für die deutschen Förderbanken in ihrer föderalen Struktur ein hohes Potenzial, wie die folgenden Use Cases verdeutlichen.
Abbau von Barrieren
Antragsteller für Förderprogramme finden z.B. in der Presse oder im Internet meist nur vage Hinweise, die in der Regel auf die Förderinstitutionen verweisen. Dort sind die Informationen zu den Förderprogrammen häufig programmbezogen zusammengestellt. Dies bedeutet, dass sich ein potenzieller Fördernehmer durch die Produktinformationen aller potenziell in Frage kommenden Förderprogramme durcharbeiten muss, um in der Vielzahl das für ihn passende Programm zu finden.
Die derzeit eingesetzten Fördermittelfinder weisen bereits in die richtige Richtung, allerdings basieren diese Anwendungen nicht auf KI, sondern stellen in der Regel Entscheidungsbäume mit meist drei bis vier Ebenen dar. Dies kann dazu führen, dass im Zweifelsfall nicht die am besten geeignete Förderung empfohlen, sondern lediglich eine Auswahl möglicher Förderungen aufgelistet wird. Der Fördernehmer muss sich dann selbst in die jeweiligen Details einlesen und die für ihn passende Förderung auswählen. Zudem sind aktuelle Fördermittelfinder recht starre Konstrukte, die im Gegensatz zu selbstlernenden Lösungen bei Produktänderungen immer wieder manuell angepasst werden müssen.
Möchte beispielsweise eine Hausbesitzerin die Anschaffung einer Wärmepumpe gefördert bekommen, könnte dies auch folgendermaßen funktionieren: In einem dialogbasierten Chat, der mit Hilfe von Natural Language Understanding (NLU) wie ein normales Gespräch abläuft, schildert sie ihre Situation. Eine KI stellt dann zielgerichtet Fragen, um das passende Förderprogramm für diesen speziellen Fall zu ermitteln. Ist das mögliche Förderprogramm identifiziert, kann die KI-gestützte Prüfung im nächsten Schritt die Förderkriterien des entsprechenden Förderprogramms mit dem jeweiligen Fall abgleichen. Die KI-Unterstützung würde nicht nur Bankmitarbeitende und Fördernehmer entlasten, sondern auch den steigenden Erwartungen des Marktes nach einer 24/7-Beratung gerecht werden.
Schnelle Prüfung der Kundenunterlagen
Der Einsatz und die Weiterentwicklung von KI verlangen ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Wir können KI nur dann vertrauen, wenn die Logarithmen hinter der KI in einem gewissen Maße nachvollziehbar und „neutral“ gestaltet sind. – Tabea Jarocki, Auslagerungsbeauftragte der KfW Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft
Die Vorteile einer KI-Anwendung beschränken sich jedoch nicht nur auf die potenziellen Fördernehmer, sondern wirken sich auch auf die Prozesse der Förderbank selbst aus. So müssen Kunden bei der Antragstellung umfangreiche Angaben machen und häufig auch Nachweise beifügen. Die Sachbearbeitung bzw. Marktfolge der Förderbanken könnte durch KI dabei unterstützt werden, die Angaben in den Formularen mit den Inhalten der beigefügten Nachweise abzugleichen. Ebenso könnten die Nachweise automatisiert auf Vollständigkeit und Relevanz geprüft werden. Gerade mit Blick auf Prozessautomatisierungen geben rund 40 Prozent der deutschen Förderbankexperten an, dass in ihren Häusern bereits Testprojekte dazu laufen oder ML operativ eingesetzt wird. Damit bleibt noch großes Aufholpotenzial im Vergleich zu den Privatbanken, die nach eigenen Angaben bereits einen Wert von 70 Prozent erreicht haben.
Ein weiteres Beispiel sind Studienkredite. Zu Beginn eines jeden Semesters steigt die Nachfrage stark an, weshalb die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Chatbot-System auf Basis einer KI-Lösung eingeführt hat. Dabei wird der Informations- und Beratungsprozess mit Hilfe eines virtuellen Assistenten weitgehend automatisiert. Dies entlastet die Mitarbeitenden in den Ämtern für Ausbildungsförderung und in der Förderbank.
Eine vollständig automatisierte Förderentscheidung ist in der Regel jedoch nicht möglich, da das Element „Ermessen der Prüfstelle“ in den verwaltungsrechtlichen Vorgaben fest verankert ist. Ob dies Fluch oder Segen ist, lässt sich derzeit nicht eindeutig beantworten, denn KI-basierte Entscheidungssysteme und ihre Algorithmen können auch Vorurteile, Missverständnisse, mögliche Diskriminierungstendenzen etc. aufgreifen, verstärken und ausweiten. Das weiß auch das Bundesministerium der Finanzen, das sich seit Jahren mit den Risiken von Big Data und KI beschäftigt.
Unterstützung bei Nachweisdokumenten und Betrugserkennung
Sowohl im Rahmen der Bewilligung als auch beim Abruf von Fördermitteln kann die Bearbeitungszeit deutlich verkürzt werden, wenn die KI in der Lage ist, eine umfassende Prüfung durchzuführen, eine Empfehlung an die Marktfolge auszusprechen oder auf Unstimmigkeiten in den Antragsunterlagen hinzuweisen. So ist es z.B. denkbar, dass die KI bei fehlenden oder nicht plausiblen Unterlagen Kontakt mit dem Kunden aufnimmt und per Chat, E-Mail oder Nachricht (z.B. in einem Kundenportal) um Klärung bittet.
Derzeit verlangen die Förderbanken Nachweise (z.B. Rechnungen) für Ausgaben, die der Kunde zunächst selbst getätigt hat und dann anteilig erstattet haben möchte. Hierfür benötigen die Förderbanken häufig elektronische Duplikate der Dokumente. Darüber hinaus muss der Fördermittelempfänger alle relevanten Rechnungsinformationen in die Eingabemasken der Förderbanken eintragen. Dies kann insbesondere bei großen Förderprojekten dazu führen, dass Hunderte von Rechnungen vom Fördernehmer erfasst und in die Systeme „hochgeladen“ werden müssen.
Hier würde eine optische Zeichenerkennung (Optical Character Recognition, OCR) in Kombination mit KI helfen, den Erfassungsaufwand beim Fördernehmer deutlich zu reduzieren, indem die einzelnen Rechnungsinformationen aus den hochgeladenen elektronischen Rechnungskopien ausgelesen und in die Erfassungsmasken (z.B. in die sog. Beleglisten) übertragen werden. Darüber hinaus wäre ein solches Verfahren auch bei der Prävention und Aufdeckung von Betrugsfällen hilfreich. Diese Möglichkeiten werden von den Förderbanken bisher kaum genutzt. So geben nur 15 Prozent der Förderbankexperten an, dass ML im Rahmen der Betrugserkennung operativ eingesetzt wird. Spitzenreiter sind auch hier die privaten Banken mit 57 Prozent.
Förderbanken agieren noch sehr defensiv
Die genannten Beispiele zeigen das Potenzial für Förderbanken auf. Allerdings agiert diese Institutsgruppe noch sehr defensiv: Nur vier von zehn Förderbankexperten gehen davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren eine nachhaltige Veränderung durch KI in ihrem Haus zu erwarten ist. Damit äußern sich die Förderbanken im Vergleich zu den anderen fünf untersuchten Institutsgruppen am konservativsten. Bei der Frage nach einer langfristigen, nachhaltigen Veränderung (mehr als fünf Jahre) kehrt sich dieses Bild um. Hier liegen die Förderbanken mit 16 Prozentpunkten vor der zweitplatzierten Institutsgruppe der privaten Banken.
Die Förderbankexperten sind sich also einig, dass Zukunftstechnologien schneller ganzheitlich in die Organisation integriert werden müssen. Die Potenziale von KI und ML werden bei den Förderbanken gesehen, allerdings sind sich die Förderbankexperten auch darüber bewusst, dass eine ganzheitliche Integration einen längeren Transformationszeitraum in Anspruch nehmen wird als bei den anderen Bankengruppen. Denn bei über 90 Prozent der befragten Förderbankexperten gibt es grundsätzlich keine strategische Entscheidung gegen KI oder ML und laut 75 Prozent der Rückmeldungen würde ein Einsatz nicht an fehlenden Budgets scheitern.
Knapp die Hälfte der Förderbankexperten sieht fehlendes KI- und ML-Know-how als Show-Stopper. Planung, Konzeption, Umsetzung und natürlich auch Wartung sind nicht nur zeit- und kostenintensiv, sondern erfordern neben der fachlichen Kompetenz auch ein sehr hohes technisches Verständnis. So geben 83 Prozent aller Förderbankexperten an, dass sie für die Integration neuer Technologien Partner benötigen. Ein Ausbremsen durch den Regulator bzw. sehr starre regulatorische Vorgaben sowie ungeeignete Use Cases werden mit 55 Prozent bzw. 53 Prozent der Rückmeldungen beziffert.
Im hochregulierten und hochsensiblen Finanzumfeld mit hohen Datenschutzanforderungen spiegelt sich hier die allgemeine Unsicherheit zu Beginn einer neuen Technologieära und einer verlässlichen Qualitätssicherung von KI wider. Zudem stehen bei allen Anwendungen von ML und KI die Daten im Mittelpunkt. 14 Prozent der Förderbankexperten gehen davon aus, dass das vorhandene Potenzial von Daten in diesem Zusammenhang ausgeschöpft wird. Dies korreliert wiederum positiv mit der Aussage, dass 69 Prozent der Experten die Datenqualität für nicht ausreichend halten, was aber im Rahmen der Modernisierung der Informationstechnologie der Förderbanken in den nächsten Jahren behoben werden sollte. Denn auch hier gilt: Ohne gute Ausbildung bzw. valide Datenbasis und viel Training wird weder der Mitarbeiter noch die KI zum Asset.